Staatsanwaltschaft erhebt Anklage
Mordprozess gegen Pyrbaumer? Fall um verschwundene Alexandra R. aus Nürnberg geht weiter

09.01.2024 | Stand 09.01.2024, 18:20 Uhr

Viele Monate suchte die Polizei nach der vermissten Alexandra R., unter anderem am Nürnberger Hafen mit Sonar und Leichenspürhunden. Nun hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen zwei Männer aus Pyrbaum und Kalchreuth wegen Mordes erhoben, obwohl die Leiche nie gefunden wurde. − Foto: Heiko Becker/dpa

Nach dem Verschwinden einer Schwangeren aus Nürnberg hat die Staatsanwaltschaft deren ehemaligen Lebensgefährten und einen weiteren Mann wegen Mordes und Geiselnahme angeklagt.



Es dürfte ein schwieriger Indizienprozess werden, in dem sich auch ein 50-Jähriger aus der Marktgemeinde Pyrbaum (Landkreis Neumarkt) verantworten muss, denn: Trotz aufwendiger und monatelanger Suchmaßnahmen fehlt von Alexandra R. weiterhin jede Spur.

Die im achten Monat schwangere 39-Jährige war im Dezember 2022 verschwunden. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat nun offenbar genug in der Hand, um beweisen zu können, dass Alexandra R. ermordet wurde. Sie hält zwei Männer aus dem nächsten Umfeld der Nürnbergerin für die Täter: ihren Ex-Lebensgefährten aus Rengersricht (Marktgemeinde Pyrbaum) und dessen Geschäftspartner aus Kalchreuth (Landkreis Erlangen-Höchstadt).

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Alexandra R. hat ihr Pflegekind in eine Kita in Schwabach gebracht und ist dann auf mysteriöse Weise verschwunden – monatelang hat das Schicksal der vermissten Hochschwangeren aus Nürnberg die Menschen in der Region beschäftigt und bewegt. Was genau an diesem Tag passiert ist, nachdem die Nürnbergerin die Kita verlassen hat, muss demnächst das Gericht klären.

Tatort in Hilpoltstein?



Obwohl Alexandra R. bislang nicht gefunden wurde, geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass sie tot ist. Angeklagt sind die beiden Männer wegen Mordes und Geiselnahme. Sie sollen die Schwangere im Dezember 2022 überwältigt, verschleppt und getötet haben, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Den Ermittlungen zufolge spielte sich die Tat am 9.Dezember 2022 folgendermaßen ab: Die beiden Verdächtigen sollen der Schwangeren zunächst in einem geliehenen Wagen zu einem leerstehenden Anwesen in Schwabach südlich von Nürnberg gefolgt sein, das ihr gehörte. Dort sollen sie die Frau überwältigt und in eine Lagerhalle in Hilpoltstein im Landkreis Roth gebracht haben. Spätestens dort sollen sie sie dazu gezwungen haben, einen Brief zu schreiben, in dem sie Strafanzeigen in zwei laufenden Ermittlungsverfahren gegen die beiden Männer zurücknahm.

Danach sollen sie die Schwangere getötet und die Leiche versteckt haben, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.Die beiden Tatverdächtigen selbst schweigen zu den Vorwürfen und verraten insbesondere nichts über den Verbleib von Alexandra R. Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler trotzdem. Nach monatelangen Ermittlungen, immer wieder neuen Hinweisen, Fahndungen nach Fahrzeugen und Suchaktionen mit Spürhunden und modernster Technik, zum Beispiel im Kanal und im Nürnberger Hafen, war es im September zu zwei Festnahmen gekommen.

Alexandra R.s früherer Lebensgefährte Dejan B., der ursprünglich aus Bosnien-Herzegowina stammt, war von einem Spezialeinsatzkommando an seinem Wohnort in Rengersricht bei Pyrbaum festgenommen worden. Wie auch sein in Kalchreuth verhafteter Geschäftspartner Ugur T. (48) sitzt er seitdem in Untersuchungshaft.

Streit um eine Viertel Million



Nun ist die Anklage beim Landgericht Nürnberg-Fürth eingegangen, bestätigt Justizsprecherin Tina Haase. Es sei aber noch nicht absehbar, bis wann die Kammer entschieden habe, ob es zur Verhandlung kommen wird. Diese müsse prüfen, ob die Beweismittel so überzeugend sind, dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist. Und die fehlende Leiche könnte in diesem Fall eine wichtige Rolle spielen: Auch ohne Leiche könne man über bestimmte Spuren und Zeugenaussagen die Tat nachweisen, sagte Haase. „Es ist natürlich schwerer, weil die Leiche ein bedeutendes Beweismittel ist.“

Kommt es zum Prozess, wird wahrscheinlich eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig werden. Das zeichnet sich jetzt ab. Mehr als 100 Zeugen sowie zehn Sachverständige sollen nach den Vorschlägen der Staatsanwaltschaft vor Gericht aussagen.

Nach dem Verschwinden der im achten Monat Schwangeren hatte eine Sonderkommission der Polizei viele Hundert Spuren und Hinweise in mehreren europäischen Ländern gesammelt. Mit Spürhunden suchte die Polizei damals vergeblich nach der Leiche, Taucher und Boote fanden im zur Wohnung nahe gelegenen Main-Donau-Kanal ebenfalls nichts.

Was war das Motiv für die Tat?



Stutzig hatte die Ermittler gemacht, dass die Frau ihr Zuhause ohne Bargeld, Ausweise und Mutterpass verlassen hatte. Dass sie sich ins Ausland abgesetzt hatte, schien deshalb wenig wahrscheinlich – obwohl die Verdächtigen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft genau diesen Eindruck hatten erwecken wollen. Nach dem Mord sollen sie von dem Handy des Opfers Abschiedsnachrichten an Personen aus dem näheren Umfeld der Verschwundenen verschickt und dieses nach Italien gebracht haben, um eine falsche Spur zu legen.

Doch was war das Motiv für die Tat? Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Tatverdächtigen unter anderem Habgier und Verdeckung einer anderen Straftat vor – beides Mordmerkmale. Nach Überzeugung der Ermittler hatte der damalige Lebensgefährte das Geld der leitenden Bankangestellten für Immobiliengeschäfte genutzt, die über den zweiten Angeklagten, den 48-Jährigen aus Kalchreuth, liefen. Die Frau erwarb demnach mit Hilfe ihres Lebensgefährten im Laufe der Jahre 27 Immobilien auf Kredit, die die Firma ihres Geschäftspartners sanierte, vermietete und verkaufte.

Nach der Trennung des Paares im März 2022 soll die Frau die Zusammenarbeit beendet und den Zugriff auf ihre Konten verweigert haben, über die er zuvor eigenmächtig seine Geschäfte abgewickelt haben soll. Der Streit mündete der Staatsanwaltschaft zufolge in Anzeigen der Frau und einem gerichtlichen Kontaktverbot.

Das und die Tatsache, dass durch Alexandra R.s Vorgehen die zuvor offenbar sprudelnde Finanzquelle zu versiegen drohte, wollten Dejan B. und Ugur T. allerdings nicht akzeptieren, vermutet die Anklagebehörde. Mit einem Vollstreckungstitel, den sie für die von ihnen betriebene GmbH und offenbar unter Vortäuschung falscher Tatsachen gegen die 39-Jährige erwirkt hatten, wollten sie sich weiter bereichern. An fast 785.000 Euro wollten sie so gelangen. Dagegen sei die Schwangere zivilrechtlich vorgegangen, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Eine Woche vor der entscheidenden Verhandlung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth sei sie verschwunden.

− ps/dpa