Festival
Queer-Streifen: 30 Filme über Liebe in allen Spielarten

19.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:22 Uhr

Moe (rechts) spürt in „Wet Sand“ (Georgien/ Schweiz 2021) der Vergangenheit ihres Großvaters nach. −Foto: Elene Naveriani

Von Katharina Kellner

Regensburg. Das 11. Regensburger Queer-Streifen-Festival startet am 20. Oktober. Queer-Streifen ist neben dem Queer Film Festival München eines von nur zwei großen Festivals seiner Art in Bayern.



Zwei Frauen auf der Autobahn. Die eine, Éva, sitzt auf dem Rücksitz, am Steuer Soraya. Sie fahren durch die Nacht, umkreisen Paris. Im Lauf des Films wird klar: Sie umkreisen zugleich sich selbst, ihre Paarbeziehung, ihre Wünsche und Ängste. Ein lebensveränderndes Ereignis steht kurz bevor: Éva ist hochschwanger, am Telefon drängt der Arzt, es sei höchste Zeit, die Entbindung einzuleiten. Doch Éva ist noch nicht soweit.

„Périphérie“ heißt der Film des französischen Regisseurs Thibault Bru von 2021. Ihn zeigt das Regensburger Queer-Streifen-Festival, dessen 11. Ausgabe am 20. Oktober startet.

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Michel Devriendt ist Vorsitzender des Regensburger Vereins. Filme, die sich mit lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transidenten, intersexuellen oder queeren Themen auseinandersetzen, seien über die Jahre zahlenmäßig gewachsen, sagt er. Die Qualität sei hoch. Viele sind im Mainstream angekommen – wie das wunderbare, todtraurige Drama „Supernova“ mit Colin Firth oder die humorvolle Netflix-Serie „Sex Education“.

Sorge vor Übergriffen

Das Regensburger Festival kooperiert beim Dachverband QueerScope mit anderen unabhängigen queeren Filmfestivals: 19 sind es in Deutschland, zwei in der Schweiz. Über QueerScope hat das rein ehrenamtlich arbeitende Team des Regensburger Vereins Queer-Streifen Zugriff auf rund 100 Langfilme für sein Festival. 70 hat es in diesem Jahr gesichtet und elf ausgewählt: Vier lesbische, vier schwule und drei queere Filme. Dazu kommen drei Kurzfilmprogramme mit den gleichen Kategorien.

Insa Wiese, ehemalige Leiterin der Internationalen Kurzfilmwoche Regensburg, hatte das Festival 2012 ins Leben gerufen. Das Team ist seither von vier auf heute 13 gewachsen. Queer-Streifen ist eine Institution bei Filmemachern aus aller Welt: Einreichungen kommen auch über die Plattform filmfreeway.com, zum Beispiel aus Iran. Dort stehen homosexuelle Beziehungen unter Strafe, Filme können nur heimlich gedreht werden. Aus Polen zeigt Queer-Streifen „The Howling“ von Regisseur Bartosz Brzezinski, Absolvent der Filmschule Warschau. In einfühlsamen Schwarz-Weiß-Bildern erzählt er vom jungen Kuba auf der Suche nach sexueller Selbstbestimmung. Dabei ist die Situation in Polen wegen der LGBT-feindlichen Politik der nationalistisch-autoritären PiS-Regierung schwierig.

Auch in Deutschland haben queere Menschen im Jahr 2022 weiter Anlass zur Sorge: Michel Devriendt findet, was die Gesetzgebung angehe, sei zwar fast alles in Ordnung. Doch es fehle an Akzeptanz in der Gesellschaft: „Wir gehen in der Entwicklung nicht vorwärts, sondern rückwärts“, sagt er mit Blick auf queerfeindliche Übergriffe, von denen es statistisch gesehen jeden Tag zwei in Deutschland gibt. Manchmal sind sie besonders brutal: Ende August attackierte ein Mann den jungen Trans-Mann Malte beim Christopher-Street-Day in Münster so heftig, dass dieser seinen Verletzungen erlag. Er hatte eingegriffen, als der Täter lesbische Frauen beleidigte.

Devriendt berichtet, die Firma, die die Festival-Plakate aushängt, habe gemeldet, viele Plakate seien abgerissen worden. Einige Lokale untersagten das Auslegen der Festival-Programme. Devriendt selbst würde nicht überall mit seinem Ehemann Händchen halten: „Komische Blicke sind kein Problem, aber es gibt eben auch böse Blicke.“

Positives überwiegt

Dennoch will er das Thema Queerness keinesfalls als problembeladen verstanden wissen: „Das Positive überwiegt.“ Er zählt auf: Die Ehrenamtler des Teams engagierten sich von Februar bis September für das Festival. Oberbürgermeisterin, Kulturreferat und die Sponsoren unterstützten es ideell und finanziell. Die Jury ist hochkarätig: Francy Fabritz, queer-feministische Filmemacherin, Kristóf Gellén, ehemaliger Schauspieler am Theater Regensburg, und Pedro Álvarez Olañeta, Gründer des Regensburger Festivals cinEScultura.

Devriendt wünscht sich, dass das Festival mehr Besucher jenseits der queeren Community erreicht: „Die Themen unserer Filme betreffen alle Menschen: Es geht um Liebe und Beziehungen. Wir möchten ein Festival für alle sein.“

„Périphérie“ ist so ein Film, der unabhängig von der sexuellen Orientierung Zuschauer mitnimmt. Die Dialoge sind spannend, das Genre des Roadmovies transportiert auf kluge Weise den Inhalt. Hier verhandelt ein Paar seine Rollen für die bevorstehende Elternschaft. Dass es zufällig zwei Mütter sind, ist eher unwichtig.

Das Queer-Streifen-Festival

Termin: Die 11. Ausgabe der Queer-Streifen findet von 20. bis 26. Oktober in den Kinos im Andreasstadel statt. Schirmherrin des Festivals ist Regensburgs Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer.

Jurypreis: Die Kurzfilme stehen in einem Wettbewerb. Eine Jury wählt den besten Film des gesamten Programms, der mit 500 Euro dotiert ist. Das Preisgeld des Jurypreises wird von Sponsoren getragen. Der Jurypreisträger erhält als Preistrophäe ein rosa Zebra vom Glasatelier Regensburg.

Publikumspreis: Zudem vergeben die Zuschauer einen Preis in den Kurzfilm-Kategorien lesbisch, schwul und queer, der jeweils mit 200 Euro dotiert ist. Die Kurzfilme dauern maximal 30 Minuten.

Langfilm: Hier wird der Publikumsliebling als undotierte Würdigung ermittelt.