Der Landkreis wird 50
„Ohne Veränderungen kein Erhalten“: Jubiläums-Interview mit dem Landshuter Landrat

01.07.2022 | Stand 01.07.2022, 12:29 Uhr

„Ich finde, dass unser Landkreis in den vergangenen fünfzig Jahren absolut zusammengewachsen ist“, sagt Landrat Peter Dreier. Foto: Landratsamt Landshut

Von Corinna Mühlehner

Landrat Peter Dreier spricht zum 50. Jubiläum des Landkreises Landshut über Vorteil, Nachteile und Herausforderungen nach der Gebietsreform.





Wie wird der Landkreis seinen 50. Geburtstag feiern?


Landrat Peter Dreier: Mit der Grundsteinlegung und dem Baubeginn des neuen Landratsamtes konnten wir ja bereits einige freudige Ereignisse in der Entwicklung unseres Landkreises und seiner Verwaltung gerade in diesem besonderen Jubiläumsjahr feiern. Mitte September ist noch dazu ein großer Festakt in Essenbach geplant – wir werden in diesem Zusammenhang auch eine Landkreis-Chronik und ein digitales Landkreismagazin erstellen.

Welche Vorteile haben sich für den Landkreis durch die Gebietsreform ergeben?

Dreier: Seit dem Jahr 1972 sind zwar bereits 50 Jahre vergangen – dennoch begleitet uns dieses besondere Jahr weiterhin. Denn zu dieser Zeit wurden Weichenstellungen vollzogen, die unsere gesellschaftliche Ordnung und unser Verwaltungswesen nachhaltig beeinflusst haben – man könnte gar von einem Paradigmenwechsel sprechen. Aus kleineren Altlandkreisen wurde der Landkreis Landshut in seiner jetzigen Ausprägung als größere Verwaltungseinheit geformt – nicht nur aus Kostengründen, sondern um den Anforderungen an die Verwaltung auch in Zukunft gerecht zu werden.

Ein großer und heftig diskutierter Schritt, der letztlich von Erfolg gekrönt wurde: Die Gemeinden sind zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen, in der sich die Bürgerinnen und Bürger einbringen und von ihrem Zusammenhalt nur profitieren können. Die Gebietsreform ist ein Meilenstein in der kommunalen Entwicklung unserer Region. Denn: Ohne Verändern gibt es kein Erhalten; etwas bewahren können die Menschen nur, wenn sie sich an das Erneuern wagen. Und das ist dem Landkreis Landshut gelungen.

„Auch höchste Zeit“: Umzug ins neue Landratsamt



Wie haben sich die für den Landkreis wichtigen Themen in 50 Jahren verändert?

Dreier: Natürlich sind uns über die Jahre viele verschiedene Aufgaben zugewiesen worden – denn die Gesellschaft verändert sich, und damit auch die Herausforderungen für die Bürgerinnen und Bürger und unsere Kommunalverwaltung. Sei es die Reform der Abfallwirtschaft, vielfältige Aufgaben im Jugendhilfebereich, Flüchtlingsunterbringung, die Bekämpfung einer globalen Pandemie oder zuletzt auch die Digitalisierung. Und anders als in vielen Regionen Bayerns ist der Landkreis Landshut nicht von einem Bevölkerungsrückgang betroffen, ganz im Gegenteil. Dies zeigt sich auch an der stets wachsenden Belegschaft in unserem Haus. Schon in den 70er Jahren musste das Landratsamt einmal umziehen – von der Innenstadt in das „alte“ Krankenhaus in Landshut-Achdorf. Und in rund zwei Jahren wird dies erneut der Fall sein und für uns auch höchste Zeit.

Hat es auch Nachteile gegeben?

Dreier: Mit einer Gebietsreform sind natürlich Änderungen und Umstellungen für die Bürgerinnen und Bürger verbunden: Allein schon aufgrund längerer Wege, die sie zurücklegen mussten, weil einige Aufgaben nun zentral in Landshut zu erledigen sind. Aber ich finde, dass unser Landkreis in den vergangenen fünfzig Jahren absolut zusammengewachsen ist – auch mit der kreisfreien Stadt Landshut in seiner Mitte.

„Kennzeichen sagen nichts über Lebensgefühl aus“



Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Landkreises in den vergangenen 50 Jahren?

Dreier: Ich würde auf jeden Fall unterschreiben, dass wir stolz sein können auf die Entwicklung unseres Landkreises. Wir sind eine Boom-Region, es herrscht seit langem quasi Vollbeschäftigung. Die Menschen ziehen zu uns oder bleiben bei uns, weil sie hier eine Perspektive sehen, ihr Leben verbringen und eine Familie gründen wollen. Weil sie den Landkreis Landshut als ihre Heimat ansehen. Wenn das kein Erfolg ist?

In manch anderen Regionen ist die „Zugehörigkeiten“ zum Altlandkreis noch spürbar, etwa wenn es ums Autokennzeichen geht. Sieht sich, salopp formuliert, zum Beispiel der Vilsbiburger heute als „waschechter Landkreisbürger“? Immerhin fahren auch hier viele gerne mit VIB statt LA herum.

Dreier: Diese Behauptung würde ich nicht unterschreiben und wird mir auch im Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern nie widergespiegelt. Als Flächenlandkreis ist es natürlich immer eine Herausforderung, alle zusammenzubringen. Aber ich denke, es ist uns trotzdem sehr gut gelungen. Die Regionalkennzeichen sind eine schöne Möglichkeit, um die Zugehörigkeit zu den einzelnen Gebieten in unserem Landkreis ausdrücken zu können, sagen aber nichts über ein allgemeines Lebensgefühl aus.

Sie reisen wegen Ihrer Arbeit natürlich viel durch den Landkreis. Was zeichnet die einzelnen Gebiete aus?

Dreier: Unser Landkreis ist landschaftlich aber auch städtebaulich enorm vielfältig und wunderschön. Von den Ausläufern der Hallertau im Norden, über das tertiäre Hügelland in der Mitte bis hin zum Vilstal im Süden, in dem man an guten Tagen in die Alpen blicken kann. Jede Gemeinde ist so einzigartig wie unsere Bürgerinnen und Bürger. Und das macht den großen Reiz für mich aus.

Denken Sie, der Zusammenschluss zu größeren Verwaltungseinheiten war der richtige, gerade in Hinblick auf moderne Herausforderungen?

Dreier: Auf jeden Fall. Gerade die Digitalisierung lässt geografische Distanzen schrumpfen. Unser Alltagsleben ist so komplex geworden – hier braucht es Koordination und die Nutzung von Synergieeffekten. Und dies kann nur in größeren Einheiten gewinnbringend geleistet werden.