Erlaubnis der Behörde fehlt
Mayaz will Floristin werden - und gibt die Hoffnung nicht auf

26.06.2021 | Stand 26.06.2021, 15:51 Uhr

Mayaz (17) großer Wunsch ist, Floristin zu werden. Den Ausbildungsplatz hätte sie, die Erlaubnis der Ausländerbehörde fehlt.

Von Veronika Bayer

Wenn Exekutive und Legislative in zwei Richtungen streben: Petitionsausschuss spricht von „besonderem Fall“ – Entscheidung, ob Mayaz hier Floristin werden darf, könnte im Juli fallen.

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Sie sitzen in einem langen, schmalen Raum und beraten. Alles steril, unter Corona-Bedingungen. Ab und an spricht eine Stimme aus dem Off – jemand, der nicht live dabei ist. Die Sitzung ist öffentlich und auf der Tagesordnung steht: Petition von Manuela Grußie aus Furth bei Landshut, eine Bittschrift, die das Ziel hat, Ausbildungsduldung für die inzwischen 17-jährige Mayaz Aljazar herbei zu führen. Die Abgeordneten des Bayerischen Landtags, die sich im Petitionsausschuss am 9. Juni eingefunden haben, beraten in dieser Frage zum zweiten Mal.

Einstimmiger Beschluss bereits im Dezember 2020

Bereits im Dezember 2020 hatte es einen einstimmigen Beschluss des Ausschusses gegeben, dem Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg (von Oktober 2020) folgen zu wollen. Demnach hatte Mayaz Ausbildungsduldung bekommen: Die Ausländerbehörde wurde verpflichtet, das Nötige in die Wege zu leiten. Doch ein halbes Jahr später sieht alles so aus, als habe es weder das Gerichtsurteil, noch das einstimmige Votum des Legislativ-Gremiums zugunsten Mayaz gegeben. In einer zweiten Stellungnahme habe sich nämlich das Innenministerium geäußert, berichtet Abgeordneter Albert Duin dem Petitionsausschuss. Das Innenministerium wolle die Berufung abwarten, die es vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof beantragt hat. Rund 60.000 Menschen könnten bei Rede und Gegenrede in dem Gremium mitgefiebert haben. So viele Menschen haben auf change.org für Mayaz unterschrieben, damit sie bleiben kann. Im Herbst letzten Jahres hatten die beiden Mitglieder des Landtags, Ruth Müller und Rosi Steinberger, die Unterschriftensammlung stellvertretend entgegen genommen – nachdem Michael Stanglmaier von change.org sich vergeblich um einen Termin beim Innenministerium bemüht hatte.

„Wir können ihr doch nicht über Jahre verbieten, eine Ausbildung anzufangen“

Zuschauerin der Debatte des Ausschusses ist auch Annika Engel. Die Jura-Studentin engagiert sich als Teil des Projekts „Moveurope!“ und sagt: „Wir werden Mayaz auf jeden Fall weiter unterstützen und nicht aufhören, zu kämpfen. Natürlich hätte ich gehofft, dass Mayaz nicht länger warten muss. Aber es wäre schon ein Erfolg, wenn sie zumindest diesen Herbst mit der Ausbildung starten kann.“

Bis Herbst, das sei ein erstrebenswertes Ziel, meint auch Albert Duin vor dem Petitionsausschuss: „Wir sollten ihr die Möglichkeit geben, anfangen zu dürfen. Die Berufung kann sich über Jahre ziehen. Wir können ihr doch nicht über Jahre verbieten, eine Ausbildung anzufangen. Das ist verlorene Zeit.“

2011 aus Syrien geflüchtet

Den Einwand, Mayaz Eltern hätten ja nicht nach Deutschland kommen müssen, als der Flug der UNESCO sie in Spanien absetzte, wischt Duin beiseite: Sie seien nicht gefragt worden, vielmehr am Verhungern gewesen und sie hätten hier Verwandtschaft. Ihr Verhalten sei verständlich. Nachdem Mayaz (damals ein Kind) und ihre Familie 2011 aus Syrien geflüchtet waren, strandeten sie zunächst im Libanon. Es ist inzwischen zehn Jahre her, dass sie ihre Heimat verloren: drei Länder, drei Kulturen und neue Sprachen. Trotzdem sind sich die Menschen, die Mayaz und ihre Familie unterstützen, vor allem darüber einig, wie groß Wille und Wirken der Familie sei, sich hier integrieren zu wollen. Nicht nur Mayaz hätte einen Ausbildungsplatz, den sie nicht antreten darf. Auch weitere Familienmitglieder hätten längst Arbeitgeber gefunden, die davon sprechen, sie gerne einstellen zu wollen.

„Ich hoffe sehr, dass diese Odyssee ein gutes Ende nimmt“, sagt die Landtagsabgeordnete Ruth Müller, „Mayaz ist hoch motiviert und sehr fleißig. Sie hat es wirklich verdient, dass sie in Deutschland eine Chance bekommt. Noch dazu, weil sie als Floristin einen Beruf ergreifen will, für den sich sehr schwer interessierte Bewerber finden lassen.“

In der Nähe von Landshut schaut noch jemand der Debatte zu. Es sind Mayaz selbst und Manuela Grußie, die Petentin, die Mayaz gerne ausbilden würde und das nicht tun darf. Die Sitzung des Petitionsausschusses des Bayrischen Landtags entwickelt eine untergründige Anspannung. Ausschussmitglied Alexandra Hiersemann äußert etwa, dass die Legislative dazu da sei, die Exekutive zu kontrollieren – und nicht umgedreht.

Duin: Ignoranz eine Farce

Ausschussmitglied Albert Duin äußerte seinen Unmut darüber, dass in diesem besonderen Fall „die Exekutive keinerlei Rücksicht auf den politischen Willen der Legislative nimmt“. Die Ignoranz sei eine Farce und würde die Aufgabe der Abgeordneten obsolet machen. Die Vorsitzende spricht in ihrer Zusammenfassung während der Debatte von einer „ganz speziellen Situation“, es handle sich um einen „Sonderfall“. Es wirkt, als wäre der Ausschuss ungewiss, wie zu verfahren sei.

Am Ende wird abgestimmt: Vertagung und Beratung, wie mit diesem besonderen Fall umzugehen sei. Noch vor den Sommerferien soll er ein drittes Mal auf der Agenda stehen, unter Vorbehalt ist bisher der 14. Juli terminiert. Manuela Grußie aus Furth seufzt. „Unsere Euphorie hält sich ein bisschen in Grenzen“, sagt sie am Telefon. „Die Familie leidet massiv unter der Situation. Es ist schlimm, dass wir nichts tun können und die Devise einfach Abwarten heißt. Vier Stunden sitzen wir vor dem PC und warten ganz gespannt. Aber die Spannung bleibt.“

Trotz der ganzen Ungewissheit klingt Mayaz Stimme am Telefon ruhig und freundlich wie immer: „Mir geht es gut“, sagt Mayaz. „Ich habe noch Hoffnung.“