Ärger mit dem Stromversorger
Ein Hütchenspiel für Verbraucher

17.03.2021 | Stand 18.03.2021, 17:01 Uhr

Albert Irl hat nun zwar endlich die Aussicht auf Rückzahlung – der Verwirrungsspuk hat ihn trotzdem viel gekostet. Foto: Bayer

Abrechnungschaos und Namensverwirrung: Wenn man knobeln muss, um zu wissen, wer der eigene Vertragspartner ist.

Von Veronika Bayer

Vilsheim. Wieder eine Kundenbeschwerde, wieder über E.ON. Erst neulich hatten wir vom Fall einer Altfraunhofenerin berichtet, die bemängelte, dass ihre Schlussrechnung samt Guthabenauszahlung vom Energieversorger zu lange auf sich warten ließ. Als Albert Irl den Beitrag las, fand er seine eigene Situation darin wieder und meldete sich ebenfalls als ein Betroffener.

Anfangs klingt der Fall, den der Vilsheimer schildert, auch sehr ähnlich: „Unser Stromvertrag bei E.ON war zum 30. November gekündigt und seither warten wir auf die Schlussrechnung samt Auszahlung des Überschussbetrags“, sagte Irl: „Ich bin am Ende, es kommen keine adäquaten Antworten, wenn ich den Kundenservice kontaktiere. Könnt ihr mir helfen?“

Im Endergebnis entpuppt sich sein Debakel als Denksportaufgabe, für die es auch noch Grundwissen zum Thema Kapitalgesellschaften, Übernahme, Anteilskauf und Umfirmierung braucht. Und wenig verbraucherfreundlich ist: Wenn die Firma mal eben zeigt, was sie kann – und ein normaler Mensch eher nicht, nämlich per Beschluss den eigenen Namen zu verändern.

Um innogy zu übernehmen war E.ON durch die EU-Kommission zur Auflage gemacht worden, sich vom wesentlichen Teil des Geschäfts mit Heizstrom in Deutschland zu trennen. Albert Irl aus Vilsheim war einer von rund eine viertel Millionen Kunden, die das Veto aus Brüssel indirekt betroffen hat. Die Zahlen, unter anderem 355.000 Strombelieferungsverträge, gehen aus einer gemeinsamen Meldung vom April 2020 von E.ON und LichtBlick hervor.

Lichtblick übernahm die Anteile an den Heizstromgesellschaften, die vormals zu E.ON gehörten. Für die Kunden der Gesellschaften ändere sich, das versprachen beide, an Vertragskonditionen nichts.

Dennoch änderte sich bald der Name auf dem Briefkopf: Weil, so die Auskunft von Lichtblick, die „E.ON Heizstrom Süd“-GmbH kurze Zeit nach der Übernahme „umfirmiert“ worden war: Also einen neuen, einen anderen Namen bekam und nun „LB Heizstrom Süd“-GmbH heißt.

Für den Kunden Albert Irl sah es so aus, als schreibe ihm plötzlich eine fremde Firma, schickte sogar eine Mahnung – wo er doch explizit Datenweitergabe und Vertragsübergang an LichtBlick widersprochen hatte.

Überdies wartete er vergeblich auf seine Endabrechnung. Ein Brief von E.ON vom Juni liegt ihm vor, der suggeriert, E.ON würde die Schlussrechnung durchführen. Er meldete sich daher bei E.ON, doch: „Die sagen, sie haben meine Daten komplett gelöscht. Ich sei nicht mehr in der Kundenkartei. Sie sagen, sie können keine Endabrechnung mehr erstellen“, so der Vilsheimer fassungslos.

E.ON bestätigt auf Nachfrage: Mit der Veräußerung ihrer Heizstromgesellschaften an LichtBlick sei man für die Schlussrechnung des Herrn Irl nicht mehr zuständig: „Uns ist wichtig zu betonen, dass die Löschung der Vertragsinformationen aus unseren Systemen eine bindende rechtliche Vorgabe war, die wir selbstverständlich umgesetzt haben“, so ein Sprecher von E.ON. Zur Forderungsabwehr gegen die vermeintlich fremde Strom-Firma, mit der er doch gar keinen Vertrag habe, wendet sich Albert Irl unterdess sogar an eine Rechtsanwältin.

Dr. Deniz Ciyiltepe-Pilarsky sagt, Daten seien mindestens zehn Jahre aufzubewahren. Von einem Einzelfall geht die Rechtsanwältin nicht aus: Zu häufig schlügen bei ihr Fälle verzweifelter Kunden auf, sie fragt in Richtung Verbraucherschutz. Eine unerlaubte Datenweitergabe wäre in ihren Worten ein „eklatanter Verstoß gegen informelle Selbstbestimmung“.

Auf unsere Nachfrage versichert LichtBlick: Es sei nie zu einer Datenweitergabe gekommen. Zwar sei die Heizstrom-GmbH nunmehr eine LichtBlick-Tochter. Doch deren Daten, auch die des Vilsheimers, würden strikt getrennt – und zudem separat von einem Dienstleister betreut. Daher sei es auch aufwändig gewesen, die Situation aufzuklären. Allerdings sei das nunmehr geschehen: Nach Prüfung könne der Vilsheimer die Mahnung als nichtig betrachten, weil sich trotz des fehlenden letzten Abschlags im Ergebnis ein Guthaben errechne. Dies, so wie die Endabrechnung, werde die Heizstrom-GmbH ihm nun zügig zukommen lassen.

Albert Irl ist zwar erleichtert: Für ihn ist der Fall nach vielen Verwirrungen gut ausgegangen. Dennoch wartet er seit Klärung auf die Guthabenauszahlung. Irl meint, dass mehr Menschen sich trauen sollten, sich zu rühren: „Ich empfinde es schon äußerst dreist, erst zu reagieren, wenn die große Keule geschwungen wird. Sei es per Presse oder per Anwalt. Wir sind bestimmt kein Einzelfall mehr. Welcher Laie soll das alles überblicken? “