„Wer beendet diesen Skandal?“
Blindem Syrer Mheddin Saho droht weiter die Abschiebung

03.03.2021 | Stand 03.03.2021, 12:04 Uhr

Gisela Zierer und ihr Mann Gerhard (re.) kämpfen um die Aufenthaltsgenehmigung von Mheddin Saho. Foto: privat

Mheddin Saho hat bei Gerhard und Gisela Zierer in Rottenburg ein zweites Zuhause gefunden. Doch die Leidensgeschichte des 27-Jährigen hat noch keine Ende genommen – und Saho zittert weiterhin um sein Bleiberecht. Obwohl er bestens integriert ist, soll der Syrer nach Spanien abgeschoben werden.

Von Tobias Grießer

Rottenburg. Die Leidensgeschichte von Mheddin Saho nimmt kein Ende. Der blinde Syrer hat mit Gerhard und Gisela Zierer eine „zweite Familie“ in Rottenburg gefunden, studiert an der Ludwig-Maximilians-Universität in München – und muss weiter um eine Aufenthaltsgenehmigung kämpfen. Denn: Der 27-Jährige soll nach Spanien ausgewiesen werden.

Weil der Syrer über Spanien nach Deutschland gekommen war (hier hatte er auch seinen Asylantrag gestellt), argumentiert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dass sein Asylverfahren – gemäß der Dublin-Bestimmungen – nicht in Deutschland, sondern eben in Spanien behandelt werden soll. Allerdings könnte er, so Saho, dort als Blinder bei weitem nicht das Leben so führen wie in Deutschland. Vom Studium ganz zu schweigen. Eine Aufenthaltsgenehmigung aufgrund seines Studiums wurde vom Verwaltungsgericht Regensburg allerdings abgelehnt.

Trotzdem geben die Zierers und Mheddin Saho den Kampf nicht auf. „Die Situation für Blinde in Spanien ist unzumutbar“, sagt Gisela Zierer. „Dort gibt es keine Hilfe von der Regierung.“

Daher war die Freude riesig, als das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration am 20. Januar mitgeteilt hatte, „dass der Dublin-Bescheid (...) vollständig aufgehoben ist.“ Die gute Nachricht im Hause Zierer dauerte jedoch nur wenige Tage. Das BAMF hat am 26. Januar überraschend den Aufhebungsbescheid widerrufen. Gisela Zierer. „Das war ein Schock. Somit müssen wir weiter auf die Entscheidung des Gerichts warten, ob die Situation in Spanien für Mheddin zumutbar ist.“ Diese Verhandlung ist für Ende Juni terminiert.

„Jetzt hat leider die Zeit des Hoffens und Bangens wieder begonnen“, sagt Gisela Zierer zum Wochenblatt. „Es geht alles von vorne los. Uns bleibt nur die Hoffnung, dass wir ein positives Ergebnis bekommen, das auch endgültig ist und bleibt.“

Mheddin Saho ist über die Situation natürlich völlig unglücklich. „Das Ganze ist nicht zu verstehen. Ich werde die ganze Zeit hin- und hergeschoben. Ein Menschenleben ist doch kein Spiel!“ Seit zwei Jahren sei die Entscheidung über das Dublin-Verfahren nicht beendet. Mheddin Saho: „Die Sache ist ein Schlag ins Gesicht. Es gibt viele Berichte, die zeigen, dass die Situation in Spanien schlecht ist. Warum berücksichtigt dies das BAMF nicht? Wer kann diesen Skandal endlich beenden?“

„Sicherheit für Mheddin“

Ruth Müller kennt die Situation von Mheddin Saho – und leidet mit. Die SPD-Landtagsabgeordnete engagiert sich zusammen mit Familie Zierer bereits seit August 2019. Sie hatte auch eine Petition im Landtag initiiert, die bereits zweimal behandelt wurde.

Ruth Müller zum Wochenblatt: „Ich wünsche mir ein Happy End für Mheddin. Menschlichkeit, aber auch eine bodenständige Einschätzung seiner Asylhistorie, verlangen, dass hier endlich ein positiver Schlusspunkt gesetzt wird und Mheddin die Sicherheit bekommt, dass sich seine Integrationsbemühungen gelohnt haben und er sich ein eigenständiges Leben aufbauen kann. Ohne der ständigen Angst hilflos und ohne Unterstützung abgeschoben zu werden.“

Auch die Familie Zierer habe es verdient, dass das Hin und Her endlich ein Ende hat und es sich auszahle, „dass sie für Mheddin in all der Zeit so eine tolle Gastfamilie waren. Wenn die Petition im Bayerischen Landtag zum dritten Mal auf die Tagesordnung kommt, werde ich alle meine Möglichkeiten nutzen und mich für ein positives Votum einsetzen.“