Cannabis-Legalisierung – verpassen deutsche Firmen den Anschluss?

20.09.2023
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Cannabis-Legalisierung – der freie Handel von Cannabisprodukten wird vorerst nicht erlaubt!  −Foto: https://pixabay.com/de/photos/cbd-cannabis-marihuana-hanf-blume-7665190/

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Im Koalitionsvertrag war die komplette Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken eines der prominentesten Ziele, die die Ampel erreichen wollte. Nachdem nun die erste Hälfte der Legislaturperiode vergangen ist, wurde von Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein Gesetzesentwurf vorgestellt, in dem die Legalisierung in abgespeckter Form daherkommt. 

Welche Auswirkungen hat diese Zurücknahme der Ziele für hiesige Unternehmen, die fest mit der kompletten Freigabe gerechnet hatten. Darüber sprachen wir mit dem Co-Founder und CEO von Nordic Oil, Dannie Hansen. Das Unternehmen gilt als einer der führenden nationalen Anbieter von cannabishaltigen Produkten.

Welche Maßnahmen sieht der neueste Gesetzesentwurf vor?

Der Regierungsentwurf teilt die Legalisierung in zwei Phasen ein. In einer ersten, die schon weit vorangeschritten ist, wird der Anbau und der Konsum geregelt. Die zweite Phase, die sich noch in der Entwicklungsphase befindet, befasst sich mit der Kommerzialisierung und dem Handel.

Cannabis-Legalisierung – Anbau und Konsum

Die wichtigsten Eckpunkte:

  • Cannabis wird von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen.
  • Der legale Besitz wird auf 25 Gramm pro Erwachsenen festgesetzt. Zudem ist der Anbau von drei weiblichen Pflanzen zulässig. Die Abgabe an Minderjährige bleibt verboten.
  • Anbau und Verkauf werden von “Social-Clubs” organisiert, die keine Gewinnorientierung haben und deren Mitgliederzahl auf 500 Personen begrenzt ist.
  •  Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren dürfen nur Produkte erwerben, deren THC-Gehalt (Tetrahydrocannabinol) 10 Prozent nicht überschreitet.
  • In den Clubs darf Cannabis ebenso wenig konsumiert werden, wie in der Nähe von Schulen und Kitas.
  •  Jeder Club muss ein Jugend- und Gesundheitsschutzkonzept entwickeln und einen Suchtbeauftragten benennen.         

Cannabis-Legalisierung – Handel und Kommerzialisierung

Die Startphase der zweiten Säule wurde in die Zukunft verschoben. Hierbei sind die Vorgaben noch nicht bis ins Detail ausformuliert:

  • Der freie Handel von Cannabis soll in Modellregionen erprobt werden, über deren Definition noch nichts bekannt ist.
  • Die Modellphase wird auf fünf Jahre begrenzt.
  • Sie wird von wissenschaftlichen Studien begleitet, deren Ergebnisse der EU-Kommission zur Bewertung vorgelegt werden.
  • Anbau und Vertrieb liegen in der Verantwortung von lizenzierten Fachgeschäften unter staatlicher Aufsicht.

wochenblatt.de: Herr Hansen, wie schätzen Sie die nun abgespeckte Fassung der Cannabis-Legalisierung ein?

Dannie Hansen: Ich bin in meiner Bewertung zwiegespalten. Zum einen freut es mich, dass Cannabis endlich entkriminalisiert wird. Konsumenten müssen jetzt keine Angst mehr vor strafrechtlichen Konsequenzen haben. Ich befürchte jedoch, dass die Auflagen für viele Cannabis-Clubs hohe Hürden darstellen.

Als Unternehmer bin ich jedoch enttäuscht. Zumindest hätte die zweite Säule, an der die Unternehmen beteiligt sind, gleichzeitig mit der nicht kommerziellen Phase gestartet werden müssen.

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Die Gründer von Nordic Oil: Dannie Hansen (links) und Christian Pallesen. −Foto: Nordic Oil

wochenblatt.de: Wie wirkt sich das in der Zukunft auf potenzielle Investoren aus?

Dannie Hansen: Der Medizinbereich wird wohl profitieren. Die Ärzteschaft wird vor weniger bürokratischen Hürden stehen und den Patienten wird der Zugang erleichtert. Der großflächige Anbau und die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung dagegen werden erheblich ausgebremst. Daher werden Investoren, die auf den Anbau, die Verarbeitung und den Vertrieb setzen, abwarten und sich mit Investitionen zurückhalten.

wochenblatt.de: Was bedeutet das für deutsche Anbieter?

Dannie Hansen: Wahrscheinlich wird die Branche nicht komplett zusammenbrechen. Sie hat sich als resistent gezeigt, auch während der letzten Jahre, die aufgrund der Pandemie und der zögerlichen Umsetzung der Legalisierung einer Achterbahnfahrt glichen. 

Probleme werden vor allem die Unternehmen bekommen, die ausschließlich im Genussmarkt investiert sind. Dieser Kelch wird hoffentlich an Nordic Oil vorüberziehen, da wir eine starke CBD-Sparte besitzen und auch cannabishaltige Kosmetika anbieten. 

Es besteht die große Gefahr, dass deutsche Unternehmen mit Liquiditätsproblemen der Marktmacht und den Übernahmegelüsten börsennotierter kanadischer oder US-amerikanischer Firmen wie Canopy oder Tilray nicht widerstehen können. 

wochenblatt.de: Wie kann dieser Trend verhindert werden?

Dannie Hansen: Dafür gibt es einige Ansatzpunkte. Im medizinischen Bereich sollten die Krankenkassen die Kostenübernahme einer Cannabis-Therapie, die ärztlich verordnet wird, nicht mehr zurückweisen können. Zudem darf sich die Politik jetzt nicht zurücklehnen, sondern verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. 

Das bedeutet, dass die zweite Phase der Legalisierung schnell vorangetrieben wird. Ein entsprechendes Gesetz sollte noch vor der nächsten Bundestagswahl verabschiedet werden. Dann haben die Unternehmen Planungssicherheit und können die benötigten Investitionen in Angriff nehmen.

wochenblatt.de: Herr Hansen, im Namen unserer Leser bedanken wir uns für Ihre Einschätzungen.