Prozess
Gericht verhängt erzieherische Maßnahme für Syrer

22.12.2017 | Stand 03.08.2023, 17:42 Uhr
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21-Jähriger schlug einen Mitbewohner und versuchte in Postfiliale einzubrechen. Dafür wurde er vom Amtsgericht Eggenfelden verurteilt, ging aber in die Revision.

ROTTAL-INN Mit der großen Flüchtlingswelle 2015 kam ein 21-jähriger Syrer nach Deutschland und träumte von einem besseren Leben. Doch weil er sich nur schwerfällig integrierte und auch noch seinen Bruder im Krieg verlor, wurde er straffällig: Im Streit schlug er einem Mitbewohner im Asylantenheim einen Teller ins Gesicht und versuchte, in eine Postfiliale einzubrechen.

Daher verurteilte ihn das Amtsgericht Eggenfelden wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Diebstahl in erster Instanz zu einer einjährigen Haftstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, sowie 100 Sozialstunden. Doch der junge Mann ließ über seinen Verteidiger Berufung gegen das Strafmaß einlegen mit dem Ziel, eine mildere Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht zu erreichen.

Beide Vergehen gab der 21-jährige Syrer bereits im ersten Gerichtsverfahren zu. Demnach kam es im September letzten Jahres in der Asylbewerberunterkunft in Arnstorf mit einem jungen Afghanen zum Streit. Weil dieser ihn in seiner Ehre gekränkt hatte, ergriff er einen schweren Porzellanteller und schlug ihn seinem Kontrahenten ins Gesicht. Der Hieb war so heftig, dass der Mitbewohner zahlreiche Schnittverletzungen davontrug.

Zum Tatzeitpunkt hatte der 21- Jährige 0,99 Promille Alkohol im Blut. Der Angeklagte gab zu, dass er mit gravierenden Alkoholproblemen zu kämpfen hatte nachdem er erfahren hat, dass sein älterer Bruder bei einem Bombenangriff in Syrien getötet wurde. Diese Nachricht habe ihn so traumatisiert, dass ihm alles egal gewesen sei.

In diese Zeit fiel auch der Einbruch mit versuchtem Diebstahl in die Pfarrkirchner Postfiliale im November 2016: Im Wodka-Rausch schlug er ein Fenster ein, fand aber kein Geld und verschwand wieder. Weil er sich beim Einbruchversuch verletzte und Blutflecken am Tatort hinterließ, konnte ihn die Polizei schnell überführen.

Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe plädierte in ihrem Gutachten für die Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht sowie für eine psychiatrische Diagnose, da der Hausarzt bei dem jungen Mann eine Persönlichkeitsstörung vermute. „Er ist wegen dem Krieg und dem drohenden Militärdienst geflohen und kam mit völlig überzogenen Vorstellungen nach Deutschland“, erklärte die Mitarbeiterin.

Mittlerweile habe er Schulden, lebe in einer Unterkunft für Asylbewerber und habe seinen Job gekündigt, weil ihm falsche Freunde dazu geraten hätten. Ebenso würde er depressive Verstimmungen und Aggressionen aufzeigen. Verteidiger Frank Melzer stützte sich auf das Gutachten und forderte sechs Monate auf Bewährung nach Jugendstrafrecht, einen zweiwöchigen Warnschussarrest und eine Therapie nach Weisung eines Bewährungshelfers.

Staatsanwältin Jennifer Schäfer erkannte beim Angeklagten ebenso eine erhebliche Entwicklungs- und Reifeverzögerung und forderte eine Jugendstrafe von neun Monaten auf  Bewährung und anstelle der 100 Sozialstunden einen Warnschussarrest.

Die Jugendkammer des Landgerichts Landshut änderte das Urteil des Amtsgericht Eggenfelden um in eine Jugendstrafe: Ein Jahr auf Bewährung. Die Bewährungszeit wurde festgesetzt auf drei Jahre, wovon der Angeklagte zwei Jahre einem Bewährungshelfer unterstellt wird. Es bleibt bei den 100 Stunden gemeinnützige Arbeit, plus den Besuch eines Deutschkurses. Zudem muss jeglicher Alkoholkonsum eingestellt werden.

Der Vorsitzende Richter Theo Ziegler sah in seiner Urteilsbegründung das eine Jahr Freiheitsstrafe als erzieherisch unbedingt notwendig an. Zu den Tatzeiten habe der 21-Jährige noch einem Jugendlichen gleich gestanden: „Er hat erhebliche Reifedefizite, ein ausgeprägtes Suchtproblem, fehlende Schulbildung und ist nicht integriert“. Er gab dem jungen Mann den dringenden Rat, die Hilfe zu nutzen und sein Leben in den Griff zu bekommen.

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