Verhandlung in Landshut
Mutmaßliche Schleuser „waren sehr gut im Geschäft“

30.04.2020 | Stand 21.07.2023, 11:24 Uhr
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Es ist ein Milliardengeschäft: Illegales Schleusen von Menschen, die oft ihr letztes Erspartes zusammenkratzen, um aus Kriegs- oder Armutsländern fliehen zu können. Zwei Männer müssen sich nun wegen gewerbs- und bandenmäßigem Einschleusen von Ausländern vor dem Landgericht verantworten.

Landshut. Said K. (31) und Musa S. (47) (Namen geändert) sitzen seit gestern auf der Anklagebank der sechsten Strafkammer. Sie sollen in der Zeit von November 2016 bis März 2018 daran beteiligt gewesen sein, zahlreichen Migranten – darunter auch viele Minderjährige und Familien mit Kindern – die Flucht nach Deutschland ermöglicht zu haben, zum Teil unter lebensgefährlichen Bedingungen.

Fast eine Stunde dauerte die Verlesung der 15-seitigen Anklageschrift zum Prozessauftakt. Sie beinhaltet insgesamt 13 Vorwürfe illegaler Schleusungen von kleineren bis großen Gruppen mit bis zu 51 Menschen. Aufgelistet sind deren Fluchtrouten mit Zwischenstopps in Hotels oder sogenannten „Safehouses“, deren Aufenthalte in Flüchtlings-Camps, Weitertransporte in Autos, auf Booten, in Zügen, Kleintransportern oder Lastwägen.

So wirft die Staatsanwaltschaft Landshut den beiden Angeklagten vor, mit zahlreichen weiteren Personen eine Bande gegründet zu haben, um diese Menschengruppen auf der Balkan-Route nach Deutschland und zum Teil weiter nach Großbritannien zu schleusen. Demnach soll die Bande auf Facebook für ihre Schleusungen werben und auch Kontaktnummern bereitstellen. So gebe es Mitglieder, die eigens für die Rekrutierung der Schleusungswilligen zuständig sind, wiederum Andere sollen seit Beginn der Ermittlungen in Istanbul mindestens zehn Wohnungen unterhalten haben, in denen sie die rekrutierten Flüchtlinge unterbrachten, um sie auf die Schleusung aus der Türkei vorzubereiten. Zwei anderweitig Verfolgte sollen die Flüchtlinge dann zur bulgarischen Grenze gebracht haben.

Musa S., ein Iraker mit schwedischer Staatsangehörigkeit, soll zu Beginn der Ermittlungen in Serbien tätig gewesen sein und zusammen mit Said K. sowie einem weiteren Mann, die Schleusungsetappe von Serbien nach Rumänien organisiert haben. Später verlagerten sie ihre Tätigkeiten nach Rumänien und haben dort ein neues Schleusernetzwerk aufgebaut, so die Staatsanwaltschaft.

Für die Schleusungen wurden die Flüchtlinge kräftig zur Kasse gebeten: So sollen pro Person teilweise bis zu 9.000 Dollar geflossen sein, eine Frau und ihre drei Kinder sollen 24.000 Dollar bezahlt haben. Von diesen Beträgen sollen die Tatbeteiligten jeweils einen Anteil erhalten haben.

Wie aus der Anklage hervorgeht, ist Musa S. auch an der Schleusung von 45 Migranten Anfang März 2018 beteiligt gewesen. Dieser Fall sorgte für Schlagzeilen, als diese illegal mit einem Lkw bei Schmidham (Lkr. Passau) ins Bundesgebiet von Rumänien aus eingeschleust wurden - und das bei winterlichen Temperaturen. Sie befanden sich auf der Ladefläche eines Lkw-Aufliegers, wo zudem ungesicherte Holzpaletten geladen waren, hinter denen sich die Menschen versteckten. Bei einer Bremsung verrutschten die Paletten und mehrere Personen wurden verletzt. Bei Außentemperaturen zwischen -8 und 0 Grad wurden die Migranten dann in einem Waldstück ausgesetzt. Der Fahrer des Lkw wurde zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Weitertransport eines in dem Lkw geflüchteten Mannes sei von Musa S. organisiert worden, wofür er 2.700 Euro erhalten haben soll. Bei dessen Handyauswertung fand die Polizei auch ein Video dieser Schleusung, wie der Hauptsachbearbeiter der Bundespolizei aussagte.

Nach einem längeren Rechtsgespräch zwischen allen Prozessbeteiligten erklärte der Vorsitzende Richter Ralph Reiter, dass die Kammer im Falle eines Geständnisses für den Angeklagten Musa S. eine Strafe zwischen vier und fünf Jahren in den Raum stelle. Für Said K. käme eine Strafe zwischen drei und vier Jahren in Frage. „Nach bisheriger Beweislage besteht kein dringender Tatverdacht in Hinblick auf eine Bandenbeteiligung der beiden Angeklagten“, wie Reiter erläuterte. Es sehe eher danach aus, dass bei den Schleusungen verschiedene Gruppierungen arbeitsteilig zusammengearbeitet hätten, „jeder auf seinen Vorteil bedacht“, so der Vorsitzende Richter.

Jetzt haben die Angeklagten bis zum 6. Mai Zeit, auf den konkreten Vorschlag der Kammer bezüglich eines Geständnisses einzugehen oder nicht. „Ich glaube nicht, dass Sie bei einer langwierigen Beweisaufnahme besser davon kommen“, richtete sich der Vorsitzende Richter an die Angeklagten und fügte hinzu, es gebe viele Whatsapp- Nachrichten die darauf hindeuten, dass die beiden „sehr gut im Geschäft waren.“

Der Prozess wird am 4. Mai um 9 Uhr fortgesetzt. − mr –

Landshut