Fortsetzung im Mordversuch-Prozess
Und plötzlich will der Hauptzeuge keine Gewalt mehr gesehen haben

10.10.2019 | Stand 31.07.2023, 10:58 Uhr
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Der dritte Verhandlungstag glich zwischenzeitlich einem Schauspiel aus dem königlich bayerischen Amtsgericht: Denn das, was der Zeuge – der den versuchten Mord live per Skype miterlebt haben soll – im Gerichtssaal ablieferte, fanden weder die Schwurgerichtskammer noch der Staatsanwalt witzig.

LANDSHUT Wie bereits berichtet, muss sich ein 30-jähriger Altdorfer derzeit vor dem Landgericht Landshut wegen des versuchten Mordes verantworten. Er soll im Oktober 2014 in Angeles City auf den Philippinen versucht haben, seine damalige philippinische Lebensgefährtin umzubringen. Die grausame Tat soll er auf Skype übertragen und einen Freund aufgefordert haben, zuzusehen.

Und eben dieser Freund, ein 57-jähriger Rentner aus München und ehemaliger Nachtclub-Manager in Angeles City auf den Philippinen, lieferte einen teilweise kuriosen Auftritt. Erst erzählte er der Kammer über den Vorfall, als ihn damals der Angeklagte per Skype kontaktierte und zu ihm sagte: „Ich habe sie umgebracht und muss sie entsorgen. Entweder verscharre ich sie im Urwald oder schmeiße sie ins Wasser.“ Als der Angeklagte die Kamera in Richtung der Frau schwenkt habe, soll sie mit ausgebreiteten Armen und geschlossenen Augen auf der Couch gelegen haben, mit einem Lächeln im Gesicht und mit „keinem Tropfen Blut“. „Ich dachte, sie ist tot“, so der Rentner, der daraufhin die Polizei verständigte.

Doch von den brutalen Misshandlungen – dem Würgen, den Tritten auf ihren Hals, ihren blutenden Ohren – an all das, was er damals der Polizei berichtete, konnte sich der Zeuge vor Gericht plötzlich nicht mehr erinnern. Während er seine Capri-Sonne aus dem Rucksack holte und in Seelenruhe austrank, erklärte der Zeuge: „Er hat nichts gemacht, nur angedeutet, was er vorhat! Und ich habe ihn zusammengeschissen, dass er aufhören soll. Ich habe keine Gewalt gesehen, Herr Richter!“ Auch schwor er, dass der Angeklagte nie mit dem Fuß auf ihre Kehle gestiegen sei, da sie sonst tot wäre und im selben Atemzug bat er das Gericht darum, seinen Freund nicht einzusperren.

Obwohl ihn der Vorsitzende Richter mehrmals ermahnte, bei der Wahrheit zu bleiben und ihm wegen seiner teils respektlosen Ausdrucksweise gegenüber den damals ermittelnden Polizisten („die kleinen grünen Kasperl“), die Zahlung von Ordnungsgeld androhte, blieb der Rentner bei seiner Aussage. Als Richter Kring vom 57-Jährigen wissen wollte, ob er am heutigen Prozesstag schon Alkohol getrunken habe, gab dieser freimütig vier Bier zu, mit den Worten: „Ja logisch, ich bin a Bayer.“

Dann endlich kam die mit Spannung erwartete Zeugenaussage des mutmaßlichen Opfers, der 55-jährigen Philippinin. Laut ihrer Erzählung lebte der Angeklagte von 2012 bis zum Vorfall 2014 bei ihr und ließ sich von ihr aushalten. „Er war wie mein Adoptivsohn für mich. Ich hatte Mitleid mit ihm, weil er nichts hatte“, so die Frau und fügte hinzu, er habe eine Beziehung mit ihr gewollt, um davon zu profitieren. Fast täglich habe der Angeklagte Drogen – hauptsächlich Chrystal Meth – und Alkohol konsumiert. Am Tattag bekam sie ihr Geld, wie sie berichtete, und er wollte mit ihr ausgehen. Später auf dem Nachhauseweg kam es dann zum besagten Streit mit dem Tricycle-Fahrer, dem der Angeklagte noch Geld schuldete. Die Polizei sei darauf aufmerksam geworden und brachte das Paar nach Hause. „Er war wütend auf mich, weil er dachte, dass ich mit der Polizei unter eine Decke stecke“, erzählte die zierliche Frau.

Zuhause setzte sie sich an den Computer und er habe angefangen, sie anzuschreien. Er sei „high“ gewesen, dann habe er sie erst gefesselt und ihr eine unbekannte Tablette in den Mund gesteckt. „Ich konnte mich nicht verteidigen, weil die Tablette schon wirkte“, berichtete sie weiter. Dann sprang sie von ihrem Stuhl auf und demonstrierte den Prozessbeteiligten mit einer Ausholbewegung, wie stark der Angeklagte auf sie einschlug. „Ich töte dich“, habe er dabei zu ihr gesagt. Erst als sie sich tot stellte, habe er aufgehört. Wegen ihren Verletzungen musste sie ein paar Tage im Krankenhaus bleiben, erstattete dann Anzeige und informierte die Ausländerbehörde über den Vorfall. Nachdem sie ein Foto des Angeklagten bei Facebook gepostet hatte, wurde er erkannt und etwas später festgenommen und zurück nach Deutschland geschickt.

Der Prozess wird heute fortgesetzt.

Landshut