Fahnder aus der ganzen Welt tagen in Landshut
Drogen aus dem Betonmischer via Internet direkt ins Kinderzimmer

07.05.2019 | Stand 13.09.2023, 3:17 Uhr
Alexander Schmid
−Foto: Foto: Schmid

95 Drogenfahnder aus 30 Nationen tagen bis Mittwoch auf Einladung des Bayerischen Landeskriminalamtes und des österreichischen Bundeskriminalamtes in Landshut. Es geht darum, wie sich der Drogenhandel über das Internet am besten bekämpfen lässt. Vor allem eine gefährliche Art von Betäubungsmitteln bereitet den Experten dabei Sorgen.

LANDSHUT „Den langhaarigen versifften Drogendealer von der Straßenecke, den gibt es nicht mehr“, sagt Jörg Beyser. Und das ist ein Problem für ihn und seine Kollegen in der ganzen Welt. Beyser ist der Leiter des Rauschgiftdezernates des Bayerischen Landeskriminalamtes (BLKA). Seine Gegner drücken sich nicht mehr in Hinterhöfen oder düsteren Spelunken herum, sie verstecken sich in den weiten des Internets. Drogen kauft man heutzutage per Mausklick im Darknet aber auch im allgemein zugänglichen Web. Geliefert werden sie vom Paketboten. Besonders die „NpS“, die „Neuen psychoaktiven Substanzen“, Drogen, die von den Händlern zusammengepanscht werden, bereiten den Fahndern wegen ihrer Gefährlichkeit Sorgen.

Von Montag bis Mittwoch haben sich 95 Ermittler aus 30 Nationen auf Einladung des BLKA und des österreichischen Bundeskriminalamtes zur Tagung „CSI-PP“ in Landshut getroffen, um dieser Art des Drogenhandels den Kampf anzusagen und gemeinsame Strategien zu entwickeln. Das Kürzel steht für „Combatting Suspects on the Internet – Prosecution and Prevention“. Es bedeutet, Verdächtige im Internet zu bekämpfen, sie zu verfolgen aber auch Straftaten vorzubeugen. Bayern und Österreich sind führend in der Bekämpfung dieser Art von Drogenkriminalität.

„Das sind Computernerds von maximal 30 Jahren, die sich schon in der Schule darüber ausgetauscht haben, wie man so etwas herstellt“, beschreibt Beyser die „modernen“ Drogenhändler am Laptop, denen Polizeibehörden in der ganzen Welt jetzt den Kampf ansagen.

Zwar ging es auf der Konferenz allgemein um den Drogenhandel im Netz. Doch es sind vor allem die NPS, die den Fahndern derzeit Kopfzerbrechen bereiten. Die werden zum Teil auf abenteuerlichste Weise zusammengemischt. Die Konzentration der Wirkstoffe in den Trägermaterialien schwankt, bedingt durch den stümperhaften Herstellungsprozess, zum Teil stark. „Du rauchst eine Tüte und spürst nichts, nach der nächsten bist du tot“, sagt Carsten Neubert, Sprecher des Bayerischen Landeskriminalamtes.

Auf der Konferenz in Landshut tauschten die Fahnder und Staatsanwälte, die zum Teil verdeckt ermitteln und deshalb nicht erkannt werden wollten, ihre Erfahrungen aus und präsentierten Fälle wie diesen: Heuer im März haben Fahnder des BLKA einen Händlerring in Bayern nach aufwendigen Ermittlungen gesprengt, nachdem im Jahr 2017 einer Mitarbeiterin in einem Paketshop in Nordrhein-Westfalen vier nach Kräuter riechende Päckchen aufgefallen waren. In den Paketen hatten sich 87 Kilogramm „NpS“ im Straßenverkaufswert von 700.000 Euro befunden. Die Spur führte zu einem 32-jährigen Wahl-Münchner, der zu besagtem Händlerring gehörte und in verschiedenen extra angemieteten Privatwohnungen die Drogen anrührte. „Der Mann führte in München ein Luxusleben und gab an, im Monat über 60.000 Euro mit der Produktion von NpS zu verdienen. Demnach hat er von März 2017 bis zu seiner Festnahme im März 2018 mehr als eine Million Euro umgesetzt“, so Neubert.

Nach und nach kamen die Ermittler auch weiteren Händlern auf die Spur. Mehr als 30 Online-Shops verkauften über das Internet ganz unauffällig sogenannte „Kräutermischungen“. In den bunten 3-Gramm-Packungen waren aber keine harmlosen Kräuter, sondern gefährliche NpS. 25 Euro zahlten die Kunden mindestens pro Packung und zwar bar als Nachnahmegebühr an der Haustür. Auf diese Weise wurden nachweislich von November 2016 bis März 2018 über 1,2 Tonnen NpS an über 20.000 Kunden verkauft. Umsatz: mehr als 10 Millionen Euro. Die Ermittlungsgruppe namens „Speer“ hat aktuell 42 Personen im Visier.

„40 Menschen sind allein in Bayern im Jahr 2016 an den Folgen von NpS gestorben. 2017 waren es 37“, sagt Beyser der Eltern rät, sich ganz genau anzuschauen, was sich ihre Kinder im Internet bestellen und was sich in den Päckchen befindet, die an die Haustüre geliefert werden.

Die Drogen sind übrigens auch für die Fahnder nicht ungefährlich. Neubert berichtet von einem Fall, als Kollegen von ihm in eine völlig verrauchte Wohnung kamen. „Es dauerte keine Minute, da waren die nicht mehr dienstfähig und mussten ins Krankenhaus. Sie waren drei Tage lang krank geschrieben.“

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