Mediziner vor Gericht
Ärztliche Untersuchung oder brutale Vergewaltigung?

07.06.2018 | Stand 29.07.2023, 13:53 Uhr
−Foto: Foto: mr

Vor der Jugendkammer des Landgerichts Landshut startete der Prozess gegen einen 65-jährigen Augenarzt aus Bonn. Dem Mediziner wird vorgeworfen, einen 14-Jährigen im Flugzeug bei einem gemeinsamen Rundflug vergewaltigt zu haben. Doch der Angeklagte bestreitet die Tat und gab an, er hätte den Jungen wegen Bauchschmerzen nur untersucht.

LANDSHUT/PFARRKIRCHEN Übereifrig sprang der Angeklagte immer wieder von der Anklagebank auf, um Fotos des Ausflugs vorzulegen. Eines zeigte ihn und den 14-jährigen Segelflugschüler am Morgen nach der angeblichen Vergewaltigung. „Die Stimmung war super! Das sieht man doch auf den Fotos, wie der Junge strahlt!“ Doch die Staatsanwaltschaft erhebt schlimme Vorwürfe gegen den Mediziner: Er soll den Jungen bei einem gemeinsamen Rundflug mit Zwischenstopp am Flugplatz in Postmünster bei Pfarrkirchen, vergewaltigt haben.

Aber der Angeklagte wehrte sich vehement: Er habe den Jungen lediglich ärztlich untersucht und unterstellte ihm eine Persönlichkeitsstörung.

Der Augenarzt lernte den Jungen beim gemeinsamen Sportflugverein des heimatlichen Flughafens Borkenberge im Münsterland, kennen. Dem Angeklagten gehört dort eine Frachtflugmaschine aus dem Jahr 1959, ein „Hingucker“, wie er im Gerichtssaal erklärte und ein Magnet, der auch den 14-jährigen Segelflugschüler angezogen hätte. „Sein Mitflug ergab sich rein zufällig“, erklärte der Mediziner über den geplanten Rundflug. Auch der Vater des Jungen gab sein Okay für den zweitägigen Ausflug am 10. September 2016 mit Übernachtung in Postmünster.

Nachdem beide am Tatabend ihr Schlaflager im Frachtraum des Flugzeugs aufgebaut hätten, kam es laut Anklage zu dem massiven Missbrauch: Der Augenarzt forderte den 14-Jährigen auf, sich auszuziehen, und fing an, ihn zu befummeln. Der Junge versuchte mehrmals, der unangenehmen Situation zu entfliehen, und gab vor, pinkeln zu müssen und Bauchschmerzen zu haben. Weil es schon spät am Abend war, seien sie aber alleine am Flughafengelände gewesen, keine Hilfe für den 14-Jährigen weit uns breit. Ein Hilferuf war auch nicht möglich, weil sein Handy keinen Empfang hatte, so die Schilderung des Jungen bei der Vernehmung. Im Flieger tastete der Augenarzt den Jungen laut Anklage erst wegen der vorgetäuschten Bauchschmerzen ab und missbrauchte ihn anschließend.

Ganz anders schilderte der Mediziner den Abend: „Er kollabierte plötzlich und war wie benommen. Dann klagte er über Bauchschmerzen.“ Der Angeklagte habe dem Jungen angeboten, ihn zu untersuchen. „Ich tastete seinen Bauch ab und dann kurz seine Hoden, weil ich eine Hodentorsion vermutet hatte. Aber ich konnte nichts feststellen“, so der 65-Jährige. Am nächsten Morgen ging es zurück.

Mit Flugzeugbildern versuchte der Angeklagte, den Anwesenden im Gerichtssaal zu beweisen, dass der Frachtraum viel zu eng und klein für die angegeben Missbrauchs-Positionen gewesen wäre.

Der Junge und sein Vater erstatteten Anzeige gegen den Augenarzt. Seine Aussage als Nebenkläger fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Für den Prozess sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird am 22. Juni erwartet.

Landshut