Millionen-Kosten
„Erst kamen Kriegsversehrte, jetzt immer öfter Medizintouristen!“

02.06.2018 | Stand 13.09.2023, 3:01 Uhr
−Foto: n/a

Ein Arzt im Transitzentrum Deggendorf schildert, wie sich Asylbewerber ohne Perspektive am Sozialstaat bedienen. Wir haben beim Landkreis Schwandorf nachgefragt, wie sich die Kosten für Medizinbehandlungen für Asylbewerber entwickelt haben.

SCHWANDORF Asylbewerber als Medizin-Touristen? Diesen schweren Vorwurf formuliert jetzt ein Arzt, der im Transitzentrum in Deggendorf seit Jahren als Mediziner arbeitet. Bereits am Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 war er dort, nach eigenen Angaben sah er bereits ab Frühjahr 2015 Menschen von der Balkanroute über Passau die Grenze überqueren, die Verletzungen hatten, die man in Deutschland seit 1945 nicht mehr gesehen hat. „Es waren Kriegsopfer“, sagte der Mediziner kürzlich in der Wochenzeitung Die Zeit.

Die Flüchtlinge, die damals kamen, seien dankbar gewesen für die Hilfe. Und: Sie hätten sich den Weisungen des Mediziners auch unterworfen. Er schildert, dass auch damals der Mann einer hochschwangeren Muslimin versuchte, ihr die älteren Kinder ins Krankenhaus mitzugeben. „This is Germany! Hier kommen die Kranken ins Krankenhaus – um die Kinder kümmern sich die Gesunden. Das sind Sie!“, zitiert Die Zeit den Arzt.

Doch dann habe sich etwas verändert. So drastisch, dass der Arzt seine Tätigkeit im Transitzentrum beendet. Denn jetzt kamen immer mehr Asylbewerber aus Ländern, die eigentlich keine Chance auf Asyl in Deutschland haben. Aserbaidschaner beispielsweise und Asylbewerber aus Sierra Leone. Letztere kamen mit Wehwehchen, doch die Aserbaidschaner beispielsweise kamen mit ausgefüllten Krankenakten, baten um künstliche Kniegelenke und Bandscheibenoperationen.

Kann das sein – Medizin-Tourismus in unser Asylsystem? Wir haben uns bei den zuständigen Landratsämtern und kreisfreien Städten im Verlagsgebiet erkundigt. Denn nicht die Krankenkassen zahlen bei Flüchtlingen, sondern die Kommunen. Fazit in der Gesamtschau: Die Versorgung der Flüchtlinge kostet jährlich vor Ort Millionen. Und: Wo Transitzentren Asylbewerber aufnehmen, die kaum Bleibeperspektive haben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie im deutschen Gesundheitssystem, einem der besten der Welt, abgreifen.

„In Deggendorf hat sich nach der Umwandlung von einer Erstaufnahme in ein Transitzentrum im Jahr 2017 das Klientel geändert“, lässt ein Sprecher von Landrat Christian Bernreiter (CSU) ausrichten. „Von daher kann der Schluss gezogen werden, dass seit Mai 2017 die Menschen wegen herkömmlicher Erkrankungen behandelt werden.“ Aus Granatsplitter-Verletzungen wurden Knie-OPs. „Da kommen jetzt Leute, die wollen Viagra“, schilderte der niederbayerische Arzt. Doch was kostet das?

Allein in der Erstaufnahmeeinrichtung Deggendorf zahlte die Kommune knapp 1,1 Millionen Euro im Jahr 2015, der Landkreis legte nochmals 176.000 Euro drauf. 2016 waren es insgesamt schon knapp zwei Millionen Euro. Und allein im Jahr 2018 musste der Steuerzahler bis Mitte Mai knapp 750.000 Euro für Medizin-Behandlungen bezahlen.

„Das Schmerzempfinden ist oft ein anderes“

Auch ein Klinikarzt aus dem Verbreitungsgebiet des Wochenblatts bestätigt uns, dass die Behandlung von Asylbewerbern gerade in den Notaufnahmen zunehmend zum Problem wird. „Zu dem Verständigungsproblem kommt oft eine völlig andere kulturelle Wahrnehmung von Krankheit und Schmerz“, erzählt der Arzt. Da schreien Patienten gerade aus dem Nahen Osten oder afrikanischen Ländern laut, am Ende stellt sich heraus, dass sie an Kopfschmerzen leiden.“

Häufig gehen die Symptome auch mit psychischen Problemen einher. Im April hatte sich ein 16-jähriger Russe in seinem Zimmer verschanzt, mit Messern hantiert und sich eine Art Plastik-Vorrichtung um den Bauch geschnallt. Sicherheitskräfte überwältigten ihn. Wenige Tage drauf eskalierte die Situation, als ein älterer Asylbewerber über Kopfschmerzen klagte und darauf bestand, dass der Arzt zu ihm käme. Als man ihm erklärte, er solle ins Krankenhaus, eskalierte die Situation wiederum – mehrere Einsatzfahrzeuge kamen schnell, ein Sanka brachte ihn in die Psychiatrie.

Stadt Regensburg zahlte zehn Millionen

Die medizinische Versorgung von Asylbewerbern kostet die Kommunen Millionen Euro im Jahr. Auch vor Ort bestätigen das die Behörden. Allein die Stadt Regensburg hat bisher etwa zehn Millionen Euro seit 2014 für die medizinische Versorgung von Asylbewerbern ausgegeben. Wenn sich diese länger als 15 Monate im Bundesgebiet aufhalten, dann dürfen sie zwar eine Krankenkasse wählen, doch die Kasse lässt sich die Kosten wiederum von der Kommune erstatten. Auch im Landkreis sind die Kosten hoch: Sie stiegen von 923.000 Euro (2014) auf 1,56 Millionen (2015) und 1,6 Millionen Euro (2016), gingen dann zwar 2017 auf 862.000 Euro zurück – doch dafür musste der Landkreis an die Krankenkassen mehr als eine halbe Million Euro überweisen.

Und das antwortete der Landkreis Schwandorf:

- wie hoch sind die Kosten für die Behandlung von Asylbewerbern in Krankenhäusern und bei niedergelassenen Ärzten im vergangenen Jahr und wie haben sich diese seit 2014 entwickelt?

In den Jahren von 2014 bis 2017 sind insoweit folgende Behandlungskosten angefallen:

2014: 575.654 Euro

2015: 1.564.777 Euro

2016: 2.517.304 Euro

2017: 1.450.359 Euro

Eine klare Aussage „Krankenhilfe pro Asylbewerber“ ist nicht möglich, weil

- die durchschnittliche Anzahl an Leistungsbeziehern nach dem AsylbLG stark schwankend ist,

- die Abrechnungen zeitversetzt erfolgen,

- die über die KVB abgewickelten Abrechnungen nicht beim jeweiligen Fall verbucht werden und

- die Falldaten der Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung nicht im Sozialhilfeprogramm erfasst werden.

Hilfsweise kann ich Ihnen zu den o.g. Kosten folgende durchschnittliche Anzahl an Leistungsbeziehern nach dem AsylbLG mitteilen:

2014: 329

2015: 1021

2016: 1028

2017: 685

Dazu kommen noch die Asylbewerber, die von Herbst 2015 bis Mitte Juli 2016 in der Dependance der Erstaufnahmeeinrichtung Regensburg (zuerst in Burglengenfeld, dann in Wackersdorf und ab 2016 in Schwandorf) untergebracht waren. Die höchste Belegung war im Januar 2016 mit rund 360 Personen. Die Krankenhilfeaufwendungen für diese Personen sind in den vorgenannten Aufwendungen bereits mit enthalten.

- beobachten Sie Ähnliches, wie im Artikel geschildert, dass also 2015 teilweise schwer verletzte Asylbewerber um medizinische Versorgung baten, während jetzt häufiger beispielsweise Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern gezielt nach Behandlungen fragen?

Wenn Asylbewerber einen Arzt aufsuchen wollen, stellen wir einen Behandlungsschein aus, der in der Arztpraxis vorzulegen ist und der dem Arzt zu Abrechnungszwecken dient. Der Behandlungsschein enthält genaue Angaben zum Umfang der nach dem AsylbLG zulässigen Krankenbehandlung (Grundsatz: nur Akutbehandlung, keine Heilbehandlung) und für welche Behandlungen vorab die Zustimmung des Sozialamtes einzuholen ist. In diesen Fällen bitten wir das Gesundheitsamt um eine Stellungnahme. Von den behandelnden Ärzten erhalten wir keine Rückmeldungen, ob die Asylbewerber Behandlungen fordern, die nach dem AsylbLG von vorneherein nicht zulässig sind.

Die Abrechnung der ambulanten Leistungen der Ärzte erfolgt über die KVB. Diese prüft die Abrechnungen und stellt sie uns wiederum in Rechnung. Welche Behandlungen im Einzelnen abgerechnet werden, wird von uns dann nicht erneut überprüft. Da die Abrechnung der KVB nur Abrechnungsschlüssel enthält, müssten wir die Positionen einzeln decodieren. Aussagen zur Entwicklung von Art und Umfang der Behandlung können wir daher nicht machen.

Derzeit werden uns keine Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten zugewiesen. Neben den fehlenden Infos aus der Abrechnung können wir auch aus diesem Grund zur Entwicklung der Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen durch diesen Personenkreis keine Aussage treffen.

- wie reagiert Ihre Verwaltung bzw. das jeweilige medizinische Personal vor Ort darauf?

Medizintourismus wird nicht unterstützt. Siehe im Übrigen die Antwort zu Ihrer Frage 2.

Schwandorf