Maschinen als Gefahr für Jungtiere
Drohnentechnik schützt Rehkitze vor dem sicheren Tod

13.06.2019 | Stand 29.07.2023, 5:58 Uhr
−Foto: n/a

Landtagsabgeordneter Tobias Gotthardt unterstützte die Retter – und setzt sich mit seiner Fraktion für eine Förderung der neuen Technologie im Bayerischen Landtag ein. So könnten viele Jungtiere vor dem Tod bewahrt werden.

REGENSBURG Es sind gefährliche Wochen für Rehkitze und Junghasen: Derzeit rollen überall in Deutschland zum ersten Mal die Erntemaschinen über die Felder. Für geschätzt mehr als 100.000 Jungtiere in Deutschland bedeutet das den sicheren Tod. Ins vermeintlich schützende Umfeld der Wiese gelegt, fliehen die Rehkitze nicht bei der Gefahr nahender Landmaschinen, sondern verharren geduckt am Ort. Die jungen Rehkitze haben einen angeborenen Druckinstinkt. Sobald sich Gefahr nähert, drücken sie sich fest in die Wiese, um nicht mehr gesehen zu werden. Viele Jungtiere geraten deshalb unter die Mähmaschinen – und sterben oder müssen von Jägern erschossen werden. Das zu vermeiden, ist gemeinsames Anliegen von Landwirten, Jägern und Naturschützern in ganz Bayern. Umso wichtiger sind ehrenamtliche Initiativen, wie der von Annemarie Prem betreute Tierschutzhof Oberpfalz e. V. Gemeinsam mit ihrem Team der Rehkitzrettung rückt sie dieser Tage im Landkreis Regensburg beinahe täglich aus, um Jungtiere vor der Mahd durch das Abgehen der Wiesen zu retten - seit diesem Jahr unterstützt durch moderne Drohnen und Wärmebildkameras.

Der Freistaat plant, auf Initiative von Umweltminister Thorsten Glauber und der Freien Wähler, die Anschaffung solcher Gerätschaften künftig finanziell zu fördern. Um den Einsatz zu unterstützen und für das Thema zu sensibilisieren, haben die Rehkitzretter zuletzt Unterstützung vom Landtagsabgeordneten Tobias Gotthardt (Freie Wähler) erhalten. Kurz vor sechs Uhr bereitet er mit den Naturschützern, Landwirten und Jägern das Equipment vor. Die frühe Uhrzeit ist wichtig, damit die Aktion letztendlich auch Erfolg hat: „Für eine erfolgreiche Rehkitzsuche müssen die Temperaturen noch niedrig sein. Wenn es wärmer wird, ist es schwierig, die Rehkitze noch mit der Wärmebildkamera zu finden“, sagt Prem. Sie hat mittlerweile Erfahrung: Mehreren Tieren hat sie heuer schon so das Leben gerettet. Kurz nach sechs Uhr geht es auf einem Acker in Sarching (Gemeinde Barbing; Lkr. Regensburg) los. Das Surren der Drohne ist schon von Weitem zu hören. Konzentriert steht Anne-Marie Prem, die Vorsitzende des Tierschutzhofs Oberpfalz e. V., hinter einem kleinen Monitor. Auf dem Display sieht sie das Wärmebild der Umgebung. Aufmerksam blickt sie auf den Monitor, während die Drohne langsam über das Feld fliegt. Der Monitor hilft Prem, Rehkitze oder andere Wildtiere im Feld zu erkennen. Sobald sie ein mögliches Tier sichtet, alarmiert Prem ihre Mitstreiter, die bereits damit begonnen haben, das Feld abzugehen. Zielgenau lotst sie ihre Helfer zu den angezeigten warmen Punkten.

Wichtig sei dann, sagt Prem, dass kein menschlicher Geruch auf das kleine „Bambi“ übertragen werde. Die Mutter nehme sonst das Jungtier nicht mehr an. Mit Handschuhen und Grasbüscheln ausgestattet, nähern sich die Helfer der ausgemachten Stelle. Dieses Mal ist es kein Reh, sondern ein junger Hase, der aus der Wiese verscheucht wird. Es dauert mehr als eine Stunde, bis das erste Rehkitz gefunden und aus dem Gefahrenbereich gebracht wird. Gotthardt selbst hebt das junge Kitz behutsam und setzt es in einem benachbarten Feld ab.

Für Jagdpächter Guido Bieber ist die Suche nach Rehkitzen mit Drohnen und moderner Technologie eine Erfolgsgeschichte. „Die Drohne erspart uns einiges an Wegkilometern“, sagt er. Im vergangenen Jahr hätte er mit seinen Helfern mehr als 50 Kitze dadurch retten können. Es sei eine gute Entscheidung, dass der Freistaat künftig den Einsatz von Drohnen zur Rettung von Jungtieren unterstützen wolle, betont auch Landtagsabgeordneter Tobias Gotthardt. Er habe selbst gesehen, wie wichtig der Einsatz der Drohnentechnik ist. „Der Blick von oben mit der Wärmebildkamera ist noch einmal eine sinnvolle Ergänzung zum herkömmlichen Abgehen des Feldes, um mehrere Dutzend Jungtiere vor der Mähmaschine und dem meist qualvollen Tod zu schützen.“

Beeindruckt habe ihm das Engagement, dass hinter der Rehkitzrettung stecke. „Um vier Uhr geht es auf das Feld, und dass derzeit vier Mal in der Woche.“ Außerdem vereine die Jäger, Landwirte und Naturschützer ein gemeinsames Ziel: Sie arbeiten zusammen, um die Jungtiere zu schützen. „Eine wirklich tolle und wichtige Sache.“ Die Förderung von Flugdrohnen für die Wildrettung beschäftigte die Fraktionen im Bayerischen Landtag schon in der vergangenen Legislaturperiode. Zuletzt brachte die Freie Wähler-Landtagsfraktion einen Entschließungsantrag ein. Gefordert werde dabei, ein sinnvolles Einsatzgebiet und Fördermöglichkeiten von Flugdrohnen, etwa bei der Wildtierrettung oder zur Aufenthaltsklärung von Wild in der Feldflur, zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen. Der genannte Antrag wird ab dieser Woche in den betroffenen Ausschüssen besprochen, erklärt Gotthardt. „Mit einem Beschluss dazu ist voraussichtlich in der letzten Plenarsitzung im Juli zu rechnen.“ Die Federführung in dieser Thematik liege dabei beim Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Regensburg