Ex-Stadtbau-Chef als Zeuge
Showdown am Ende des Prozesses gegen den suspendierten OB Wolbergs

05.03.2019 | Stand 13.09.2023, 0:34 Uhr
−Foto: n/a

Im Wolbergs-Verfahren soll der geschasste Stadtbauchef aussagen – er hat mit Joachim Wolbergs noch einige Rechnungen offen. Dabei wurde der Fall Stadtbau nicht angeklagt – aus gutem Grund.

REGENSBURG Man sieht sich wohl immer zweimal im Leben – am kommenden Donnerstag, 7. März, wird der vor Gericht stehende Oberbürgermeister Joachim Wolbergs und der mitangeklagte Franz W. einem Mann gegenüber sitzen, der lange ihr Gegenspieler war. Joachim Becker ist der beurlaubte, nicht verlängerte Stadtbau-Geschäftsführer. Bis 30. September hat ihn die Stadt auf der Lohnliste – 190.000 Euro Jahresgehalt sind es laut Jahresbericht der Stadtbau. Jetzt ist Becker Zeuge der Anklage – kein Wunder. Schon während der Ermittlungen gegen den suspendierten Oberbürgermeister hatte er sich als Gegenspieler zu Wolbergs positioniert, der erklärtermaßen nie ein Fan Beckers war. Und mit der Bestellung von Franz W. als technischen Leiter fürchtete Becker offenbar im Mai 2016, also bevor die Spendenaffäre publik wurde, bereits seinen potenziellen Nachfolger im eigenen Haus zu haben.

Doch von vorne: Am 9. März 2016 berichtete das Wochenblatt als erstes Medium darüber, dass ein „aus der Geschäftsführung eines großen Regensburger Bauträgers ausgeschiedener Ingenieur“ neuer Mitgeschäftsführer werden sollte. Es handelte sich tatsächlich um Franz W.. Im Nachhinein stellte sich heraus: W. ist gelernter Maurer, kein Ingenieur. Zugetragen hatte dem Wochenblatt die Personalie W. ein Oppositions-Vertreter.

Wir konfrontierten damals Oberbürgermeister Wolbergs mit der Personalie. Der Verdacht: Wollte Wolbergs jemanden protegieren, der früher bei Volker Tretzel gearbeitet hatte? Wolbergs winkte damals ab: „Wenn ich Tretzel einen Gefallen tun will, dann würde ich den nicht nehmen, die haben sich im Unfrieden getrennt.“ So lautete die Antwort Wolbergs damals – und so wurde aus der Sensationsgeschichte mit „G‘schmackl“ eine Kurzmeldung.

Bestellung W.s schlug damals hohe Wellen

Als es dann aber tatsächlich zur Bestellung W.s als technischen Leiter der Stadtbau kam, schlug die Personalie Wellen, auch in den Medien. Doch W. wurde nicht auf Veranlassung Wolbergs eingestellt. Das Wochenblatt berichtete am 16. August 2016 über die Vorgänge und zitierte dabei aus Protokollen der Sitzung vom Mai. Später wurden die Protokolle sogar Bestandteil des Haftbefehls gegen Wolbergs.

Dabei belegen die Protokolle von damals Folgendes: Wolbergs bot an, die Entscheidung für W. als technischen Leiter der Stadtbau zu vertagen. Becker, der das Vorschlagsrecht hatte, forderte aber eine sofortige Abstimmung. W. wurde mit Stimmenmehrheit gewählt. Mehr noch: Es ist Christian Schlegl, der in einer weiteren Sitzung am 27. Juli 2016 die Rücknahme von W.s Bestellung verlangte. Schlegl forderte die Neuausschreibung. Wolbergs stimmte mit Schlegl und zwei weiteren CSU-Stadträten dafür, wurde aber von der Koalition überstimmt. Auch das geht aus uns vorliegenden Protokollen hervor. Wohl auch deshalb ist die Bestellung W.s als Stadtbau-Leiter nicht angeklagt – Wolbergs hatte sie nämlich gar nicht eingefädelt.

Zu einem weiteren Eklat kam es jedenfalls am 17. Oktober 2018 in der Stadtbau. Becker hatte eine Tischvorlage vorbereitet, die es in sich hat. Auf zwölf Seiten schildert er den Verwaltungsräten Unerhörtes: So habe Wolbergs ihn vor allen Stadtbau-Mitarbeitern nur als „Notnagel“ bezeichnet. 2013 hatten Grüne und SPD gegen seine Weiterbeschäftigung gestimmt. „Schon damals hat der Wahlkämpfer Joachim Wolbergs versucht, die Wiederbestellung zu verhindern, was er auch wiederholt öffentlich kundgetan hat“, schrieb Becker in der Tischvorlage (liegt uns vor). Becker brachte auch Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer in die Bredouille – und zwar so, dass sich die Koalition nicht mehr anders zu helfen wusste und Becker beurlaubte.

Wie steht Becker heute zu den Tretzel-Bauten?

Jetzt ist er also am kommenden Freitag Zeuge der Anklage. Die Staatsanwaltschaft Regensburg will im Prozess die Glaubwürdigkeit von Wolbergs angreifen. Pikant: Während des bisherigen Prozessverlaufs gerieten die Ermittler deshalb in die Defensive, weil ihr Kronzeuge Christian Schlegl selbst zunehmend in ein fahles Licht geriet. Doch auf ihn stützten die Ermittler zum Beispiel den Vorwurf, Tretzel habe die Nibelungenkaserne nur wegen einer Jahn-Kapitalerhöhung erhalten.

Jetzt also Becker. Die Verteidigung wird mit Sicherheit versuchen, Beckers Glaubwürdigkeit infrage zu stellen. Und der Geschäftsführer hat ja noch einige Rechnungen mit Wolbergs offen.

Allein die Abneigung gegen Tretzel-Bauten, die er damals gegen die Bestellung von Franz W. ins Feld geführt hatte, scheint Becker nicht mehr zu teilen. Man wird sehen, ob er auch dazu befragt wird, wie er heute und ganz persönlich zu den attraktiven Eigentumswohnungen auf dem Nibelungenareal steht.

Regensburg