Nachbarn
Bürger auf den Barrikaden – Regensburgerin erlebt bürgerkriegsähnliche Zustände in Frankreich

08.12.2018 | Stand 13.09.2023, 0:27 Uhr
−Foto: n/a

Eine Regensburger Ex-Politikerin besuchte ihr Geburtsland, in dem es brennt – doch was ist da wirklich los bei unseren Nachbarn in Frankreich?

REGENSBURG/PARIS Patricia Wehrmann ist gebürtige Französin, ihre beiden Kinder leben heute noch in Frankreich. Sie liebt ihre Heimat – doch sie beobachtet auch, wie die ganze Welt, was derzeit in Frankreich passiert. Die Gelbwesten gehen auf die Barrikaden, sie protestieren gegen eine Politik, die der arbeitenden unteren Mittelschicht nichts mehr zum Leben lässt. „In Frankreich sitzt man auf einem Pulverfass und keiner weiß, wie das ausgeht“, sagt Frau Wehrmann.

Dabei hatten die Franzosen doch erst bei der letzten Wahl mit Emanual Macron das bisherige Establishment beseitigt und abgewählt. Macron war doch der Gegen-Trump! Was ist geschehen? Wehrmann: „Er lebt wie ein kleiner Prinz in seinem Elysee-Palast, umgeben von Eliten, die auf den Eliteschulen waren.“ Zudem habe er gelogen: „Er versprach, die niedrigen Renten nicht mehr zu besteuern. Das hat er nicht eingehalten!“ Wer reich sei in Frankreich, der habe sich längst in Länder wie Belgien abgesetzt. „Macron versuchte, diese Reichen zurückzuholen. Da entstand der Eindruck, er würde sich nur um die Reichen kümmern.“

Es sind, wie in den USA auch, die unteren Mittelschichten, die aufbegehren. „Menschen, die arbeiten, aber am 20. des Monats nichts mehr im Kühlschrank haben“, so Wehrmann.

Auch die Medien seien ein Teil des Problems, denn statt über die immer größere Not der arbeitenden Mittelschicht zu berichten, halten sie die Kameras auf die Gewalt. „Es gibt keinen Kopf dieser Bewegung, keinen Ansprechpartner“, erzählt die Wahl-Regensburgerin. Doch sie schätzt, dass etwa 80 Prozent der Bevölkerung der Bewegung positiv gegenüber steht. „Frankreich ist das Spitzensteuerland auf der ganzen Welt“, so die gebürtige Französin. Das Fass zum Überlaufen brachte die Mineralölsteuer, die ohnehin bereits 70 Prozent der Kosten für den Liter Benzin ausmacht. Ab 1. Januar hätte es erneut eine Erhöhung geben müssen, doch die hat Macron wohl jetzt – als Reaktion auf die Proteste – erst einmal ausgesetzt. Vor allem die Provinzen würden immer weiter abgehängt. „Die Menschen aber müssen fahren, um zur Arbeit zu kommen. Sie können sich das nicht mehr leisten.“

Fatal sind auch die Gesundheitskosten. „Die Menschen versuchen, nicht zum Arzt zu gehen.“ In Frankreich muss man zunächst selbst zahlen, dann bekommt man bis zu 65 Prozent der Behandlungskosten über die staatliche Krankenversicherung. Den Rest müsste man privat absichern. Viele können das nicht mehr.

Ist das, was man in Frankreich derzeit erlebt, ein Bürgerkrieg? „Ich weiß es nicht“, sagt Patricia Wehrmann. Viele verglichen die Situation aber mit 1789, dem Jahr der Revolution, als man in Frankreich den König absetzte und die Bastille stürmte.

Ob der Sturm anhält oder ein Sturm im Wasserglas bleibt, hängt wohl auch von Macron ab.

Regensburg