Hadern mit der Nazi-Vergangenheit
Die dunkle Geschichte der Polizeizentrale am Minoritenweg ist nicht aufgearbeitet

13.07.2018 | Stand 13.09.2023, 2:04 Uhr
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Der Umgang mit dem Gedenken an das düstere Dritte Reich war in der Hauptstadt der Oberpfalz nicht immer glücklich. Streitereien um Gedenktafeln, das Beharren auf Straßennamen nach bedenklichen Blut-und-Boden-Dichtern – all dies bewegte die Stadt offenbar dazu, eine Studie in Auftrag zu geben.

REGENSBURG Wie soll man den Gräueltaten, Deportationen, ja der Verdichtung der jüdischen und NS-verfolgten Bevölkerung gedenken? Ein Jahr vor dem 500. Gedenkjahr an die Zerstörung der jüdischen Synagoge 1519 und 80 Jahre nach der schrecklichen Pogromnacht ist klar: Es muss etwas getan werden. Doch ausgerechnet die Polizei hat hier offenbar ein Problem.

In Auftrag gegeben hat der Stadtrat eine Studie, die zeigen sollte, wo es Defizite in der Gedenkkultur gibt. Antworten sollte eine eingesetzte Expertenkommission geben. Beauftragt wurden damit Dr. Heike Wolter, der Historiker Professor Mark Spoerer und der Leiter der Gedenkstätte des KZs Flossenbürg, Dr. Jörg Skriebeleit.

Ihr erstaunliches Fazit: Die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung ist im Prinzip schon gut aufbereitet. Derzeit wird in Regensburg eine neue Synagoge gebaut. 80 Jahre nach der Zerstörung der Synagoge aus der Zeit der Jahrhundertwende wird derzeit mit Hilfe von Spendengeldern eine neue Synagoge gebaut. Am 10. November 1938 zündeten die Regensburger die Synagoge an. Der amtierende Nazi-Oberbürgermeister hinderte die Feuerwehr daran, den Brand zu löschen. Heute wächst ein moderner Bau, der auch der wieder wachsenden jüdischen Gemeinde gerecht werden soll.

Was allerdings kaum ein Regensburger noch weiß: mitten in der Innenstadt, am Minoritenweg, steht ein Nazi-Bau, der auch heute noch der Polizeiinspektion Süd als Standort dient, der bereits der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) als Stützpunkt diente. Dort erinnert heute lediglich ein Zimmer daran, dass der Domprediger Dr. Johann Maier am 23. April 1945 den Nazi-Schergen zum Opfer fiel. Doch öffentlich zugänglich wird der Raum auch nicht sein, wenn die derzeit laufende Sanierung beendet sein wird.

Die Experten machen in ihrer Studie allerdings klar, was von hier aus veranlasst wurde – man koordinierte den Massenmord.

Unter anderem sei die Gestapo-Stelle am Minoritenweg für die Deportation von 100 jüdischen Mitbürgern im Jahr 1942 verantwortlich gewesen. Zahlreiche Hinrichtungen von Zwangsarbeitern sind überliefert, „die Hinrichtungen fanden in Anwesenheit von Regensburger Gestapo-Beamten statt“, heißt es. Auch Kriegsgefangene wurden ermordet, ausgesucht von der Gestapo. 1941 überprüften die Regensburger Gestapo-Schergen 2.344 Rotarmisten, 330 wurden ermordet. Zur Verantwortung gezogen wurden sie übrigens nicht – einer starb während des Prozesses, andere Gestapo-Leiter kamen ohne Strafe davon. Ein Kriminalkommissar ging nach der NS-Zeit sogar zum Bundesnachrichtendienst. In Bezug auf die NS-Zeit empfehlen die Experten, „ein Informationssystem zu entwickeln, das die zwischen 1933 und 1945 errichteten Gebäude und die NS-belasteten Stadträume dauerhaft (...) lesbar macht.“ Als Vorbild nennt man Tübingen. Ein gutes Beispiel wäre aus Sicht der Experten eben „die im Polizeigebäude im Minoritenweg untergebrachte Gestapo-Dienststelle, wo der Domprediger Dr. Maier seine letzten Stunden vor seiner Ermordung verbrachte. Hier würde ein Bogen zwischen dem alten Regensburg und heute gespannt und darin die NS-Geschichte integriert.“ Doch auch die „Umbenenneritis“ von Straßen solle nicht so fortgesetzt werden, Einzelfälle ausgenommen: Lieber erklären statt umbenennen, finden die Experten.

Schlechte Aufarbeitung der eigenen Geschichte

Insgesamt stellt das Gutachten aber den Stadtvätern ein schlechtes Zeugnis aus – auch jenseits der NS-Zeit. So würden wichtige Themen wie die Säkularisation, aber auch der Erste Weltkrieg, später dann der rasante wirtschaftliche Aufstieg unserer Stadt bis in die Gegenwart, überhaupt nicht stadtgeschichtlich eingeordnet. Gut ist Regensburg wohl nur dort, wo man Touristen das Mittelalter beibügeln will – ein bisschen wenig also.

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