Pull-Effekt
Stadt hilft Familien aus Südosteuropa – auch beim Zugang zu Sozialleistungen

08.07.2018 | Stand 13.09.2023, 0:19 Uhr
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In Europa spricht man vom Pull-Effekt, wenn Hilfsmaßnahmen Migranten erst dazu bringen, in die Staaten Europas zu kommen. Bei der Stadt Regensburg hat sich etwas entwickelt, das offenbar auch einen solchen Effekt hat: Ein Projekt unterstützt Menschen aus Südosteuropa, sich in Regensburg zurecht zu finden. Auch in Sachen Sozialleistungen berät man. Jetzt wird der Michlstift zum Kinderschutzhaus – und zur Anlaufstelle für EU-Migranten aus Südosteuropa.

REGENSBURG Das ehemalige Seniorenheim Michlstift wird, nach einer Zwischennutzung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, nach Wunsch des Stadtrates zum „Kinderschutzhaus“ umgewidmet. Vergangenen Mittwoch stimmte der Jugendhilfeausschuss darüber ab. Deutlich wird in den Vorschlägen der Verwaltung, die unserer Zeitung vorliegen, dass die sozialen Probleme in Regensburg immer drängender werden. Eines der größten Probleme: Die stetig steigende Zahl an Inobhutnahmen aus Familien, in denen Kinder gefährdet sind. Waren es im Jahr 2013 noch 147 Fälle, musste die Stadt im Jahr 2017 bereits 160 Kinder aus ihren Familien nehmen. Das Problem: Pflegefamilien sind gesucht, oft müssen die aus der Familie genommenen Kinder in Einrichtungen untergebracht werden. Drastisch angestiegen ist auch die Verweildauer der Kinder in Obhut der Stadt: Die Zahl der Tage stieg von 3.291 in 2013 auf 4.130 in 2017 an. Verbunden ist das mit immensen Kosten. Deshalb sollen im Michlstift nun spezielle betreute Wohngruppen eingeführt werden. Wörtlich heißt es: „Selbst die Reinigungskraft und der Hausmeister sollen darauf vorbereitet werden, dass diese Kinder eines ganz besonderen Schutzes bedürfen.“

Doch das ist nicht das einzige Problem: Auch die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland gekommenen, heute jungen Erwachsenen sollen nicht einfach so in ihr eigenes Leben entlassen werden. Der angespannte Mietmarkt macht es zudem oft unmöglich, dass diese Asylbewerber, die minderjährig und ohne Begleitung nach Deutschland kamen, eine Wohnung bekommen. Für diese sollen fünf Plätze geschaffen werden, die sie allerdings bezahlen müssen, wenn sie beispielsweise in der Ausbildung sind.

„Erschwerter Zugang zu Sozialleistungen“

Ein weiteres soziales Thema ist das der Zuwanderer aus Osteuropa. Bulgaren und Rumänen kommen häufig nach Regensburg, offenbar hat sich in Südosteuropa herumgesprochen, dass die Stadt sich um diese Menschen kümmert. Mit dem Projekt HAJDe hat man versucht, beispielsweise in Familien einzugreifen, die ihre Kinder sonst nicht zur Schule schicken würden. Oft handelt es sich dabei um Sinti und Roma-Familien. Nach Angaben der Stadt ist die Zahl der aus Osteuropa Zugewanderten von unter 500 in 2006 auf heute knapp unter 2.500 Menschen angestiegen. Seit 2014 begleitet und berät die Beratungsstelle HAJDe zugewanderte Familien aus Südosteuropa in den Bereichen Bildung, Wohnen, Gesundheit und Arbeit. „Kernaufgabe der Beratungsstelle ist die Sicherung des Wohls der Kinder bei grundlegenden Bedürfnissen wie Essen, Kleidung, Wohnraum und Hygiene“, heißt es. Auch ein angeblich „erschwerter Zugang zu Sozialleistungen aufgrund der fehlenden Rechtssicherheit im EU-Recht“ werde von den städtischen Mitarbeitern thematisiert. Die Menschen aus Südosteuropa nehmen das geltende EU-Freizügigkeitsrecht wahr, die jeden EU-Bürger dazu berechtigt, sich nach freier Wahl niederzulassen. Im Nachbarland Österreich indes hat man beschlossen, Sozialleistungen wie Kindergeld an das Lohnniveau des Heimatlandes anzupassen, um unerwünschte Sogwirkung zu vermeiden.

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