Spendenaffäre
Landgericht stellt fest – wenn Wolbergs Vorteile annahm, dann nur für Dritte

22.03.2018 | Stand 13.09.2023, 6:31 Uhr
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Die Anklage formuliert eine Verschwörung von Wolbergs, Tretzel, Hartl und W., die bereits seit 2011 existiert haben soll und nur das Ziel hatte, dass Tretzel die Nibelungenkaserne bekommt.

REGENSBURG Es wird der Prozess des Jahres, dem Wochenblatt liegt exklusiv die Anklage gegen den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, den Bauträger Volker Tretzel, seinen früheren Geschäftsführer Franz W. sowie Stadtrat Norbert Hartl vor. Dabei wird deutlich, dass die Versionen der Beschuldigten und die der Staatsanwaltschaft nicht unterschiedlicher sein könnten.

Die Anklage formuliert ein Konstrukt, das ungefähr so geht: Zwischen 2011 und 2016 nahm Wolbergs Spenden in Höhe von 475.470 Euro sowie Zuwendungen für Mutter und Schwiegermutter in Höhe von 120.000 Euro an. Dabei sei ihm bewusst gewesen, dass der Fußballverein Jahn von Zuwendungen Tretzels abgängig war. Im Prinzip mündet dies in der Annahme der Ankläger, es habe die Nibelungenkasernen-Vergabe an Tretzel lediglich wegen der Spenden und den Kapitalerhöhungen beim Jahn gegeben.

Nicht erwähnt wird in der Anklage, dass der DFB mit dem Entzug der Lizenz gedroht hatte, wenn die Jahn-KG nicht das nötige Kapital vorweisen konnte. Weil Tretzel aber 90 Prozent des Vereins gehörten, blieb ihm nichts anderes übrig, als Geld zuzuschießen. Dabei, so die Staatsanwälte, habe er von Fußball weder Ahnung gehabt, noch habe er sich dafür interessiert. Insgesamt schoss Tretzel 7,2 Millionen Euro in die Jahn-KG, davon laut Anklage 1,2 Millionen am 23. Dezember 2014, am 5. Mai 2015 nochmals 500.000 Euro und 1,1 Millionen Euro am 22. Dezember 2015. Dafür soll Tretzel das Nibelungenareal für sich gefordert haben – als Gewinn erwartete er sich laut Staatsanwaltschaft 11,5 Millionen Euro.

Heikel ist auch, dass die Staatsanwälte nur drei Zeugen für die Vorgänge um den Jahn vorhalten: Christian Keller und Hans Rothammer, also Manager und Präsident, und – Christian Schlegl. Der hatte bei der Kripo ausgesagt, Norbert Hartl habe ihm unter vier Augen vorgehalten, er schädige den Jahn, wenn Tretzel nicht die Nibelungenkaserne bekomme. Überhaupt taucht Schlegl immer wieder als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft auf. Ein Grund, warum erst Mitte 2017 gegen Schlegl ermittelt wurde? Dass auch andere Parteien – etwa die CSU – erhebliche Spendensummen unter 10.000 Euro erhalten hatten, behandelt die Staatsanwaltschaft nicht. Vielmehr bemerkt sie in der Anklage, dass Tretzels Schwiegermutter, die an Eides statt versicherte, sie wollte Wolbergs selbst unterstützen und habe freiwillig gespendet, 96 Jahre alt sei.

Tretzel-Schwiegermutter sei ja schon 96 Jahre alt

Die Wirtschaftsstrafkammer unter Richterin Elke Escher hat derweil mit ihrem am 1. März ergangenen Beschluss eine wahrhaft salomonische Entscheidung getroffen. Sie hat nämlich die von der Staatsanwaltschaft vorgelegte Anklage komplett zugelassen, gleichzeitig aber bereits im Vorfeld eine rechtliche Wertung vorgenommen: Den Bestechungs-Vorwurf hält sie für schlichtweg falsch. Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung, ein deutlich geringerer Straftatbestand, will sie überprüfen. Damit wird jeder Vorwurf im Detail vom Gericht angesehen, doch die Staatsanwaltschaft konnte keine Beschwerde einreichen vor dem Oberlandesgericht. Das hätte das Verfahren um weitere Monate verzögert.

Die Staatsanwaltschaft hat aber klar gemacht, dass sie mit aller Härte gegen Wolbergs und die weiteren Angeklagten vorgehen wird. So legten die Ermittler Beschwerde gegen die Aufhebung der Haftbefehle ein, die das Landgericht mit Bausch und Bogen verwarf. Doch offenbar steckt dahinter die Taktik, die Sache an das Oberlandesgericht Nürnberg weiterzureichen.

Deutlich geringerer Strafrahmen zu erwarten

Interessant ist nämlich die Begründung des Landgerichts, warum für die Haftbefehle kein Grund mehr bestehe. Diese wurden ja aufgrund eines dringenden Tatverdachts der Bestechlichkeit erlassen. Doch die Kammer sehe die Bestechung – anders als die Ermittler – eben nicht als nicht erfüllt an. Die Haftbefehle seien im Hinblick auf die verbliebenen Vorwürfe und die damit verbundene Straferwartung nicht mehr verhältnismäßig. Auch interessant: Die Kammer sagt, man müsse auch berücksichtigen, dass Wolbergs wenn, dann Vorteile für Dritte von Tretzel bekommen habe, nicht zu seiner persönlichen Bereicherung, so die Kammer. Derweil hat die Wirtschaftsstrafkammer den Prozessbeginn auf September verlegt. Für die Angeklagten eine Hängepartie.

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