Gutachten liegen vor
Bayern verzichtet auf Klage gegen die „Ehe für alle“

06.03.2018 | Stand 20.07.2023, 18:00 Uhr
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Das Bayerische Kabinett hat am Dienstag, 6. März, über die Ergebnisse der Gutachter zur verfassungsrechtlichen Überprüfung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts („Ehe für alle“) beraten.

BAYERN Das Gesetz wirft komplexe rechtliche Fragen auf. Diesen Fragestellungen hat sich der Ministerrat mit dem gebührenden Respekt und der notwendigen Sorgfalt gewidmet. Zwei renommierte Experten haben die Fragen gründlich und umfassend geprüft, mit juristischem Tiefgang durchdrungen und hervorragend aufbereitet. Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Universität Augsburg, hat untersucht, wie das Gesetz verfassungsrechtlich zu bewerten ist. Prof. em. Dr. Dr. h.c. Dagmar Coester-Waltjen, Georg-August Universität Göttingen, hat daneben die internationale Rechtslage zur „Ehe für alle“ analysiert und im Einzelnen dargelegt.

Die zentralen Aussagen der Gutachten sind: Nach einer Gesamtabwägung sind die Erfolgsaussichten einer Normenkontrollklage als gering anzusehen. Gewichtige Gründe sprechen für die Verfassungsmäßigkeit des „Ehe für alle“-Gesetzes und somit gegen eine Klageerhebung. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wurde nicht überschritten. Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels, der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgebildet ist, ist die Verschiedengeschlechtlichkeit kein exklusives und damit kein prägendes Strukturmerkmal der Ehe mehr. Diesen Wandel belegen auch die Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen in anderen Staaten und die positive Bewertung derselben durch andere Verfassungsgerichte. Die Ehe genießt trotz der aktuellen Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare weiterhin hohen Verfassungsrang. Eine Klage ist auch nicht erforderlich, um weiteren Aufweichungen des Ehebegriffs wie zum Beispiel Vielehen oder Ehen auf Zeit den Riegel vorzuschieben.

Die Gutachter haben also kein rechtlich zwingendes Argument gefunden, dass das Gesetz für die Ehe für alle gegen das Grundgesetz verstößt. Deshalb hat sich die Staatsregierung heute mehrheitlich nach sorgfältiger Beratung sowohl der verfassungsrechtlichen als auch der verfassungs- und gesellschaftspolitischen Aspekte gegen eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Staatsregierung hält politisch an dem Leitbild der traditionellen Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau fest. Sie ist die Grundlage für Familien, in denen Kinder bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen. Gleichzeitig wird eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften ausdrücklich abgelehnt. Die Staatsregierung hat von Anfang an deutlich gemacht, dass sich eine mögliche Klage nicht gegen gleichgeschlechtliche Lebenspartner richten würde, sondern ausschließlich zur Schaffung der notwendigen Rechtsklarheit durch Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen dienen sollte. Nach dem Ergebnis des Gutachtens ist diese Rechtsklarheit nun auch ohne Klage hergestellt. Hierfür war auch die juristische Feststellung der Gutachter wichtig, dass in Deutschland geschlossene Vielehen oder befristete Ehen unmöglich sind.

Die beiden Gutachten sind im Internet abrufbar unter www.bayern.de.

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