Spendenaffäre-Spezial
130 Kilo Gold als Sicherheit für Tretzel-Kredit – diese Widersprüche prüft das Landgericht

21.02.2018 | Stand 13.09.2023, 7:03 Uhr
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Die Wirtschaftsstrafkammer des Regensburger Landgerichts unter Vorsitz von Richterin Elke Escher prüft derzeit, ob die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen Joachim Wolbergs, Volker Tretzel, Norbert Hartl und Franz W. ganz oder in Teilen zugelassen wird. Besonders der Bestechungs-Vorwurf steht dabei im Feuer. Dabei tauchen weitere Ungereimtheiten auf, die einseitige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zumindest nahelegen.

REGENSBURG Kippt die polizeiliche Telefonüberwachung?

Das Wochenblatt hatte exklusiv berichtet, dass 96.000 Telekommunikations-Verbindungen überwacht wurden, etwa 10.000 Telefonate wurden abgehört. Dass darunter auch Gespräche zwischen Verteidiger und Mandanten sowie zwischen Beschuldigten und Journalisten waren, ist ebenso bekannt wie teilweise illegal. Doch Tretzels Anwälte haben auch erhebliche Zweifel an den Mitschriften der Polizei. Diese Protokolle, die ein Polizeibeamter aufgrund abgehörter Telefonate fertigt, decken sich an einigen Stellen nicht mit den tatsächlichen Mitschnitten.

200.000 Euro als letzten Gefallen?

Die Staatsanwaltschaft konstruiert aus einem Telefonat zwischen Tretzel und Wolbergs vom November 2016, Tretzel habe Wolbergs weitere 200.000 Euro angeboten. Dafür wollte er, so die Staatsanwaltschaft, eine Bebauung am Roten-Brach-Weg umsetzen. Die Passage aber sagt etwas ganz anderes aus: Tretzel wollte partout nicht mehr bauen, weil er fürchtete, man würde ihm dies erneut als Vorteil auslegen. Wolbergs besteht in dem Telefonat darauf, dass Wohnraum wichtig sei für Regensburg und er bauen müsste. Wolbergs sagt mehrfach Nein, als Tretzel ihm anbietet, seinen offenen Kredit an Wolbergs SPD-Ortsverein zu tilgen. Das ist auch nie geschehen, Wolbergs zahlte diesen aus dem Verkauf von Aktien aus seinem Erbe zurück.

Rückzug von Tretzel war längst geplant

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Volker Tretzel unbedingt mit seiner BTT die Nibelungenkaserne bebauen wollte. Seine Anwälte argumentieren, dass er längst eine Möglichkeit suchte, sich aus der Firma zurückzuziehen. Dabei kam sogar eine Stiftung in Betracht, da seine Kinder zu einer Übernahme nicht bereit waren. Die aber sprachen sich gegen den Mitbeschuldigten Franz W. als Stiftungsvorstand aus.

Reparaturen in der Mälze als Bestechung?

Als Bestechung wirft die Anklage Wolbergs eine Sanierung der Pächterwohnung in der Alten Mälzerei vor. Wolbergs hatte die Wohnung nie selbst bewohnt, Studenten lebten dort zur Miete. Die Ermittler wollen heraus gefunden haben, dass Rechnungen in Höhe von etwa 9.600 Euro für die Mälze von BTT übernommen wurden. Vermieter ist Fürst Albert von Thurn und Taxis, der daraufhin die Miete um monatlich 236 Euro erhöhte. Das Argument der Anwälte: Den Vorteil hatte ja Fürst Albert von Thurn und Taxis, nicht Wolbergs. Der sagt, davon nichts gewusst zu haben. Ähnlich soll es sich mit einer Renovierung des Ferienhauses verhalten, das Wolbergs geerbt hatte. Auch hier geht es um 9.000 Euro an Rechnungen, die von BTT getragen wurden – Wolbergs will auch davon nichts gewusst haben.

Wohnungen von Mutter und Schwiegermutter

Als Bestechung bewerten die Ermittler auch die beiden Eigentumswohnungen von Wolbergs Mutter, die diese 2012 kaufte, und von seiner Schwiegermutter, gekauft im August 2015. Bei dieser beträgt der Kaufpreis 3.490 Euro pro Quadratmeter, die günstigste Wohnung in dem Baugebiet mit identischer Größe wurde für lediglich 2.678 Euro verkauft. Auf einer von Tretzel vorgelegten Auflistung rangiert die Wohnung auf Platz 336 von 441, sortiert von günstig nach teurer. Die Wohnung Wolbergs‘ Mutter, an der er selbst durch eine Erbengemeinschaft tatsächlich Anteile hat, rangiere auf Platz 105. Die Staatsanwälte versuchen das zu torpedieren, weil sie sagen, weggelassene Ausstattungen, die vergünstigt wirken, seien gar keine. Dies eingerechnet, gebe es laut Tretzels Anwälte noch immer 51 Wohnungen, die günstiger waren. Dennoch sagen die Ermittler, Wolbergs könne man einen Preisvorteil von insgesamt 80.000 Euro zurechnen – Bestechung und Bestechlichkeit ist der Tatvorwurf.

Wolbergs-Unterschrift kostet 7 Millionen Euro

Bislang noch kein öffentliches Thema: Tretzel besitzt Flächen in Weichs. Wenige Tage, bevor der Kauf einer Eigentumswohnung für Wolbergs Schwiegermutter unterzeichnet wurde, stufte Wolbergs mit seiner Unterschrift ein Tretzel-Grundstück in Weichs zum Hochwasserschutzgebiet. Damit minderte sich Tretzels Vermögen um sieben Millionen Euro.

Tretzel zahlte 50 Prozent an die Mitarbeiter

Tretzels 60 Mitarbeitern zahlte er 50 Prozent des Gewinns aus, allein für das Wohnquartier La Serena 2,5 Millionen Euro an vier leitende Mitarbeiter, die auch zu den Spendern zählten. Dafür erwartete Tretzel aber auch, dass sie sich an seiner Spendentätigkeit beteiligten. Zwei Millionen Euro spendete Tretzel seit 1995 den Angaben seiner Rechtsanwälte zufolge für kulturelle und soziale Zwecke. Das Engagement beim Jahn ist dabei nicht eingerechnet.

Konnte Wolbergs das überhaupt entscheiden?

Über das Areal Nibelungenkaserne entschied nicht Wolbergs, sondern der Stadtrat. Auch eine Wettbewerbsverzerrung ist fraglich. Zwar war bekannt geworden, dass SPD-Fraktionschef Norbert Hartl bei BTT einen Vorentwurf der Neuausschreibung zur Abstimmung gegeben hatte. Aber auch eine Mitbewerberin, das Amberger Werkvolk, das öffentlich schwere Vorwürfe erhoben hatte, hatte Hartl nachweislich gefragt. Mails belegen, dass Hartl auch das Werkvolk fragte.

Staatsanwälte werten Spenden-Versprechen

Zentraler Punkt der Anklage ist, dass die Indizien dafür haben, dass Wolbergs seinen Wahlkampf auf Spendenversprechen Tretzels aufbaute und sich deshalb verschuldete. Die Ermittler glauben, durch die Spenden Tretzels habe Wolbergs in Sachen Nibelungenkaserne gar keine Entscheidung treffen können, die nicht durch die Spenden beeinflusst gewesen sei. Doch die Argumentation hat einen Haken: Die Entscheidung über die Vergabe traf nicht Wolbergs, sondern der Stadtrat.

Geld aus einer Firma in die andere umgeschichtet

Kann man bestechen, wenn man sein Vermögen nicht mindert? Die Staatsanwaltschaft wirft dem Unternehmer vor, 1,2 Millionen Euro in den Jahn nur deshalb transferiert zu haben, weil er damit Wolbergs dazu bewegen wollte, die Nibelungenkaserne bebauen zu dürfen. Tretzel sagt, er schichtete Geld von einer in die andere Firma

Kronzeuge Schlegl nun selbst im Fadenkreuz

In zahlreichen Vorwürfen der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft: Christian Schlegl, der nach seinen Angaben 90.000 Euro von Tretzel erhielt. Angeklagt ist beispielsweise auch ein Sparkassen-Kredit Tretzels, der faktisch eine Verzinsung von 1,17 Prozent aufwies. Doch Tretzels Anwälte zitieren in ihrer Stellungnahme alle Verantwortlichen der Sparkasse, inklusive Vorstand und Verwaltungsratsmitglieder sowie Landrätin Tanja Schweiger, dass Wolbergs keinerlei Einfluss auf den Kredit genommen hatte. Und selbst wenn er gegen den Kredit gestimmt hätte, wäre er überstimmt worden. Sogar ein Konkurrent einer anderen Bank wird zitiert, dass man Tretzel als Kunden wollte.

Tretzel hatte 130 Kilo Gold in einem Depot

Mehr noch: Tretzel hatte offenbar 130 Kilo Gold im Wert von 4,5 Millionen Euro im Sparkassen-Depot. In der Öffentlichkeit wurde immer wieder behauptet, es habe gar keine Sicherungen für den Kredit gegeben.

Selbst Gerber sagt aus, dass das nicht stimmt

Weiterer Punkt, für den die Staatsanwaltschaft ausgerechnet Schlegl als Kronzeugen aufführt: Ein Zusammenhang zwischen der Vergabe Nibelungenkaserne und einer im Oktober 2014 von Tretzel getätigten Kapitalerhöhung beim Jahn wurde lediglich vom CSU-OB-Kandidaten hergestellt. Er sagte aus, dass Norbert Hartl ihm gegenüber den Satz gesagt haben soll, man müsse Tretzel die Nibelungenkaserne „geben“, weil der Jahn Geld brauche. Die Zeugenaussagen von Christian Keller, Johannes Baumeister, Hans Rothammer und selbst die von Rothammer-Erzfeind Franz Gerber sagen etwas anderes.

Parteispenden flossen aus versteuertem Einkommen

Strafbar macht sich, wer als Parteivertreter Spenden erhält und zu deren Verschleierung um gestückelte Spenden bittet oder darum, dass Strohmänner die Zahlungen tätigen. Tretzels Mitarbeiter aber hatten aus versteuertem Einkommen, auf das Sozialabgaben gezahlt wurde, gespendet – aus ihrem Vermögen.

Alle Prüfberichte sagen: Spenden waren korrekt

Landes- und Bundespartei hatten die Spenden der Tretzel-Mitarbeiter nicht gerügt. Auslöser, sich die Spenden genauer anzusehen, war auch zunächst ein Privatkredit Wolbergs an seine eigene Partei. Auch der SPD-Bundesvorstand gibt an, dass die Prüflisten des SPD-Ortsvereins von Wolbergs im Einklang mit den Vorgaben des Parteiengesetzes waren. Auch der Prüfbericht der Kanzlei Dentons Europa LLP vom 31. März 2017 kommt zu dieser Einschätzung, ebenso wie die von der Bundes-SPD beauftragte Kanzlei RSM Altawis.

Alle Artikel zu dem Fall findet man im Dossier zur Spendenaffäre: Link.

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