Landwirte fühlen sich verunglimpft
Passauer Bauern kontra „Wir haben es satt“-Demo

27.01.2018 | Stand 24.07.2023, 16:36 Uhr
−Foto: n/a

Stellungnahme des BBV-Kreisverbandes Passau zur „Wir haben es satt“-Demo, die seit 11 Uhr am heutigen Samstag, 27. Januar, am Klostergarten Passau stattfindet

PASSAU Die heute stattfindende Demo mit dem Titel „Wir haben es satt“, die offensichtlich

unter dem Dach der alljährlichen gleichnamigen Kundgebung zur Grünen Woche stattfindet, hat

uns als Vertreter unserer bäuerlichen Familienbetriebe veranlasst, uns an die Öffentlichkeit zu

wenden. Über 90% unserer Betriebe sind Mitglied im Bayerischen Bauernverband – ihre berechtigten

Interessen gilt es zu vertreten und öffentlich Position zu beziehen.

Grundsätzlich stellt die Vorstandschaft des Bayerischen Bauernverbands Kreisverband Passau in

einer Stellungnahme zur Demo klar: „Wir Landwirte nehmen die gesellschaftlichen Erwartungen

und Kritik ernst, wir sind interessiert an Dialog und bereit zur Weiterentwicklung. Der gesellschaftliche

Rückhalt und die Akzeptanz der Verbraucher für unsere Arbeit auf den Feldern und im Stall

sind uns sehr wichtig!“

Bei der Berliner „Wir haben es satt“-Demonstration kommt es immer wieder zu pauschalen Verunglimpfungen

der Landwirtschaft. Getragen wird die Veranstaltung unter anderem von Organisationen,

die beispielsweise für Stalleinbrüche verantwortlich sind und vor kriminellen Handlungen

nicht zurückschrecken. „Gerade deshalb wollen wir in Passau für unsere bäuerlichen Familienbetriebe

Flagge zeigen“, sagt Hans Koller, der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes im

Kreisverband Passau. „Entlang der Marschroute der Demonstration haben wir daher Plakate aufgestellt,

um so unsere Anliegen und unsere Perspektive innerhalb der Debatte deutlich zu machen

und zum Dialog aufzurufen.“

Die bayerischen Landwirte engagieren sich im enormen Maße für den Umwelt- und Naturschutz:

Jeder zweite Landwirt in Bayern hat sich – freiwillig und über das hohe gesetzlich vorgeschriebene

Niveau hinaus – vertraglich zu besonderen Leistungen für den Umwelt- und Naturschutz verpflichtet.

Jeder dritte Hektar wird in Bayern so gemäß der Agrarumweltmaßnahmen (KULAP und

VNP) bewirtschaftet. Durch die Vorgaben der EU-Agrarpolitik und das „Greening“ legen die Bauern

zudem seit 2015 auf mindestens fünf Prozent ihrer Äcker ökologische Vorrangflächen an.

Dass dieses Engagement wirkt, zeigt sich auch anhand von Zahlen: So sind laut Bayerischem

Artenschutzbericht 80.000 der insgesamt 100.000 in Deutschland heimischen Insektenarten in

Bayern daheim. Darüber hinaus bestätigt das bayerische Umweltministerium in einem aktuellen

Bericht, dass 700.000 Hektar an KULAP-Flächen ganz besonders zur Biodiversität beitragen.

Über das bayerische Vertragsnaturschutzprogramm kommen nochmals rund 80.000 Hektar mit

besonderen Naturschutzmaßnahmen hinzu, wo sich Bauern freiwillig engagieren. „Trotzdem werden

Landwirte in der Öffentlichkeit und insbesondere bei der Demo „Wir haben es satt!“ immer

wieder pauschal als „skrupellose Profitmacher“ hingestellt“, kritisiert Koller. „Ja, wir arbeiten in

und mit der Natur. Das heißt aber auch, dass wir Bauern das größte Interesse daran haben, die

Artenvielfalt in Bayern zu schützen und die wichtigen natürlichen Kreisläufe zu erhalten. Deswegen

setzen wir nur so viel Pflanzenschutzmittel ein wie nötig. Und bei der Zulassung von Wirkstoffen

müssen unabhängige Zulassungs- und Bewertungsbehörden den nötigen Arbeits-,Verbraucher- und

Umweltschutz gewährleisten. Grundlage für Zulassungen und politische Entscheidungen

müssen wissenschaftliche Untersuchungen sein und nicht Emotionen und Falschbehauptungen.“

Doch die Diskussion um den Wirkstoff Glyphosat hat aus Kollers Sicht die sachliche Ebene längst

verlassen. „Es reicht den Namen Glyphosat auszusprechen, damit Leute mit Schimpftiraden auf

einen losgehen. Dabei kann der gezielte Einsatz des Mittels durchaus Vorteile für den Umweltund

Naturschutz bringen. Gerade bodenkonservierende, pfluglose Verfahren im Ackerbau sind

nur durch den Einsatz und die Wirkungsweise von Glyphosat möglich“, sagt Koller. Der Verzicht

auf mechanische Unkrautbeseitigung halbiere den CO2-Ausstoß und reduziere die Bodenerosion

und schützt Bodenlebewesen.

„Aber leider müssen wir feststellen, dass solche Argumente derzeit nicht zählen. Selbst unabhängige

Institute wie das Bundesamt für Risikobewertung (BfR), welches von der grünen Landwirtschaftsministerin

Renate Künast gegründet wurde, werden diskreditiert, - offenbar, weil sie nicht

die Ergebnis liefern, die Glyphosat-Gegner gerne hören würden!“

Die Land- und Forstwirtschaft im Passauer Land ist geprägt von eigentümergeführten bäuerlichen

Familienbetrieben im Voll-, Zu- und Nebenerwerb, mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten

(egal ob biologisch oder konventionell). „Unserer Ansicht nach sind es doch genau diese Strukturen

und diese Vielfalt, die man sich eigentlich wünscht. Unser Ziel ist es, diese Vielfalt zu erhalten

und gerade deshalb fällt es uns auch schwer, die Intensionen hinter der Demonstration in Passau

zu verstehen. So mancher junger Hofnachfolger wird sich auch auf Grund solcher Demos die Frage

stellen, ob man sich ständig solchen Angriffen aussetzen will oder ob man den Hof aufgibt.“

Die Tierhaltung in der Region ist dabei ein Bereich, der über Wohl und Wehe der Bauernhöfe entscheidet.

Drei von vier Bauern im Freistaat halten Tiere, 76 Prozent der Einkommen auf den Bauernhöfen

werden mit der Tierhaltung erwirtschaftet. „Wir gehen verantwortungsvoll mit den Tieren

um, respektieren sie als Lebewesen“, macht Koller deutlich. „Besonders die von den Demonstranten

geforderten höheren Auflagen und der damit verbundene Bürokratieaufwand führen dazu,

dass gerade die kleineren Betriebe aufgeben, weil sie neue Investitionen nicht schultern können

und weil vom Handel trotz höherer Auflagen oft keine höheren Erzeugerpreise gezahlt werden.“

Diese Entwicklung in auch anhand regionaler Zahlen deutlich: Der Viehbesatz pro Hektar geht im

Landkreis Passau schon seit Jahren zurück. „Die Halbwertzeit von geltenden Standards, wird immer

kürzer. Auflagen und Dokumentationspflichten werden stetig mehr. In dieser Situation haben

bereits viele kleinere und mittlere Betriebe ihren Hof aufgegeben Eine Entwicklung, die wir eigentlich

alle nicht wollen!“, sagt Koller. Dies wird auch aus dem dieser Pressemappe beigelegten Grafiken

deutlich, welche der Arbeitsunterlage des AELF Passau zur Kreisberatungsausschusssitzung

entnommen wurde.

Wie jede andere Wirtschaftsbranche verändert sich auch die Landwirtschaft beständig. „Die Bäuerinnen

und Bauern entwickeln ihre Arbeit und den Hof seit Generationen weiter. Die Entwicklungen

der letzten Jahre haben gerade für die Tiere viele Verbesserungen mit sich gebracht“, sagt

Koller. „So haben die Tiere heute im Stall mehr Licht, mehr Platz und ein besseres Klima.“

Auch beim Thema Nitrat im Trinkwasser tue sich etwas. „Untersuchungen aus der Region zeigen,

dass die Werte schon seit Jahrzehnten rückläufig sind. Eine wichtige Grundlage für diese Erfolge

ist die gute Zusammenarbeit der Landwirte mit den Wasserversorgern.“

Die Landwirte im Passauer Land versorgen die Bevölkerung mit hochwertigen heimischen Lebensmitteln

und sind ein wesentlicher Bestandteil der Wertschöpfungskette in unserer Region (z.

B. vom Tierhalter über den Schlachtbetrieb bis hin zum Metzger). „Wir leben und wirtschaften in

den fruchtbarsten Breitengraden unseres Planeten – daraus ergibt sich auch die Verantwortung,

Potentiale im Einklang mit der Natur und unseren Tieren verantwortungsvoll zu nutzen“, sagt Koller.

„Gerne sind wir bereit uns weiterzuentwickeln. Dafür würden wir uns aber wünschen, dass mit

uns und nicht über uns geredet wird! Nötig ist ein sachlicher Dialog und ein Stück weit Orientierung

an der Realität.“

Der Vorstand des Bayerischen Bauernverbands, Kreisverband Passau

Hans Koller Josef Hopper Reinhard Hofmann

Renate Stöckl Sonja Vogl Stefan Hageneder

Passau