Halo Saibold im Interview
„Es reicht! Fast jeder hat Krebskranke in der Familie“

06.12.2017 | Stand 31.07.2023, 15:56 Uhr
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Interview mit Grünen-Gründungsmitglied und Kreisrätin Halo Saibold.

VILSHOFEN Die EU-Kommission hat die Zulassung des äußerst umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels um weitere fünf Jahre verlängert – mit der Zustimmung Deutschlands in Vertretung durch Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Damit stellte er sich gegen den Konsens in seiner Partei und gegen den Willen des überwiegenden Teils der Bürger. Die PaWo sprach mit Grünen-Gründungsmitglied und Kreisrätin Halo Saibold.

Fünf weitere Jahre Glyphosat – was sagen Sie dazu?

Der CSU- und „Monsanto“-Minister Schmidt trägt die Schuld dafür, dass weitere fünf Jahre der Boden vergiftet wird, Pflanzen vernichtet werden, Tiere und nicht zuletzt die Bienen sterben und die Menschen weiterhin mit einer zusätzlichen Krebsgefahr leben müssen.

Schmidt hat sich nicht an die Geschäftsordnung gehalten – wie sehen Sie dieses Verhalten?

Das Interesse der Agrar- und Chemie-Industrie war ihm offensichtlich wichtiger als eine verlässliche und vertrauensvolle Mitarbeit in der noch amtierenden Regierung. Normalerweise wäre es ein Grund zum sofortigen Rausschmiss.

Scheinbar war Seehofer im Vorfeld bereits über Schmidts Zustimmung informiert?

Falls diese Vermutung zutrifft, zeigt dies nur, dass die CSU-Chefetage nicht mehr erkennt, was die Mehrheit der Menschen in unserem Lande will und denkt. Wähler und Wählerinnen gewinnt sie auf diese Art und Weise jedenfalls nicht. „BAYER“ geht offensichtlich vor „Bayern“.

Was wäre passiert, wenn sich Deutschland wie geplant enthalten hätte?

Eigentlich hätte Deutschland aufgrund der bekannten Risiken und Gefahren gegen die Zulassung stimmen müssen, so wie es die Umweltministerin wollte. Dann wäre das Problem ganz vom Tisch gewesen. Dass eine fortschrittliche Landwirtschaft auch ohne Einsatz des Pflanzenkillers möglich ist, beweisen die zunehmend mehr werdenden Bio-Betriebe schon seit Langem. Mit einer Enthaltung in Brüssel wäre die Zulassung weiter blockiert aber noch nicht entschieden gewesen. Jetzt bleibt nur die Hoffnung, dass die neue Bundesregierung von ihrem Recht Gebrauch macht und ein nationales Glyphosat-Verbot erlässt, so wie es jetzt der französische Präsident angekündigt hat.

Wie sind die Stimmen aus der Bevölkerung?

Glaubt man den verschiedensten Meinungsumfragen, dann ist die ganz überwältigende Mehrheit in unserem Land gegen die Zulassung und die weitere Verwendung des Pflanzen- und Umweltgiftes Glyphosat. Die Politik interessiert dies durchaus, aber einige unverbesserliche Chemie-Lobbyisten vor allem in der CSU sind stur und auch im Zweifelsfall nicht bereit, sich für die Gesundheit der Menschen zu entscheiden. Deshalb werden wir am 20. Januar eine Demo organisieren, um dem Unmut auch in Niederbayern Ausdruck zu verleihen!

Wie kann sich Glyphosat auf die Umwelt und unsere Gesundheit auswirken?

Es ist bekannt, dass Glyphosat ein hochgiftiges Totalherbizid ist. Dass es bei Tieren und Menschen Krebs verursachen kann, ist auch bekannt. Und auch wenn ein paar bezahlte Gutachter der chemischen Industrie dies anzweifeln wollen, wäre es allein schon aus Gründen der Vorsorge notwendig gewesen, einer weiteren Zulassung nicht zuzustimmen. Schließlich können wir uns schon jetzt unzähligen Pflanzenschutzmittel-Rückständen und anderen Chemikalien im Essen und in der Luft nicht mehr entziehen – wie all diese Stoffe untereinander wirken, weiß kein Mensch! Aber fast jede und jeder hat jetzt schon Krebskranke in der Familie. Es reicht wirklich!

Passau