Redebedarf
Telefonaktion „Deggendorf hört zu“ trifft ins Schwarze

24.02.2019 | Stand 03.08.2023, 6:38 Uhr
−Foto: n/a

Deggendorfer Aktionsbündnis gegen die Einsamkeit im Alter zieht positive Bilanz.

DEGGENDORF Eine Woche lang haben sie zugehört, getröstet, beraten und auch die ein oder andere Kritik sowie Verbesserungsvorschläge für die Stadt notiert. Es handelt sich um die Zuhörerinnen und Zuhörer der einwöchigen Telefonaktion „Deggendorf hört zu“, die sich zum Ziel gesetzt hatte, einsamen Seniorinnen und Senioren eine Plattform für ein zwangloses, persönliches Gespräch zu bieten. Neben Oberbürgermeister Dr. Christian Moser und seinen Bürgermeisterkollegen Günther Pammer und Hermann Wellner telefonierten auch Monika Huber vom Seniorenbüro, die Vorsitzende des Seniorenbeirats Cornelia Wohlhüter sowie die Mitglieder des Seniorenbeirats Franz Zügner, Herbert Schüßler, Ewald Bayer, Johann Weiß und Herbert Stadler und die ehrenamtliche Zuhörerin des städtischen Elisabethenheims, Anneliese Wagerer, mit älteren Menschen, die Redebedarf hatten, zu ganz unterschiedlichen Themen.

Insgesamt gingen während der Aktionswoche bei der „Hotline gegen die Einsamkeit“ 27 Anrufe ein. Nicht immer handelte es sich dabei um einsame Personen. Vielmehr nutzten einige der Anrufer die Gelegenheit, bei der Stadt Verbesserungen anzuregen, etwa was Einstiegshilfen in den Stadtbus oder die Gestaltung der Busfahrpläne betrifft. Einige erkundigten sich auch nach Gelegenheiten, um wieder mit anderen Senioren ins Gespräch zu kommen. Hier bieten sich etwa die bald stattfindende Seniorenrundfahrt am 28. März oder das alljährliche Seniorenkaffeetrinken an. Die Fragen, die nicht gleich beantwortet werden konnten, wurden festgehalten und werden nun zur Bearbeitung an die Fachstellen der Stadtverwaltung weitergegeben. Bürgermeister Günther Pammer, der selbst drei Telefonate führte, verblüfft die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Anrufe aus Landkreisgemeinden und nicht der Stadt Deggendorf kamen. Dies zeige, dass die Einsamkeitsthematik keine Grenzen kenne, so Pammer.

Im Zentrum der Aktion standen jedoch vor allem die Anrufe von älteren Personen, die über einen langen Zeitraum hinweg kaum soziale Kontakte genossen hatten, und bei denenn sich zwischenzeitlich Redebedarf angestaut hatte. So telefonierte Anneliese Wagerer eineinhalb Stunden mit einer einzigen Seniorin, die ihr ihre Lebensgeschichte mitteilen wollte. Das Ergebnis: Anneliese Wagerer wird mit der Dame eine Biographie wie bei den Bewohnern des Elisabethenheims schreiben. Viele Anrufer äußerten den Wunsch nach Freundschaft, informellen Treffen und niedrigschwelligen gemeinsamen Unternehmungen, etwa ein Kaffeekränzchen für „einfache verwitwete Hausfrauen“. Eine ältere Dame brachte es etwas drastisch dargestellt auf den Punkt: „Wenn ich heim gehe, dann gehe ich wieder in die Hölle der Einsamkeit.“ Eine andere Seniorin berichtet: „Man kennt sich jahrelang, aber die Antenne zum anderen fehlt“. Dies zeigt, wo die eigentliche Problematik liegt: in den zunehmenden Einschränkungen, die das Älterwerden mit sich bringt. Viele ältere Menschen verlieren an Mobilität und Kraft und trauen sich selbst nicht zu, etwas Neues zu beginnen. Große Hemmungen haben die Senioren insbesondere dabei, Gruppen beizutreten, die bereits etabliert sind und wo sie scheinbar keinen Anschluss finden. Hier ist sich das Aktionsbündnis einig: Die Betroffenen seien darin zu bestärken, ihren „inneren Schweinehund“ zu überwinden und sie zum Aufsuchen von Angeboten und Treffen zu bringen. Dies erfordere Geduld und man müsse manchen Senioren über einen längeren Zeitraum gut zureden, weiß Anneliese Wagerer. Die Überwindung sei der Schlüssel und ein erster Schritt aus der Isolation zurück in die Gesellschaft.

Doch gerade hierin sehen die Zuhörerinnen und Zuhörer eine weitere Schwierigkeit: An viele, wirklich einsame Menschen, die man mit der Aktionswoche erreichen wollte, kommt man nicht heran. Sie fürchten sich vor Abweisung und schließen sich selbst in ihrer Trauer ein. Diesen Personenkreis zu erreichen, stellt eine deutliche Herausforderung dar. Im Übrigen sei dies unabhängig vom Alter. Gerade auch junge Menschen seien aufgrund steigender Anonymität in der Stadt vermehrt einsam.

Aus diesem Grund werden die Bestrebungen des Aktionsbündnisses gegen Einsamkeit fortgeführt. „Eine Aktionswoche wie diese machen wir auf jeden Fall noch einmal“, erklärt Oberbürgermeister Dr. Christian Moser. „Vielleicht gehen wir über eine Kampagne auf den sozialen Medien einmal gezielt auf die jüngere Generation ein“, ergänzt er. Deggendorf hat eine Woche lang zugehört. Dass das Angebot auf entsprechende Resonanz gestoßen ist, zeigt, dass durchaus Nachfrage nach dem persönlichen Gespräch besteht. „Darum wird es weitergehen“, schließt der Oberbürgermeister in seinem Fazit.

Deggendorf