Jahresrückblick
Das war 2015 politisch: Gescheiterter BMW-Deal, Posse um OB-Porträt und schwächelnde CSU

09.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:07 Uhr
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2015 politisch – im Spiegel des Regensburger Wochenblattes. Was geschah, wer mit wem stritt – und warum eine Privatsache im Rathaus am Ende doch eine politische Nachricht war.

REGENSBURG Das Jahr 2015 begann mit einer Wirtschafts-Pleite und einem gesellschaftlichen Problem: Die Betreiber-Gesellschaft des ehemaligen Max-Bahr-Baumarktes musste Insolvenz anmelden. Hintergrund war der Umstand, dass mehrere Nutzungen von der Stadt untersagt wurden – und eine Hamburger Bank die Reißleine zog. Bis heute steht die Industrie-Brache, von manchen liebevoll Hans Schaidinger-Gedächtnishalle genannt, leer.

Razzia an der Schule Wie sich der Ton an unseren Schulen verändert, bekamen die Lehrer an der Albert-Schweitzer-Realschule zu spüren. Eine Keilerei eskalierte, wurde in den sozialen Medien verbal fortgesetzt. Die Polizei reagierte umgehend – und ließ bewaffnete Beamte aufmarschieren. „Wir wollten den Schülern zeigen, wer in unserem Land das Gewaltmonopol hat“, sagte ein Polizist. Seither ist es ruhig an der Schule.

Pleite bei BMW-Ansiedlung Eine weitere wirtschaftliche Pleite erlebte der Standort Regensburg – BMW siedelte ein Logistikwerk nicht in Niedertraubling an, sondern in Wallersdorf in Niederbayern. Der Poker zwischen einem Saatzüchter, der sein Land vom Haus Thurn und Taxis gepachtet hatte, und dem Fürstenhaus ging trotz massiver politischer Bemühungen schief. Nun gibt es eben 2.000 Jobs in Niederbayern – und nicht im Landkreis Regensburg.

Rassistischer Flyer? Quark! Die nicht eben an kuriosen Debatten arme Stadt Regensburg hat einen neuerlichen Höhepunkt erreicht: Die RTG veröffentlicht einen Werbeflyer, auf dem ein offensichtlich überforderter Chor den Domspatzen gegenüber steht. „Nichts ist besser, als das Original“, heißt es dazu. Weil im Chor nicht nur ein Schwarzer, sondern auch Mädchen stehen, wird der RTG Rassismus und Frauenfeindlichkeit unterstellt. „So ein Schmarrn“, keilt SPD-Fraktionschef Norbert Hartl zurück. Eingestampft wird der Flyer trotzdem.

Missbrauch aufklären Endlich Aufklärung: Bei den Regensburger Domspatzen weht endlich der Wind der Transparenz. Der neue Bischof sorgt unter anderem dafür, dass die Fakten ans Tageslicht kommen. Ein erster Zwischenbericht macht deutlich, dass die Missbrauch- und Prügel-Skandale keineswegs nur aus grauer Vorzeit stammen: Bis in die 90er-Jahre hinein wurde in der Vorschule in Etterzhausen gezüchtigt. Beim weltberühmten Knabenchor ist man froh, dass man die dunklen Kapitel der Geschichte nicht weiter unter den Teppich kehren muss.

Mietwucher an Ärmsten Teure Mieten sind in Regensburg nichts Besonderes. Besonders ist es aber schon, wenn ausgerechnet mit Rumänen und Bulgaren viel Geld verdient wird. Die Grünen prangern einige Häuser in Regensburg an, in denen für 20 Quadratmeter 400 Euro berappt werden müssen. Als Stromquelle hatte ein Vermieter eine Autobatterie in den Raum gestellt.

GEZ für Flüchtlinge Kurioses geschah auch in einer Unterkunft für Flüchtlinge im März: Der Beitragsservice, besser bekannt als GEZ, schickte eine Rechnung in die Unterkunft am Oberen Wöhrd. Und zwar an 20 Asylbewerber – persönlich gerichtet.

Stadt will Pürkelgut – oder? Millionendeal: Im Zusammenhang mit einer möglichen BMW-Ansiedlung sichert sich die Stadt Regensburg den Kauf des Pürkelguts. Das Wochenblatt veröffentlicht die Details eines „Letters of Intent“. Einen Euro pro Quadratmeter soll das Schloss kosten, doch die Sanierungskosten werden auf bis zu 40 Millionen Euro taxiert. Doch weil der BMW-Deal scheitert, wird auch der Pürkelgut-Deal erst mal auf Eis gelegt. Bis auf Weiteres.

Schaidingers Schlagzeilen Zwar war er seit einem Jahr nicht mehr im Amt, dennoch sorgte Ex-OB Hans Schaidinger immer wieder für Schlagzeilen. So weigert er sich bis heute, einen Posten im Aufsichtsrat der Bayernwerke an seinen Nachfolger Joachim Wolbergs abzutreten. Immerhin kassiert er dafür 12.000 Euro im Jahr. Bei der neuen Rathaus-Koalition, aber auch in seinen eigenen Parteireihen der CSU sorgte er damit für Kopfschütteln. Doch das war nicht die einzige Schlagzeile: Als bekannt wird, dass das Porträt des Ex-OB im Rathaus 30.000 Euro kostet, ist das Entsetzen unter den Steuerzahlern groß – gleichzeitig wird das Bild des Künstlers Jan Peter Tripp zur Lachnummer: In einer Nacht- und Nebel-Aktion verschwindet das fast fertige Gemälde aus dem Magazin des Museums, der Künstler muss nachbessern. Er hatte Schaidinger ohne Krawatte gemalt.

Vorbild: CampusAsyl Bereits Anfang des Jahres beschäftigt auch Regensburg die Flüchtlingskrise. Am Ende des Jahres werden es eine Million Menschen sein, die zu uns kommen. Ein Projekt aus Regensburg zeichnet sich durch besonderes Engagement aus: CampusAsyl ist eine Initiative des Studentenpfarrers Hermann Josef Eckl, viele Stundenten helfen. Das Wochenblatt berichtete groß darüber – am Ende des Jahres erhielt die Initiative einen Preis der deutschen Bischöfe.

CSU: Oppositions-Pleite? Nicht wirklich auf die Beine kommen die beiden Kreisverbände der CSU in Stadt und Land nach dem Wahl-Debakel von 2014. In Regensburg textet das Wochenblatt: „Wann wird Regensburgs CSU endlich zum ernstzunehmenden Wolli-Gegner?“ Befriedet ist die Partei zwar, doch den politischen Weg gefunden hat sie noch nicht ganz. Im Landkreis geschieht das stiller, doch hier sind die Fronten vor allem zwischen den Protagonisten verhärtet. Man wird sehen, wann es für die beiden CSUen in Regensburg Stadt und Land wieder gut läuft.

Dieser Sozi deckt auf Derweil macht im Landkreis ein SPDler von sich reden. Der Wenzenbacher Bürgermeister Sebastian Koch wurde mit 27 ins Rathaus gewählt. Mit mutigen Ansagen zum Thema Flüchtlinge zog er sich den Groll der Ewiggestrigen zu. Gleichzeitig sorgte er für Aufklärung eines Finanzskandals, der nun seinen Vorgänger und den suspendierten Geschäftsführer vor Gericht bringt. Koch agierte sauber und mutig – ohne aber seinen Vorgänger in die Pfanne zu hauen.

Jahnstadion: Luxus? Für riesiges Interesse sorgte das neue Jahnstadion. Der Bund der Steuerzahler kritisierte das Luxus-Stadion für den Viertliga-Verein, worauf OB Joachim Wolbergs ziemlich dünnhäutig reagierte: Der Bund der Steuerzahler sei „für die Katz‘“. Nun ja, das kann man als Steuerzahler anders sehen ...

Söder und Strauß Auf dicke Hose macht Kronprinz Markus Söder bei einem Interview im Regensburger Presseclub. Gleichzeitig gesteht er, dass er als Jugendlicher ein Poster von Franz Josef Strauß in seinem Zimmer hatte. Und weil Söder ein alter Facebooker ist, veröffentlichte er es gleich mal dort – also das Foto von ihm als jungen Mann und FJS. Übrigens übernimmt Söder auch die Walhalla vom Kollegen Ludwig Spaenle (Kultus, Gedöns). Ob er Strauß auch in den Ruhmestempel verhilft?

Nazi-Straße, die keine ist Und noch eine kuriose Meldung aus dem politischen Regensburg: Ein Teil der Ladehofstraße muss umbenannt werden, weil zukünftig die „Anlieferung“ der Häftlinge von dort geschieht. Und weil das angeblich ungute Assoziationen an die dunkle Geschichte des Dritten Reiches wecken könnte, stimmt die Stadt der Umbenennung zu. Zwar hieß die Straße einfach so, weil dort früher der Ladebahnhof war – aber was soll‘s. Man sollte Nazi-Straßen eben umbenennen, selbst wenn sie gar keine sind.

Wollis Frauenaufstand Machtprobe im Rathaus: Eine Amtsleiterin legt mit Unterstützung der Baureferentin eine sogenannte Remonstration ein. Sie hat rechtliche Bedenken, dass OB Joachim Wolbergs einem Investor größere Handelsflächen in die Hand versprochen hat – im Gegenzug wollte der OB einen besseren Lärmschutz. Wolbergs muss zurückziehen. Die Affäre macht deutlich, dass die Verwaltung in Teilen gegen Wolbergs agiert – man wird sehen, ob sich das ändert in 2016.

Mantel des Schweigens Eine politische Nachricht 2015 indes war eigentlich gar nicht politisch: die Trennung des Ehepaars Wolbergs. Tragisch.

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