"Zu laut und egoistisch"
Attaching: Immer Ärger mit dem Nachbarn

05.07.2017 | Stand 26.07.2023, 11:54 Uhr

Rund 400 Gegner der 3. Startbahn demonstrierten am vergangenen Freitag vor der CSU-Zentrale in München. Lautstark mit Trillerpfeifen und Sprechchören. Unter ihnen war auch Ludwig Grüll aus Attaching. Dem beschaulichen Freisinger Stadtteil, der von dem Bau besonders betroffen wäre.

ATTACHING Grüll lebt auf einem idyllischen Hof. Ein großzügiger Garten, farbenfrohe Blumen, unter dem Dach haben sich Schwalben eingenistet. Wie jedes Jahr. Hier lässt sich’s leben. Sollte man meinen. Doch dem 54-jährigen Witwer bereitet sein Nachbar Kopfzerbrechen. „Es gibt zwar ruhigere Nachbarn als den Flughafen, aber bislang konnte ich damit noch leben“, so Grüll, der sich nach dem plötzlichen Herztod seiner Frau mittlerweile alleine um seine Eltern kümmert, die mit im Haus wohnen.

„Schon allein deswegen könnte ich hier nicht weg. Das kann ich meinen Eltern nicht zumuten. Unsere Familie lebt seit Generationen hier am Hof.“ Ludwig Grüll sagt das mit verbitterter Stimme. Sein Hof liegt mitten in dem „Entschädigungsgebiet“, das die Regierung festgelegt hat. Demnach steht dem jeweiligen Hauseigentümer der Marktwert des Anwesens aus dem Jahr 2007 zu. Zur Kasse würde hier die Flughafen München GmbH (FMG) gebeten. Auch dort frohlockt man nicht gerade, ging man doch ursprünglich noch von 35 zu entschädigenden Eigentümern aus. Die Regierung weitete dieses Gebiet auf rund 100 aus. 

„Das treibt die Kosten natürlich in die Höhe. Vorausgesetzt, die Leute wollen diese Entschädigung“, so Robert Wilhelm, Sprecher der FMG. Die jeweiligen Betroffenen müssten sich in diesem Falle selbst bei der FMG melden, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Die FMG selbst jedoch sei nicht verpflichtet, den Kontakt zu den Betroffenen zu suchen.

„Die brauchen sich auch gar nicht melden. Ich bleibe hier“, sagt Ludwig Grüll. Ebenso wie die ganzen anderen eingefleischten Attachinger, die der 3. Startbahn den Kampf angesagt haben. Grüll betont: „Wir haben nichts gegen den Flughafen. Ich bin selbst schon oft genug geflogen und geh’ ab und zu im Airbräu drüben ein Bier trinken, aber die 3. Startbahn braucht kein Mensch, und auch die FMG nicht!“ Enttäuscht ist der 54-Jährige aber nicht nur vom Flughafenbetreiber, sondern auch von den Politikern des Freistaats. „Wieso die CSU noch so heißt, bleibt deren Rätsel. Das, was sie vertreten, ist weder christlich noch sozial“, poltert Grüll.

Drei Monate läuft die Frist noch, bis das Urteil endgültig rechtskräftig wird. Bis dahin wollen Grüll und die anderen Attachinger alles versuchen, um das drohende Unheil doch noch abzuwenden. 

Für sie gehe es dabei um eine andere Motivation, als im Fall Stuttgart 21. „Für die geht es um ein paar Bäume und viel Geld. Für uns geht es um unsere Heimat und unser Leben“, sagt Grüll und schaut hinauf zu den Schwalben unter seinem Dach: „Die sind auch jedes Jahr da und machen mir viel Arbeit. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, und ihnen ihre Heimat wegnehmen.“

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