Dreieinhalb Jahre Jugendstrafe für Überfälle in Moosburg und Altdorf
Tankstellenräuber (21) kein Fall für Unterbringung

11.07.2017 | Stand 25.07.2023, 1:47 Uhr
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte einen symptomatischen Zusammenhang zwischen der Alkohol- und (vermeintlichen) Drogenabhängigkeit bei dem an zwei Tankstellenüberfällen beteiligten Azubi nicht ausgeschlossen und deshalb das Urteil der Jugendkammer des Landgerichts Landshut aufgehoben.

LANDSHUT / MOOSBURG Bei der Neuauflage blieb es dabei: Der inzwischen 21-Jährige aus Neufahrn (Lkr. Landshut) muss noch für dreieinhalb Jahre in eine Jugendstrafanstalt, die von ihm angestrebte Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde ihm verwehrt.

Der Azubi war im Juni letzten Jahres wegen einer versuchten und einer vollendeten schweren räuberischen Erpressung zu einer Jugendeinheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt worden. Einbezogen in das Strafmaß wurden damals 20 Monate Jugendstrafe, die er sich bei vorausgegangenen acht Verurteilungen u.a. wegen Diebstahls, Verkehrsdelikten und Körperverletzung eingehandelt hatte. Sein Mittäter bei den Tankstellenüberfällen, ein 23-jähriger Einzelhandelskaufmann aus Ergoldsbach, war zu vier Jahren und acht Monaten verurteilt worden.

Verteidiger Michael Dietl war für den 21-Jährigen in die Revision gegangen. Der 1. Strafsenat des BGH bestätigte zwar den Schuldspruch, hob aber das UÍrteil im Rechtsfolgenausspruch mit der eingangs geschilderten Begründung auf.

Der damals 20-Jährige war am 20. Januar gegen 1.07 Uhr zusammen mit dem Einzelhandelskaufmann zur ARAL-Tankstelle in der Landshuter Straße in Moosburg gefahren, hatte dann allein den Verkaufsraum aufgesucht und die Kassiererin umgehend mit der „Mitteilung” konfrontiert, dass es sich um einen Überfall handle. Dabei zielte er mit einer ungeladenen Gaspistole der Marke Browning, die er da noch in einer Plastiktüte versteckt vorhielt, auf die Kassiererin.

Allerdings hatte er offensichtlich nicht mit deren Courage gerechnet; denn anstatt wie gefordert die Kasse zu öffnen und ihm das Bargeld zu übergeben, flüchtete sie. Der 20-Jährige machte sich dann auch schleunigst davon und stieg in den silbernen Audi A3, in dem sein Kumpan in diesem Fall Schmiere „gesessen” hatte.

Knapp eineinhalb Stunden später fuhr das Duo an der OMV-Tankstelle in der Äußeren Parkstraße in Altdorf vor. Während der Kaufmann wieder im Auto sitzen blieb, begab sich der jüngere Komplize wieder in den Verkaufsraum, zielte mit der nach wie vor ungeladenen Gaspistole auf die Kassiererin und forderte von der: „Das Geld her, und zwar schnell.” Tatsächlich öffnete die die Kasse, packte die 633,74 Euro Bargeld in die ihr vom Räuber übergebene Plastiktüte, der daraufhin gemeinsam mit seinem Kumpan flüchtete.

Die Freude an der Beute währte allerdings nicht lange: Das Duo konnte nach diversen Zeugenhinweisen, akribischer Ermittlungsarbeit und kriminaltaktischen Maßnahmen bereits in den Morgenstunden des 28. Januar festgenommen werden. Vor der Jugendkammer hatte das Duo umfassende Geständnisse abgelegt.

Der Azubi berichtete, dass er nach seiner Entlassung aus der Jugendstrafanstalt Laufen u.a. wegen Gerichtskosten in großen finanziellen Schwierigkeiten gewesen sei, Schulden von rund 3.000 Euro gehabt habe. Er habe zwar 1.300 Euro mit ehrlicher Arbeit verdient, für Discobesuche, Alkohol und Drogen sei aber das meiste Geld draufgegangen.

Als er dann kurz vor den Überfällen nach der Rückkehr von seinem Arbeitsplatz von seinem Vater erfahren habe, dass der Gerichtsvollzieher vor der Tür gestanden habe, habe er keinen Ausweg mehr gesehen: „Ich wollte nicht schon wieder eingesperrt werden.” Da habe er mit seinem Freund den Überfall auf die Moosburger Tankstelle ausbaldowert.

Allerdings habe der Coup wegen der Flucht der Kassierin nicht so geklappt, wie es geplant gewesen sei. „Dann war es eh schon egal und wir sind auf die Idee gekommen, es in Altdorf noch einmal zu probieren.” Auf Nachfrage bestätigte der 21-Jährige, dass es in erster Linie die Schulden und weniger die Ausgaben für Alkohol und Drogen gewesen seien, die ihn zu den Überfällen veranlasst hätten.

Der psychiatrische Sachverständige Dr. Bernd Weigel bescheinigte dem Azubi, der vor der Tat rund acht Bier konsumiert haben wollte, eine Alkoholabhängigkeit und schloss einen möglichen Drogenmissbrauch nicht aus. Nach der Schilderung der Zeugen habe zur Tatzeit lediglich ein leichter Rauschzustand vorgelegen, seine Schuldfähigkeit sei damit nicht beeinträchtigt gewesen. Außerdem bescheinigte der Gutachter dem 21-Jährigen eine fehlende Therapiemotivation. Dem widersprach der Azubi: „Ich will meine Ausbildung und die Therapie machen, weil ich Angst habe, dass es zu Rückfällen in Sachen Alkohol und dann zu neuen Straftaten kommt.”

Die als Jugendkammer tagende 1. Strafkammer des Landgerichts verringerte zwar das Strafmaß auf dreieinhalb Jahre, sah aber von der Anordnung des 21-Jährigen in einer Entziehungsanstalt ab. Das niedrigere Strafmaß, so Vorsitzender Richter Markus Kring, resultiere daraus, dass der Azubi inzwischen bereits 20 Monate der Jugendeinheitsstrafe verbüßt habe und wegen des Verschlechterungsverbots deshalb keine höhere Jugendstrafe möglich gewesen sei.

Die Anordnung der Unterbringung sei nicht möglich gewesen, weil es am symptomatischen Zusammenhang zwischen den Taten und seinem Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch fehle. Der BGH sei noch davon ausgegangen, dass der 21-Jährige sein Geld für teuere Drogen ausgegeben habe, das habe sich nicht bestätigt. Die Schulden hätten aus anderen Ausgaben resultiert und dabei habe auch sein Alkoholkonsum kaum eine Rolle gespielt.

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