Rentner Josef W. (80) widerlegt
Prozess um versuchten Mord – „Alibi“ zerpflückt

07.02.2018 | Stand 20.07.2023, 17:11 Uhr
−Foto: Foto: Jürgen Unterhauser

Er habe von dem brutalen Überfall auf seine Ehefrau (69) nichts mitbekommen, vor dem Fernseher geschlafen, hatte sich der 80-jährige Rentner Josef W. aus Pilsting zum Prozessauftakt vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht Landshut, wo ihm versuchter Mord vorgeworfen wurde, verteidigt. Sein „Alibi“ wurde allerdings am zweiten Verhandlungstag im Rahmen der Beweisaufnahme durch diverse Zeugenaussagen zerpflückt.

PILSTING Wie zum Prozessauftakt berichtet, hatte der Rentner auch nach der Scheidung noch mit seiner Ehefrau und seiner Tochter (41) in einer Wohnungseigentümergemeinschaft in einem Anwesen in Pilsting gewohnt - er im Kellergeschoss. Das Verhältnis zwischen dem 80-Jährigen auf der einen und seiner Ex-Frau und Tochter auf der anderen Seite war aber seit Jahren vor allem wegen finanzieller Differenzen extrem zerrüttet und von verbalen sowie körperlichen Übergriffen des Rentner geprägt. Deshalb wurde er auch 2016 wegen Körperverletzung und Beleidigung strafrechtlich verurteilt, daneben gab es auch laufend Zivilprozesse.

Laut der von Staatsanwältin Sigrid Kolano vertretenen Anklage eskalierte die Situation am 7. und 8. März vergangenen Jahres, als wegen einer Schmerzensgeldforderung der 69-Jährigen die Pfändung des Autos des Rentners im Raum stand. Der 80-Jährige soll am Abend des 8. März seine Ex abgepasst haben, als sie gegen 19.30 Uhr von ihrer Arbeit in einem Altheim nach Hause kam und völlig überraschend mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 25 Zentimetern auf die völlig arg- und wehrlose 69-Jährige eingestochen und sie mit Fäusten und Fußtritten traktiert haben. Als sie bereits auf dem Boden gelegen habe, so die Anklage, habe er noch weiter mit „Stampftritten“ auf ihren Kopf und Körper eingetreten.

Die Tochter habe die Schwerverletzte erst gegen 21 Uhr in einer Blutlache liegend, aufgefunden. Die Ärzte des Isar-Amper-Klinikums konnten zwar mit mehreren Operationen das Leben der 69-Jährigen retten. Nach bisherigem Stand bleibt sie allerdings für den Rest ihres Lebens ein Intensivpflegefall, kann weder sprechen noch sich bewegen und muss u.a. durch eine Magensonde ernährt werden.

Der für sein Alter erstaunlich vitale und redegewandte Rentner hatte zum Prozessauftakt nicht nur den Anklagevorwurf zurückgewiesen („Ich bin vor dem Fernseher eingeschlafen und erst durch Schreie vor dem Haus geweckt worden“), sondern gleich auch mögliche Alternativtäter geliefert: Seine Ex-Frau, die früher einmal Kontakte zum Rotlichtmilieu gehabt haben soll, habe vor dem Überfall mehrfach Besuch von zwei Männern bekommen …

Im Rahmen der Beweisaufnahme am zweiten Verhandlungstag bestätigte die Tochter, eine Pilstinger Kauffrau, dass es zwischen den Eltern schon jahrelang eine Art Rosenkrieg und Streit vor allem um das Anwesen gegeben habe, wobei der Vater zeitweise äußerst aggressiv geworden sei. „Wir haben versucht, ihm aus dem Weg zu gehen, meine Mutter hat alles eher erduldet und versucht, Konflikte zu vermeiden.“

An besagtem Abend sei ihr aufgefallen, dass zwar das Auto der Mutter vor dem Haus stehe, sie aber nicht in der Wohnung sei. Sie habe sich auf die Suche gemacht und dann vor dem Haus „komische Geräusche, wie ein Schnarchen oder Röcheln gehört.“ Schließlich habe sie vor der Garage jemand liegen sehen: Die regungslose Mutter. Bereits damit widersprach sie ihrem Vater, der Blutflecken auf seiner Kleidung damit erklärt hatte, dass er aufgrund der Schreie ins Freie geeilt sei und dort seine am Boden liegende Ex-Frau noch Handbewegungen gemacht und so „Blutschleuderspuren“ auf seine Hose gelangt seien.

Die Tochter berichtete weiter, dass sie versucht habe, ihre Mutter aufzurichten, dabei das Messer entdeckt und danach die Mutter in eine stabile Seitenlage gebracht habe. Danach sei sie ins Haus zurück, habe einen Notruf abgesetzt und einen Nachbarn angerufen, um Hilfe gebeten.

Danach sei sie zurück zur Mutter und habe dabei ihren Vater gesehen, der in seiner Küche am Tisch gesessen und offenbar etwas gelesen habe. Sie habe ihn angeschrien: „Du Drecksau, was hast du mit meiner Mama gemacht!“ Er sei dann kurz vors Haus gekommen, habe sich aber gleich wieder mit der Bemerkung, dass „ihn das nichts angehe und er das nicht war“, zurück in seine Wohnung begeben. Ihre Mutter, so die 41-Jährige, habe in den Wochen vorher weder regelmäßig Besuch von zwei Männern bekommen, noch habe sie einen Freund oder gar eine neue Liebesbeziehung gehabt. Auch auf die Frage von Verteidiger Michael Haizmann, ob sie ihren Vater hasse, verneinte sie nachdrücklich. Allerdings, so räumte sie ein, ihre kleine Tochter habe nie erfahren, wer da unten lebe. Für sie sei der Großvater immer nur der „Kellermann“ gewesen.

Die Ermittler der Kripo berichteten, dass der 80-Jährige von Anfang an die Tat bestritten, den „Rosenkrieg“ aber bestätigt habe. Dabei habe er auffallend immer wieder nur von „der Frau“ geredet und auch bei einer seiner Vernehmungen nachgefragt: „Wie geht’s denn der Frau?“ Der von der Tochter zu Hilfe gerufene Nachbar bestätigte, dass sich die 69-Jährige bei seinem Eintreffen nicht mehr bewegt, nur geröchelt habe. Die Geschichte von den angeblichen mysteriösen Besuchern der 69-Jährigen widerlegte auch er: Parkende fremde Autos habe er nie wahrgenommen.

Der Prozess wird am 21. Februar fortgesetzt.

Dingolfing-Landau