Eine ganz besondere Baustelle:
Burgruine Karlstein wird für 300.000 Euro saniert

06.07.2017 | Stand 13.09.2023, 4:05 Uhr
Hans Eder

Die Ruine Karlstein ist zusammen mit ihrem unmittelbaren Nachbarn, dem St.-Pankraz-Kirchlein, ein jahrhundertealtes Wahrzeichen des Bad Reichenhaller Ortsteiles Karlstein.

BAD REICHENHALL Wer immer daran vorbei fährt, der wird beeindruckt sein von den beiden altehrwürdigen Gebäuden hoch über der Straße auf ihrem zweigeteilten Felsen. Dabei ist die Burg schon seit Jahrhunderten eine Ruine, vermittelt aber nach wie vor den imposanten Nachhall herrschaftlichen Zeiten. Jetzt aber ist ihr Zustand so bedenklich geworden, dass die dafür zuständigen Staatsforsten handeln mussten: Etliche hunderttausend Euro werden für die absolut notwendigen Befestigungen und Sanierungen investiert, damit die Ruine auch die nächsten paar Jahrzehnte überdauert.

Denn der Zahn der Zeit hat gar arg an diesem eindrucksvollen Überbleibsel vergangener Zeiten genagt. Was auch nicht weiter erstaunlich ist: Schließlich ist diese einst repräsentative Bauwerk schon über 800 Jahre alt, schon seit Ende des 17. Jahrhunderts nicht mehr bewohnt. Nun haben es die Bayerischen Staatsforsten übernommen, dem weiteren Verfall Einhalt zu bieten. Diese haben als als Nachfolger der einstigen Forstverwaltungen Gebäude wie diese „geerbt“ und kümmern sich nun auch um deren Erhalt. Regional dafür verantwortlich ist der Forstbetrieb Berchtesgaden, und der zuständige Mann dafür ist stellvertretender Leiter Peter Renoth.

Bei einer Führung durch das nur auf steilen Wegen und über eine Treppe erreichbare Monument vergangener Fürstenherrlichkeit eröffnet sich eine Baustelle besonderer Art: traumhafte Aussicht auf die umliegenden Berge, extrem gewöhnungsbedürftiges „Rumturnen“ auf Gerüsten über steilen Abgründen, Eintauchen in die geschichtsträchtigen alten Gemäuer – und dazu all die kleineren und größeren „Baustellen“ vom Ausfugen der Mauersteine bis hin zum Zumauern eines gut sechs Quadratmeter großen Lochs in einer der Außenmauern.

Dieses Loch war letztlich auch der Auslöser dafür, dass die Renovierung angepackt wurde. Dabei war dieses trotz seiner Größe kaum zu sehen, weil nur die äußere Schale des zweischaligen Mauerwerks herausgebrochen war. Als der Schaden entdeckt wurde, ging man von einer einfachen Reparatur aus – wobei an der Baustelle nichts wirklich einfach ist. 60 000 Euro wurden dafür veranschlagt. Aber sehr schnell ergab sich dann die Notwendigkeit, wesentlich mehr zu machen.

Da es zur Burg nur den steilen Fußweg gibt, war der An- und Abtransport von Material eine logistische Herausforderung. Einen Weg bis zu dem Felsen zu bauen, auf dem die Burg sitzt, war aus denkmal- und naturschützerischen Gründen nicht machbar, außerdem wäre auch dafür ein zusätzlicher Lastenaufzug notwendig gewesen. So entschied man sich trotz hoher Kosten für den Hubschrauber als Transportmittel.

Da war generalstabsmäßige Planung notwendig. Der Hubschrauber sollte, um Zeit und Kosten zu sparen, sowohl beim Hin- wie beim Rückflug optimal ausgelastet sein. Also wurde genau die Kapazität berechnet, damit er immer mit maximalem Gewicht unterwegs war. Das heißt, er nahm beim Anflug auf die Burg die notwendigen Baumaterialen mit. Und auf dem Rückflug wurde damit das Holz abtransportiert, das auf und um die Burg geschnitten worden war.

In exakt 88 Flugminuten, wie Peter Renoth berichtet, war die erste Transportwelle abgeschlossen. Denn sogar Wasser musste anfangs hinaufgeflogen werden, ehe dann – wegen des hohen Bedarfs – von der Feuerwehr eine Schlauchleitung gelegt wurde, so dass von einem Tanklöschfahrzeug aus jederzeit Wasser nachgereicht werden konnte. Zwischenzeitlich war der Hubschrauber noch weitere Male im Einsatz. Und im Laufe der im Optimalerfall bis Ende Oktober dauernden Bauarbeiten wird der Hubschrauber wohl noch ein paar Mal unterwegs sein.

Arbeit über Abgrund

Für diese Baustelle muss man schwindelfrei sein. Die waghalsigen Arbeiten begannen damit, dass die Burganlage erst einmal von Bewuchs freigeschnitten werden musste. Diese Aufgabe übernahmen Industriekletterer, die sich über die Burgmauer abseilten und Bäumchen und Sträucher um die Mauern herum beseitigten. Gleichzeitig wurde auch im Burghof an alles weggeschnitten, was die Bausubstanz in Mitleidenschaft gezogen hat beziehungsweise noch ziehen könnte.

Die Bauarbeiter der Firma Grassl aus Ramsau standen vor einer ganzen Reihe an Herausforderungen. Sie mussten zum einen das alte Mauerwerk im Innenbereich soweit als möglich vom Bewuchs befreien, was weitgehend per Dampfstrahler geschah. Zum zweiten musste das große Loch an der Außenwand zugemacht werden, was von dem Gerüst direkt über dem Abgrund aus nicht jedermanns Sache ist.

Des weiteren müssen die Fugen - nachdem sie erst einmal von kleinen Pflänzchen und von altem Mörtel befreit waren - neu verputzt werden. Dafür ist zusammen mit dem Landesamt für Denkmalspflege ein spezieller Mörtel entwickelt worden, der farblich passt und der auch für den notwendigen Feuchtigkeitsaustausch geeignet ist. Viertens schließlich ist auf allen Mauern noch eine Mörtelschicht anzubringen beziehungsweise auszubessern, damit zumindest von oben keine Feuchtigkeit mehr in die alten Mauern eindringen kann.

Das alles soll noch in diesem Jahr, also bis es anfängt zu frieren, abgeschlossen werden – schon eine gewaltige zeitliche Herausforderung. Denn schnell gehen all diese Arbeiten nicht. Da ist Gefühl und Sorgfalt notwendig – Eigenschaften, die den Fachleuten der auf solche denkmalschützerischen Bauten spezialisierten Firma durchaus zuzutrauen sind.

Christian Sieger ist einer von ihnen. Er ist natürlich schwindelfrei, lässt sich von seinem Arbeitsplatz in schwindelnder Höhe nicht aus der Ruhe bringen. Er findet diese Arbeit sogar wesentlich schöner als bei einem gewöhnlichen Neubau mitzumachen. Steinmauern zu bauen oder auszubessern: „Das können heute nicht mehr viele“, sagt er und hat damit bestimmt Recht. Das althergebrachte Wissen ist weitgehend verloren gegangen.

Los gegangen sind die Arbeiten am Anfang Juli. Der erste Teil der Arbeit betraf die Wand im Westen der Burganlage. Danach ging es weiter zum Eingangsbereich der Burg mitsamt den Resten jener Mauern, die einst die Burgkapelle umschlossen. Und schließlich wird man sich auch noch dem am besten erhaltenen Gebäudeteil, dem Bergfried, widmen.

Zum Abschluss werden die hölzernen Fensterstürze, die schon recht morsch sind, durch Eichenhölzer ersetzt. Das Geländer an den Stellen, wo es keine Mauer mehr gibt, wird erneuert. Und ganz zum Schluss – möglicherweise auch erst im kommenden Frühjahr – wird der Weg zur Burg, der seit längerem gesperrt ist, wieder hergerichtet, damit die Öffentlichkeit wieder Zugang zum Baudenkmal hat.

Die Burg war ja über lange Zeit hinweg ein beliebter Treffpunkt für viele, die da oben ihre Feten feierten, ihre Lagerfeuer abbrannten, es sich dort gut gehen ließen. Das ging dann sogar so weit, dass die Stadt Bad Reichenhall am Fuße des Wegs zur Burg Holz lagerte, damit nicht oben auf der Burg, alles was nur irgendwie brennbar schien, verfeuert wurde. Eine gefährliche Stelle entlang des Weges ist schon vor Beginn der eigentlichen Bauarbeiten entschärft worden. Ein mehrere Meter hoher Felsblock zeigte Risse zur Wand hin. Die Untersuchungen ergaben, dass ein Herausbrechen des Blocks nicht ausgeschlossen werden konnte. Daraufhin wurde der Block „angeschraubt“.

Das war auch eine durchaus aufwendige Arbeit: Durch gut einen Meter dicken Felsen wurde ein Loch gebohrt und dann noch rund drei Meter weiter in den gewachsenen Felsen hinein. In dieses Loch steckte man so genannte Bohranker, hohle Metallrohre, in die dann mit hohem Druck Beton hineingespritzt wurde. Dadurch ist der Felsblock jetzt über sieben solcher Anker fest mit der Felswand verschraubt, so dass man davon ausgehen kann, dass er an Ort und Stelle bleiben wird.

Ähnliches hofft man nun auch für die Burgruine, vor allem für die stark beschädigte Westmauer. Nachdem sich beim Gerüstbau der Mauerausplatzer als weitaus größer als sichtbar herausgestellt hatte und zudem noch eine weitere große Ausbauchung zum Vorschein gekommen war, wäre dieser Teil wohl im kommenden Winter eingestürzt - mit der Folge, dass die gesamte Burgmauer in diesem Bereich gefährdet gewesen wäre. „Wir haben die Burg sozusagen rechtzeitig noch erwischt“, stellt stellvertretender Betriebsleiter Renoth zum Abschluss zufrieden fest.

Berchtesgadener Land