Kraftprotz
Zurück zur Natur: Wenn der „Woid Woife“ auf den Bergmolch wartet

11.07.2017 | Stand 19.07.2023, 11:19 Uhr
−Foto: n/a

Wolfgang Schreil: Ein Naturbursche der besonderen Art.

BODENMAIS Wer Lebenswege nachzeichnet, muss mit dem Bleistift schon mal extreme Kurven fahren. Auch der Weg von Wolfgang Schreil aus Bodenmais scheint recht wirr verlaufen zu sein – aber vielleicht nur auf den ersten Blick. Sein heutiges Leben verdankt er einer Reihe von Zufällen – und so kurvenreich die Strecke bislang auch war, es ergibt letztlich doch alles einen Sinn. Ein ganz besonderes Buch gibt es seit wenigen Tagen von ihm, eines, das eine enorme mediale Aufmerksamkeit erfährt: „Zurück zur Natur“ ist ein Plädoyer für ein einfaches Leben im Einklang mit der Natur.

Zurück zum Lebensweg des Wolfgang Schreil: Mit 14 Jahren saß er vor dem Fernseher und sah einen Film mit Jean-Claude van Damme. „Ich war so fasziniert, dass ich gesagt habe: Ich will auch so sein. Also ging ich ins Fitnessstudio zum Bodybuilding.“ Das war schön und gut, „aber ich hatte zwar Muskeln, aber nicht die Kraft, die ich mir vorgestellt habe“, erzählt Schreil. Also begann er mit dem Steinheben – die Kraft wuchs, die Erfolge kamen schnell. Er zählte zu den stärksten Männern Deutschlands, war Deutscher Meister im Steinheben, zog Lastwagen, hob Baggerschaufeln, machte bei allen einschlägigen Wettbewerben mit. Dann, eines Tages in Fulda, Deutschlandcup der stärksten Männer Deutschlands. „Ich habe mich noch nie so fremd gefühlt wie dort“, erzählt er. „Ich habe lauter Gockel herumlaufen sehen, die vor Kraft kaum gehen konnten. So will ich nicht sein, habe ich mir gedacht. Doch als ich mich im Spiegel gesehen habe, wusste ich: Ich bin genau der gleiche Gockel.“

Wolfgang Schreil war ein Suchender, der Erfüllung wollte. Irgendwie war alles nicht richtig, und irgendwie war nichts falsch: „Alles gehört zu meinem Leben, nur so will ich es nicht mehr haben“, sagt er heute. Am Ende der Suche fand er das, was er schon von klein auf als sein Element kannte: den Wald. „Es war wirklich eine einfache Entscheidung: Ich war schon als Kind gerne im Wald, das habe ich wiederentdeckt.“

Aus Wolfgang Schreil wurde der Woid Woife. Aus dem Kraftprotz wurde der stille Genießer, der im Wald all das aufnimmt, was er als sein Lebenselixier betrachtet: Ruhe, die Beobachtung, die Zeit.

Als er gegen den Bau einer Gondelbahn auf seinen Hausberg protestieren wollte, stellte er fest: Du brauchst Beweise, dass dort Natur unwiederbringlich zerstört wird. „Also bin ich losgezogen und habe mir einen Fotoapparat gekauft. Ich hatte keine Ahnung von Fotografie, habe heute eigentlich noch keine“, sagt er. Im Wald fotografierte er alles, was vor seine Linse kam – und das wurde immer mehr – um es in Facebook zu posten. Der Woid Woife wurde langsam bekannt.

Heute weiß er, wie man sich einem Tier nähert. Besser gesagt weiß er, dass das Tier sich ihm nähern muss, um es schön fotografieren zu können. Womit der Bergmolch ins Spiel kommt. So einen hat er kürzlich gesehen, wie er über den Waldweg huschte. „Ich wusste, wo er hinwill: zum Wasser. Also bin ich da hin, um schon vorher da zu sein. Ich wollte ihn fotografieren, wie er reinspringt“, erzählt der Woid Woife.

Also legte er sich auf den Bauch, ins weiche Moos. Und wartete. „Dabei stellte ich schnell fest, dass so direkt neben dem Bach das Moos sehr feucht ist“, lächelt er. Egal, der Woid Woife bleibt liegen, weil wenn er etwas macht, dann richtig. Und wenn er das Foto vom Bergmolch will, dann wird eben in der Nässe gewartet.

Als er heimkam, fragte ihn seine Frau: „Was hast du denn gemacht?“ Seine Antwort: „Auf den Bergmolch gewartet.“ Mehr gibt es da nicht zu reden, „denn sie weiß mittlerweile, es macht keinen Sinn näher nachzufragen.“

So findet der Woid Woife immer mehr zurück zur Natur, lernt den Respekt für das Einfache und er lernt es, trotz seiner körperlichen Fülle, sich inmitten der Natur ganz klein zu machen. Er fotografiert, postet in Facebook – und ist auf einmal nicht mehr nur bekannt, sondern vor allem interessant.

So interessant, dass ihn eines Tages der blv-Verlag aus München kontaktiert. Er solle ein Buch für sie schreiben, „es hieß, sie wollten etwas unter dem Motto .clever nature‘ “, erzählt er.

Mit „clever nature“ kann der Woife zwar nichts anfangen, aber ein Buch in diesem Verlag: Da konnte er nicht Nein sagen. Herausgekommen ist „Zurück zur Natur“, in dem es in erster Linie darum geht, den Einklang mit der Natur wiederzufinden. Der Woid Woife hat diesen Einklang längst gefunden. Und sein Lebensweg machte eine Biegung, die er so am allerwenigsten erwartete: Je mehr er sich in den Wald zurückzog, je mehr Abstand er zu seinen Pokalen und der Selbstdarstellung über die Kraft gewann – um so mehr rückte er in den Mittelpunkt des Interesses. Süddeutsche, FAZ, Bild am Sonntag, Neue Züricher Zeitung, Bayerisches Fernsehen, die ARD – alle klopften sie schon bei ihm an, um über ihn zu berichten. Über den Wolfgang Schreil, der als Woid Woife heute so etwas wie das Aushängeschild des einfachen Lebens inmitten der Natur geworden ist.

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