Größter Betrugsskandal der Region
Wahnsinn: Anleger des Burghauser Finanzbetrügers Jürgen S. fordern 74 Millionen Euro

08.07.2017 | Stand 02.08.2023, 4:59 Uhr
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Lediglich 6,8 Millionen sind noch übrig. Jürgen S. führte ein Leben im Luxus. Viele Anleger stehen jetzt vor den Ruinen ihrer Existenz

BURGHAUSEN Neue Informationen zum wohl größten Anlagebetrug der Region und weit darüber hinaus:

Nach Informationen von Rechtsanwalt André Haider von der Burghauser Kanzlei Dr. Starflinger & Coll., hat der so genannte „Prüfungstermin“ am 24. Juni vor dem Amtsgericht Coburg interessante Fakten erbracht. Hier erstattete der Insolvenzverwalter Bericht über die bisherigen Erkenntnisse.

Demnach startete der Burghauser Jürgen S. 1996 mit einer Vermögensverwaltungsfirma und kassierte von 783 Anlegern rund 39,3 Millionen Euro. Tatsächlich legte er das Geld anfangs an, nämlich in Wertpapieren im Rohstoffbereich. Drei Jahre später musste er jedoch feststellen, dass diese Kapitalanlagen aufgrund fehlerhafter Anlagestrategien Verluste erwirtschafteten.

Schneeballsystem startete 1999/2000

Ende des Jahres 1999/anfang 2000 startete der Finanzjongleur dann sein Schneeballsystem. Das bedeutet, dass er das Kapital nicht mehr anlegte, sondern durch das Geld immer neuer Anleger die fiktiven Zinsen bezahlte und natürlich seinen eigenen Lebensunterhalt bestritt. Der Finanzjongleur leistete sich von dem Geld seiner Anleger einen luxuriösen Lebensstil.

Weihnachtsgeschenk an die Ehefrau für 120.000 Euro

So kaufte er seiner Ehefrau beispielsweise als Weihnachtsgeschenk ein Bild für 120.000 Euro. Die Villa in Braunau, die offiziell seiner Gattin gehört, hat 400 Quadratmeter Wohnfläche und steht auf einem 2.000-Quadratmeter-Grundstück. Die Innenausstattung muss vom „Feinsten“ sein, denn an ein Einrichtungshaus soll S. mehr als drei Millionen Euro bezahlt haben. Geschäftsführer des Einrichtungshauses ist der Schwager des Anlagebetrügers.

Der Insolvenzverwalter prüft derzeit den Kauf einer Immobilie in Italien (Wert ca. 800.000 Euro) sowie einen Autokauf für die Tochter von Jürgen S. Ebenso werden Unterhaltszahlungen an die Gattin durchleuchtet.

Das Kartenhaus des Burghausers brach zusammen, als 2013 die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen Ermittlungen gegen ihn aufnahm. Es wurden Konten eingefroren und der Finanzjongleur konnte seine Anleger nicht mehr bezahlen. In die Enge getrieben, erstattete der Anlagebetrüger am 23. August 2013 Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft. Gegen ihn wird derzeit bei der Staatsanwaltschaft München II ermittelt.

Inzwischen hat Jürgen S. wieder einen Job gefunden: Seit Januar 2014 ist er bei einem Vertriebsunternehmen für gehobene Landhausmode im Marketingbereich tätig.

Seine Schulden wird er mit dem Verdienst sicher nicht tilgen können. Die Zahlen lassen jeden Normalsterblichen den Kopf schütteln: Nach dem derzeitigen Bericht des Insolvenzverwalters steht eine „freie Masse“ von 6.757.877,64 Euro zur Verfügung. Forderungen wurden bisher in einer Höhe von 73.980.388,55 Euro angemeldet. Rein rechnerisch würde sich daraus eine Rückzahlungsquote von rund zehn Prozent ergeben.

Fraglich sei derzeit noch, so Rechtsanwalt André Haider, ob der Insolvenzverwalter die bereits an die Anleger ausbezahlten Beträge zurückfordern wird. Offenbar gestaltet sich das schwierig.

Insolvenzverfahren dauert 3 bis 4 Jahre

Die gute Nachricht ist: Es kann gut sein, dass sich die freie Masse noch erhöhen wird. So prüft der Insolvenzverwalter die Anfechtbarkeit von Zahlungen an die Ehefrau des Anlagebetrügers.

Die schlechte Nachricht: Die Beteiligten rechnen damit, dass sich das Insolvenzverfahren über drei bis vier Jahre hinziehen wird.

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