Seit 2021 ist Großbritannien nicht mehr Mitglied des EU-Binnenmarkts und der Zollunion. Zwar haben sich viele Unternehmen auf die neuen Verhältnisse eingestellt. Aber neue Sorgen kommen hinzu.
Der Brexit und seine Folgen belasten weiterhin die deutschen Handelsbeziehungen mit Großbritannien. „Erhöhte administrative Aufwände, Logistikkosten und Zollabgaben erweisen sich als dauerhaft schmerzhaft“, ergab eine Umfrage der britischen Handelskammer in Deutschland (BCCG) und der Prüfgesellschaft KPMG, die der Deutschen Presse-Agentur in London vorliegt. Neue Regelungen führten zu einer zunehmenden Entkopplung des Vereinigten Königreichs von der EU. Die Ergebnisse sollten am Donnerstag im Rahmen des Ludwig-Erhard-Gipfels am Tegernsee vorgestellt werden.
„Der Rückgang des deutsch-britischen Handelsvolumens ist dramatisch“, sagte KPMG-Bereichsvorstand Andreas Glunz. Seit dem Brexit-Referendum 2016 sei das Handelsvolumen von 38 Millionen Tonnen auf 22 Millionen Tonnen gesunken. Britische Exporte nach Deutschland seien 2022 zwar erstmals seit 2016 wieder gestiegen. Grund seien aber vor allem Spitzenpreise für Rohöl und Gas gewesen, mit denen wegfallende Lieferungen aus Russland ersetzt wurden.
Neue Gesetze und Regulierungen bereiten 2024 Kopfschmerzen
„Der Brexit ist nicht vorbei“, sagte Glunz der dpa. Er verwies auf neue Gesetze und Regulierungen auf beiden Seiten des Ärmelkanals. Viele Vorhaben würden entkoppelt oder nicht harmonisiert, etwa in der Umweltpolitik oder im Bereich Künstliche Intelligenz. Die britische Regierung will Hunderte Gesetze aus der Zeit der EU-Mitgliedschaft (1973-2020) für ungültig erklären. BCCG-Präsident Michael Schmidt warnte auch angesichts der geopolitischen Krisen vor einer weiteren Entkoppelung. „Wir müssen dringend die Politik und Wirtschaft beider Länder wieder annähern und Brücken bauen“, sagte Schmidt.
Großbritannien war Ende Januar 2020 aus der EU ausgetreten und ist seit 2021 auch nicht mehr Mitglied der EU-Zollunion und des Binnenmarkts. Trotz eines in letzter Minute vereinbarten Handelsvertrages kam es vor allem zu Beginn zu großen Problemen im bilateralen Warenaustausch mit der EU. Auch in diesem Jahr kommen weitere Änderungen auf die Unternehmen zu, unter anderem ein neues britisches Zollmodell. Von Ende April an müssen britische Importeure auf Lebensmittel wie Wurst, Käse und Joghurt, aber auch Schnittblumen bis zu 145 Pfund (170 Euro) pro Ladung bezahlen.
Hälfte der Unternehmen klagt über schlechtere Geschäfte
Der Umfrage zufolge hat sich die Geschäftslage von jedem zweiten Unternehmen (52 Prozent) im deutsch-britischen Wirtschaftsraum seit dem Brexit verschlechtert. Bei 16 Prozent hat sich die Lage 2023 erheblich verschlechtert, nach 9 Prozent im Vorjahr. Der Anteil der Unternehmen, deren Geschäfte seit dem Brexit besser laufen, hat sich hingegen im Vergleich zu 2022 von 13 auf 6 Prozent in etwa halbiert. Als Hauptbelastungen nannten die Firmen im „German British Business Outlook“ gestiegene Verwaltungsaufwand sowie erhöhte Logistikkosten und gestiegene Zollabgaben.
Es gibt aber auch Lichtblicke, wie aus der Umfrage hervorgeht. KPMG-Experte Glunz verwies auf Bereiche wie Digitalisierung, Energiewirtschaft und -sicherheit sowie Verteidigung, in denen deutsche Unternehmen von Großbritannien profitieren könnten. „Interessant ist der Umstand, dass auf Dreijahressicht sieben Prozent der Befragten größere Investitionsprojekte mit einem Volumen von mehr als 250 Millionen Euro planen“, sagte BCCG-Präsident Schmidt. Dies habe bei der vorigen Befragung kein einziges Unternehmen in den Büchern gehabt.
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