Jahresrückblick
Ein Jahr voll Trauer und Jubel: SSV Jahn Regensburg blickt auf ein ereignisreiches 2023 zurück

30.12.2023 | Stand 30.12.2023, 23:00 Uhr

Bewegende Momente: Fünf Tage nach dem Tod von Agy Diawusie tritt der Jahn wieder an – und gewinnt „für Agy“. Foto: Nickl

Jahn-Jahre waren in der Vergangenheit stets ereignisreich. 2023 reiht sich aber in die Riege der sehr ereignisreichen ein. Es war eine ganz eigenartige Melange aus Trauer und Jubel. „Füreinander einstehen“, das hatten sich die Regensburger selbst als Jahresmotto auferlegt – das klappte nicht immer. Eine Rückschau.



Dreiers Beurlaubung als ganz schlechtes Zeichen

Am 8. Februar war für Co-Trainer Sebastian Dreier Schluss beim Jahn. Das war ein ganz schlechtes Zeichen in einer sportlich bereits sehr schwierigen Zeit. Wenn man zu solchen Mitteln greift, dann muss was richtig im Argen liegen. Dreier war ein wichtiger Mann, sehr angesehen im Team, einer, der deutlich seine Meinung sagte. Zu deutlich? Nach dreieinhalb Jahren als Co-Trainer war seine Zeit in der Oberpfalz beendet. „Es ist nie gut, wenn in so einer Phase jemand geht. Es ist aber oft so im Leben, dass du nicht viele Optionen hast“, hatte sein Chef Mersad Selimbegovic damals zu Protokoll gegeben.

„Es gibt immer verschiedene Auffassungen. Wenn beide Seiten der Meinung sind, dass es nicht mehr so ist, wie es sein soll, dann ist der Schmerz vielleicht kurz bei der Trennung, es ist aber besser als Schmerzen ohne Ende“, erklärte der frühere Jahn-Trainer, der fortan auch im Training, wo er zuvor viel auch Dreier gewähren ließ, wieder mehr selbst das Zepter in die Hand nahm.

Der SSV Jahn vergeigt wegweisende Spiele

Irgendwie stellte sich im Verlauf der Saison das Gefühl ein, dass die Mission Klassenerhalt Nummer sechs ein ganz schwieriges Unterfangen werden wird. Dabei war der Jahn gar nicht schlechter als so mancher Konkurrent. Er brachte aber halt das Kunststück fertig, selbst Partien, in der er das bessere Team war, ohne Ertrag zu beenden. Trotz einer couragierten Leistung hatte der Jahn am 14. April in Fürth mit 1:2 das Nachsehen. Und das trotz 1:0-Führung.

Den Regensburgern war es aber förmlich anzusehen, wie sehr sie Angst hatten, das zu vergeigen. Und das schafften sie letztlich auch. Noch standen sie aber auf dem Relegationsplatz. Nach dem 0:0 gegen Kaiserslautern ging auch noch der Abstiegsgipfel in Sandhausen mit 1:2 verloren. Im Fernduell war dafür Rostock zur Stelle. Hansa schaffte es, gegen Lautern zu treffen. Ein Spieltag zum Vergessen für den Jahn. Es roch gewaltig nach 3. Liga.

Werner und Selimbegovic sind sich nicht mehr grün

Wenn sich Sportchef und Trainer nicht mehr grün sind, dann kostet das in der Regel mindestens einen davon seinen Job. In Regensburg wurde das Zerwürfnis, über das die Mittelbayerische exklusiv berichtet hatte, letztlich sogar beiden zum Verhängnis. Am 9. Mai, drei Tage nach der 0:2-Niederlage in Rostock, wurde Selimbegovic freigestellt. Das war eine schwierige Entscheidung. Der Bosnier ist eine Vereinslegende, wirkte seit 2006 erst als Spieler und danach in weiteren Funktionen, wo er sich bis zum Cheftrainer hocharbeitete, bei den Oberpfälzern.

Statt ihm sollte Joe Enochs das Ruder noch in den verbleibenden drei Partien herumreißen. Zu spät. Vor dem letzten Spieltag, an dem der Jahn Heidenheim lange ärgerte, war der Abstieg praktisch besiegelt – trotz 2:1-Sieg in Braunschweig.

Am 23. Mai wurde dann wiederum das kommuniziert, was die Verantwortlichen bereits beschlossen hatten, als sie sich darauf geeinigt hatten, dass für Selimbegovic Schluss ist: Auch Sportchef Werner wurde vor die Tür gesetzt. „Eine umfangreiche Analyse der laufenden Saison und hierbei insbesondere der Rückrunde hat aufgezeigt, dass die angestrebten Entwicklungen im sportlichen Bereich – unabhängig von der Frage des Klassenerhalts – merklich hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind", erklärte Vorstandsvorsitzender Hans Rothammer zu dieser Entscheidung. Beim Jahn hätte man gerne Vertragsverlängerungen gesehen. Zur Wahrheit gehört dabei aber auch, dass Roger Stilz seinem Nachfolger Werner kein einfaches Feld hinterlassen hatte – und dass sich alle zierten, weil das Abstiegsgespenst so präsent war.

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Auch Jahn-Boss Hans Rothammer gerät in den Fokus

Der Meldung vom 15. Juni, dass Hans Rothammer drei weitere Jahre Vorstandsvorsitzender bleibt, sind sehr unruhige Wochen vorausgegangen. Dem 70-Jährigen sind die Geschehnisse nahe gegangen. „Wir müssen alles in Frage stellen, was wir in der Vergangenheit für Entscheidungen getroffen haben. Auch was Personen betrifft – auch was mich betrifft", hatte er zu Protokoll gegeben. 21 Fanclubs hatten in einem gemeinsamen Aufruf gegen eine Fortsetzung seines Engagements heftig opponiert. Sie hatten Rothammer zum Rücktritt aufgefordert. Eine Opposition allerdings ohne eigenen Gegenkandidaten. Der Aufsichtsrat setzte ein klares Zeichen mit Rothammers Wiederwahl. Und der wiederum lag mit der Rückholaktion von Achim Beierlorzer goldrichtig, wie sich im weiteren Jahresverlauf zeigen sollte.

Mit Beierlorzer findet der Jahn wieder in die Spur

Der Jahn ist immer für Überraschungen gut – im negativen wie im positiven Sinne. Das war aber jetzt wirklich eine Nummer: Erfolgstrainer Achim Beierlorzer kehrte als Sport-Geschäftsführer zurück. Die MZ-Meldung, die der Verein am Tag darauf (24. Mai) bestätigte, ging durch die Decke. Offiziell war Beierlorzer erst ab 1. Juli im Einsatz, da er zuvor noch vertraglich an RB Leipzig gebunden war. Mit diesem „Transfer“ gelang Rothammer und Co. ein Coup. Die Anhängerschaft war schwer angetan. Man traute es dem Franken zu, auch in neuer Position den ersehnten Erfolg zurückzubringen.

Und das schaffte der Mann, der den Jahn 17/18 als Trainer auf Platz fünf und 18/19 auf Rang acht in der 2. Liga geführt hatte, auch. Mit einer fast komplett neu zusammengestellten Mannschaft spielte der Jahn groß auf in der 3. Liga. Das Jahn-Spiel kam von Beginn an nicht unbedingt mega sehenswert daher. In Summe es ist aber mega erfolgreich. Wie euphorisiert die Fans sind, das zeigte vor allem der späte 1:0-Sieg bei den Löwen, wo mehr als 1500 Jahn-Fans mitfieberten. Dem siebten Sieg in Serie sollten noch weitere folgen.

Lesen Sie hier: Schreckensnachricht für den SSV Jahn

Tiefe Bestürzung nach tragischem Todesfall

Die Pressemitteilung bestand nur aus fünf Zeilen. Viele mussten sie aber mehrmals lesen, um das zu begreifen, was in ihnen steht. „Am heutigen Dienstag hat der SSV Jahn die schreckliche Nachricht erhalten, dass Jahn Profi Agyemang Diawusie im Alter von 25 Jahren verstorben ist. Der Verein ist geschockt und zutiefst betroffen über dieses tragische Ereignis“, hieß es in der Mitteilung vom 28. November. Es herrscht auch heute noch tiefe Bestürzung bei den Regensburgern. „Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, dann kann ich nicht gut sagen, was man ansonsten in unserer Situation sagen würde“, erklärte Beierlorzer nach dem letzten Spiel des Jahres. Der 25-Jährige verstarb an Herzversagen. Aus der ganzen Fußball-Welt kam Anteilnahme. Der Jahn war in Schockstarre. Diawusie war im Sommer aus Bayreuth nach Regensburg gewechselt, wo er bereits in der Jugend schon mal gespielt hatte.

Der gebürtige Berliner mit ghanaischen Wurzeln war nicht nur Fußball-Profi, er hatte auch abseits des Platzes Erfolg. Gemeinsam mit seinem Kumpel Niklas Sommer, einem Social-Media-Star, der für Nürnberg II in der Regionalliga Bayern spielt, hat er 2023 die Modefirma Ere Studios gegründet. Das Label erwirtschaftet Millionenerträge. Statt Extravaganz verkörperte er Bodenständigkeit. In der Mannschaft wurde er für seine sympathische Art von seinen Kollegen sehr geschätzt. Fünf Tage nach der Schreckensnachricht traten die Regensburger gegen Freiburg II an.

Es war eine mentale Glanzleistung. „Wir wollten unbedingt für Agy spielen und gewinnen. Wir wollten uns so reinwerfen, dass es keinen anderen Sieger als uns geben kann“, erklärte Konrad Faber nach dem 3:2-Sieg.Vor dem Anpfiff hatte eine gespenstische Stimmung im Jahnstadion geherrscht. Im Andenken an Diawusie gab es einige Aktionen. Die Fans zeigten eine Choreo. „Ruhe in Frieden, Agy!” Weiße Schrift und schwarzer Hintergrund, versehen mit dem Trikot Diawusies. In der 24.Minute (Diawusie trug die 24) gab es Sprechchöre und Applaus für den verstorbenen Profi. Es waren bewegende Momente. „Mir fehlen die Worte. Und die fehlen mir nicht oft“, sagte Faber. „Es war eine Woche, die ich so in meinem Leben noch nicht erlebt habe. Sie war voller Herausforderungen.“

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Der SSV Jahn legt eine imposante Serie hin
Mit dem 3:2-Sieg gegen Freiburg II feierte der Jahn den zehnten Sieg in Serie und stellte damit den Drittliga-Rekord des KSC ein. Er schaffte es in der Woche darauf aber nicht, sich die alleinige Bestmarke zu schnappen. Gegen Viktoria Köln reichte es nur zu einem 1:1. Es folgte ein rasantes 2:2 in Saarbrücken und zum Abschluss passenderweise ein fulminantes 2:1 in Unterhaching. Herbstmeister, Wintermeister. Spitzenreiter. Viele Fans rahmen sich die Tabelle ein. Die Oberpfälzer stehen an der Spitze. Zwei Punkte vor Dresden, zwölf vor Ulm und Essen. Die Saison ist noch lange, der Vorsprung aber groß. Nicht wenige Jahn-Anhänger schielen schon wieder darauf, was sich eine Etage höher so tut. Zu Recht!