Mit Grafik zum Verlauf
41 Cent mehr: Warum die Erhöhung des Mindestlohns für viele zu wenig ist

26.06.2023 | Stand 14.09.2023, 22:35 Uhr

Reicht ein Bruttostundenlohn von 12,41 Euro in Zeiten von hohen Inflationsraten aus? Die Meinungen hierzu gehen auseinander. −Foto: IMAGO/Steinach

Reicht ein Bruttostundenlohn von 12,41 Euro in Zeiten von hohen Inflationsraten aus? Die Meinungen hierzu gehen auseinander – auch innerhalb der zuständigen Mindestlohnkommission. Die bisherige Entwicklung zeigt: Es gab schon deutlichere Anstiege des Mindestlohns.





Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Deutschland soll zum 1. Januar 2024 von 12 auf 12,41 Euro und ein Jahr später auf 12,82 Euro angehoben werden. Diesen Vorschlag legte die zuständige Mindestlohnkommission am Montag in Berlin vor.

„Sehr weit auseinander“ hätten die Positionen der verschiedenen Parteien gelegen, sagt Christiane Schönefeld. Die Vorsitzende der Mindestlohnkommission berichtet: Man war sich nicht einig, als es um einen Vorschlag für das Minimalgehalt ging.

Warum gibt es Kritik?



Ihr Vermittlungsvorschlag, ab Januar 2024 einen Mindestlohn von 12,41 Euro zu empfehlen, kam vor allem bei der Arbeitnehmerseite gar nicht gut an. „Für eine Anpassung lediglich im Cent-Bereich konnten wir auf keinen Fall unsere Hand reichen“, kritisiert Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Der jetzige Mindestlohn liegt derzeit bei zwölf Euro und damit 41 Cent unter dem neuen Vorschlag.

Aus seiner Sicht wäre eine Anhebung auf mindestens 13,50 Euro notwendig gewesen, um auch Dinge wie einen Inflationsausgleich zu berücksichtigen. Noch weiter gehen Sozialverbände: Sie fordern eine Anhebung des Mindestlohns auf 14 Euro.

Welche Anstiege des Mindestlohns sind eigentlich üblich?



Den Mindestlohn gibt es in Deutschland seit dem 1. Januar 2015. Damals lag der Betrag bei 8,50 Euro. Seitdem ist die Mindestlohnkommission dafür zuständig, Vorschläge zur regelmäßigen Anhebung des Mindestlohns zu unterbreiten.



Im Schnitt ist der Mindestlohn dabei um nicht einmal 28 Cent angestiegen. Davon ausgenommen ist eine Ausnahme im Oktober 2022: Die SPD hatte ein Wahlkampfversprechen eingelöst und den Mindestlohn von 10,45 Euro auf zwölf Euro pro Stunde angehoben. Dies war auch das bisher einzige Mal, dass die Kommission nicht in die Entscheidungsfindung involviert war. Eine Erhöhung um zwei Euro, wie sie die Sozialverbände fordern, hat es also noch nie gegeben.

Warum wird der starke Anstieg des Mindestlohns gefordert?



Die Inflation treibt nicht nur die Preise, sondern auch den Mindestlohn in die Höhe. Die Verbraucherpreise (Lebensmittel, Energie, Mieten, Kleidung usw.) stiegen zwischen 2015 und 2022 laut Statistischem Bundesamt - wenn man den Durchschnittsjahreswert bei der Inflation zugrunde legt - um 16,6 Prozent.

Stefan Körzell vom DGB sieht auf die knapp sechs Millionen Mindestlohnbeschäftigten einen „enormen Reallohnverlust“ zukommen. Die Arbeitgeber und die Vorsitzende der Kommission hätten sich der Forderung der Arbeitnehmer verweigert.

Welche Befürworter zum aktuellen Vorschlag gibt es?



Besonders im Bereich der Wirtschaft gab man sich zufrieden mit dem 12,41 Euro-Vorschlag der Kommission. Die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann (CDU), sagte am Montag der Deutschen Presse-Agentur: „Der Vorschlag der Kommission hält die Waage zwischen staatspolitischer Verantwortung und tarifpolitischer Vernunft.“ Die Mindestlohnkommission nehme Rücksicht auf die miserable wirtschaftliche Lage.

Aus der Wirtschaft kamen Warnungen: „Eine zu deutliche und zu schnelle Erhöhung des Mindestlohns wäre für viele Handelsunternehmen nur sehr schwierig zu stemmen“, sagte etwa der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth.

Bundesregierung muss noch zustimmen



Verbindlich sind die vorgeschlagenen 12,41 Euro aber nicht: Die Bundesregierung muss stets noch per Verordnung zustimmen, im Normalfall ist das Formsache. Wie es vor dem Hintergrund dieses Abstimmungsergebnisses läuft, blieb aber zunächst unklar.

− lha/dpa