„Jetzt erstmal duschen“
Spanierin (50) überlebt 500 Tage allein unter der Erde

14.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:38 Uhr

Das Standbild aus einem von Dokumalia zur Verfügung gestellten Video zeigt die Bergsteigerin und Höhlenforscherin Beatriz Flamini im Inneren der Höhle. Die Spanierin hat freiwillig 500 Tage in vollkommener Isolation unter der Erde gelebt. −Foto: Dokumalia/dpa

In Spanien gibt es ein bemerkenswertes Experiment: Eine Frau hat sich freiwillig dazu entschieden, 500 Tage lang ohne Kontakt zur Außenwelt unter der Erde zu verbringen. Laut Forschern ist so etwas noch nie vorgekommen. Wie konnte eine 50-Jährige so lange alleine in einer dunklen Höhle ausharren?



Sie hatte keine Vorstellung von dem Ukraine-Krieg und wusste auch nicht, dass die Corona-Pandemie vorüber ist. In absoluter Isolation unter der Erde verbrachte die Spanierin Beatriz Flamini freiwillig 500 Tage – und zwar in einer rund 70 Meter tiefen Höhle in der südspanischen Provinz Granada.

„Mit niemandem gesprochen, nur mit mir selber“



„Ich habe diese ganze Zeit mit niemandem gesprochen, nur mit mir selber“, erklärte die 50 Jahre alte Bergsteigerin, Klettererin und Höhlenforscherin kurz nachdem sie am Freitag um 9.07 Uhr mit einem breiten Lächeln und unter großer Aufmerksamkeit des Publikums aus dem Loch gestiegen war.

„Ich werde euch schon erzählen, wie es da unten war (...) Aber wenn ihr es erlaubt, gehe ich jetzt erstmal duschen, denn ich habe seit anderthalb Jahren kein Wasser mehr angerührt“, sagte sie laut lachend vor den Kameras des staatlichen TV-Senders RTVE und anderer Medien, die stundenlang live aus der Costa Tropical in Granada berichteten. Nachdem sie wieder ans Tageslicht gekommen war, umarmte sich Flamini als erstes rund zehn Minuten lang mit Angehörigen und Freunden und auch mit Forschern, die das Projekt geleitet und begleitet haben. Bei ihr flossen Freudentränen, die Frau war sichtlich bewegt.

„Ausgezeichnet, nicht zu übertreffen“



Flamini, von den Medien als „Elitesportlerin“ bezeichnet, machte einen guten Eindruck sowohl gesundheitlich als auch emotional, obwohl sie anfangs etwas Probleme hatte, das Gleichgewicht zu halten, wie sie selbst zugab. Bei strahlendem Sonnenschein nahm sie trotz Empfehlung nicht nur ihren Schutzhelm ab, sondern auch ihre dunkle Brille. In ihrem ersten kurzen Statement nannte sie die Erfahrung „ausgezeichnet, nicht zu übertreffen, nicht zu übertreffen!“

Forscher verschiedener Fachrichtungen der Universitäten Granada und Almería leiteten und begleiteten das auf Video dokumentierte Projekt „Timecave“. Seit Beginn des Experiments mit dem November 2021 hatte Flamini laut ihren Aussagen keinerlei Kontakt mit der Außenwelt. Sie besaß weder Uhr noch Telefon, jedoch Strom und einen Laptop, mit dem sie Information an die Äußere Welt schicken konnte, aber nicht empfangen durfte.

„Ein unvergesslicher Tag“



Laut den spanischen Forschern hat Flamini den „Weltrekord“ der Italienerin Christine Lanzoni, die 2007 exakt 269 Tage in einer Höhle verbracht hatte, übertroffen. Der Höhlenforscher Paco Morales erklärte RTVE: „Das ist ein unvergesslicher Tag“. „Beatriz ist mit einer unglaublichen Vitalität und Stärke da herausgekommen. Hut ab.“

In Spanien sorgte das Experiment für großes Aufsehen, aber auch für Stolz. „Toll, das sind unsere Frauen“, erklärte die Rentnerin Rosa (82), die die RTVE-Übertragung im Café von Madrid verfolgt hatte. Flamini galt in Spanien als Heldin des Tages. Sogar Mitglieder der linken Regierung priesen ihr und ihrem Team. Den Mut der Frau bewunderte Hector Gómez, der Minister für Industrie, Handel und Tourismus.

Mehr als eine Mutprobe


Das Experiment war aber nicht bloß eine „Mutprobe“. Die Forscher wollten die Konsequenzen der absoluten Isolation untersuchen und feststellen, ob sie zu neuropsychologischen und intellektuellen Veränderungen geführt hat. Es soll auch einen Film darüber geben.

Doch wie sah das Leben in der finsteren Höhle aus? Flamini hatte, laut Angaben, ein Zelt errichtet. Das Team versorgte sie regelmäßig mit (insgesamt eineinhalb) Tonnen Lebensmitteln, Wasser, Kaffee und sonstiges Material, die in einer „Sicherheitszone“ hinterlassen wurden. Dieser Bereich wurde rund um die Uhr überwacht. Aus Sicherheitsgründen musste Flamini regelmäßig vorbeischauen „damit wir sicher sein konnten, dass es ihr gut geht“ so Morales.

Viel Zeit zum Nachdenken



In der Einsamkeit hatte die Abenteurerin viel Zeit zum Nachdenken, berichtete der Höhlenforscher. „Sie hat uns Videos geschickt, 60 Bücher gelesen, (...) sie hat Gedichte und Erzählungen geschrieben.“ Es gab natürlich auch mal schwere Momente. Auf einem der Videos ist zu sehen, wie Flamini verzweifelt ihre Hände vor das Gesicht hält und sagt: „Was für ein furchtbarer Tag. Ich will nur die ganze Zeit weinen.“ „Aber sie hat viel Erfahrung, Überlebens-Erfahrung, und hatte deshalb alles gut im Griff“, betonte Morales.

„Im Nu vergangen“



In einer Pressekonferenz, die nur zweieinhalb Stunden nach Abschluss ihrer Ausdauerleistung stattfand, zeigte Flamini, dass sie auch nicht ichbezogen ist. „Ich tue das auch, weil ich denke, dass es dazu beitragen kann, zu helfen und (das Leben anderer Menschen) zu verbessern“, meint sie. Sie habe viel gelernt und glaube, jetzt „ein besserer Mensch“ zu sein. Die Erlebnisse habe sie „genossen“ und die Zeit sei wie im Nu vergangen. „Für mich waren das nur wie 160, 170 Tage.“

Wer meint, Beatriz Flamini habe nach 500 Tagen voller Einsamkeit genug von Abenteuern erlebt, der liegt falsch. „Sie plant schon ihr nächstes Abenteuer“, verriet Höhlenforscher Morales.

− dpa, kix, kse