25. Jubiläum
"Ohrenkuss"-Magazin: Infos über das Down-Syndrom

21.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:42 Uhr

Die Autorinnen und Autoren der Zeitschrift Ohrenkuss sitzen bei der Redaktionssitzung um einen Tisch. Auf einem Bildschirm sind weitere Teilnehmende per Zoom zugeschaltet. Beim «Ohrenkuss» haben alle Autorinnen und Autoren das Down-Syndrom. −Foto: Henning, Kaiser, dpa

Es geht um Schönheit, Wunder, um Geschwister, Natur, Sport, Luxus, um den Ozean und die Ukraine. Und immer wieder auch um eine Aussage: „Dass Menschen mit Down-Syndrom klug sind.“



Bei einer Redaktionssitzung beschreibt Anna-Lisa Plettenberg, langjährige Autorin des Magazins „Ohrenkuss“. Dies ist kein gewöhnliches Treffen. Am 21. März, dem Welt-Down-Syndrom-Tag, soll die Jubiläumsausgabe erscheinen, der 25. Geburtstag des Magazins steht an.

Fehler bleiben unberücksichtigt



Neun Teammitglieder sitzen in Bonn zusammen, sechs sind über Video verbunden. Das 50. Heft behandelt Freundschaft – und das Thema bewegt alle Beteiligten. „Was wir arbeiten, das ist auch Freundschaft. Das bedeutet echt: Ist mir wichtig“, betont Autor Julian Göpel. Bei dem Projekt „Ohrenkuss“ sind alle Autorinnen von Down-Syndrom betroffen. Ihre Texte werden ohne Änderungen veröffentlicht, Fehler in Grammatik oder Rechtschreibung bleiben unberücksichtigt. Sie stellen kein Manko dar, sondern einen Gewinn. Manche diktieren ihre Beiträge, manche schreiben von Hand, andere am Computer.

Seit der ersten Ausgabe war Angela Fritzen mit dabei. „Das erste Heft war über die Liebe. Es ist eine uralte Geschichte“, sagt sie in Erinnerung. Zwei Magazine pro Jahr erscheinen und bei allen war sie involviert. Das Jubiläumsheft wurde von 50 Journalisten und Journalistinnen verfasst. Die Beiträge für das Heft stammen mittlerweile aus vielen europäischen Staaten und gelegentlich sogar aus den USA, so Initiatorin und Chefredakteurin Katja de Bragança. Was genau in der Geburtstagsausgabe drin steht, wird nicht verraten, aber eine kleine Kostprobe gibt es doch: „Freunschaft macht glücklich“, schreibt Manuel Müller im Heft.

Freundschaften sind wichtig



Fest stellt Johanna von Schönfeld, ebenfalls Teil einer hybriden Redaktionsrunde: „Ohne meine Familie und ohne meine Freund gibt es mich nicht.“ So sieht es auch Teresa Knopp: „Freunde zu haben ist ein richtiger Goldschatz, den man nicht direkt finden kann.“ Durch die Redaktionskonferenz führt Anne Leichtfuß, Übersetzerin für Leichte Sprache. Sie und Katja de Bragança, die nicht an Downsyndrom (auch Trisomie 21 genannt) leiden, sind die einzigen am Tisch, die nicht betroffen sind.

Das Syndrom ist durch das Vorhandensein von drei statt zwei Chromosomen auf dem 21. Chromosom gekennzeichnet, wodurch jede Zelle 47 statt 46 Chromosomen besitzt. Wie viele Menschen das Down-Syndrom haben, wird nicht erhoben, erläutert Humangenetikerin de Bragança. Laut Schätzungen sind es rund 50.000 Menschen, aber in letzter Zeit kursiert auch die Zahl von 40.000. Das Down-Syndrom ist mit einer Vielzahl unterschiedlich starker Beeinträchtigungen verbunden. Viele glaubten nach Angaben von Autorin Teresa Knopp noch, dass Menschen mit Down-Syndrom nicht lesen und schreiben können, als die Arbeit für den „Ohrenkuss“ begann. Diese irrige Annahme trifft sie heutzutage nicht mehr an. Allerdings werde sie von Fremden manchmal geduzt und das ärgere sie.

Mehr Aufklärung nötig



Nach Meinung der in einer Kita in der Küche tätigen Teresa Knopp bedarf es mehr Aufklärung über das Down-Syndrom: „Kinder sind die Zukunft. Es wäre gut sie aufzuklären.“ Eine schwere Arbeitssitzung ist das Treffen vor dem Magazin-Geburtstag nicht. Auch Probleme in der Wohngemeinschaft, Stress im Job und die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine werden diskutiert. Yevhen Holubentsev ist vor den Bomben aus Kiew geflüchtet, dank Übersetzer-App kann er sich schon ein wenig ins „Ohrenkuss“ -Team einbringen. Und die Pandemie fühlte sich für viele einsam an. Johanna von Schönfeld ruft in die Runde: „Euch kann man nicht vergessen“. Es wird diskutiert, ob es möglich ist, zumindest einen virtuellen Stammtisch aufzusetzen. „Stammtisch auf dem Laptop gefällt mir“, erklärt Julian Göpel. Aber im Café wäre es auch schön, sagt Paul Spitzeck. Michael Häger – Gründungsmitglied des „Ohrenkuss“ und Erfinder des Magazin-Titels – nimmt heute zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie anwesend teil. Er vermisst viele weitere Mitstreiter aus der Mannschaft. Teresa Knopp wird sicherlich an dem „Ohrenkuss“ teilnehmen. „Es macht total viel Spaß mit euch, das zu schreiben – und dass ich einfach so sein kann wie ich bin.“ Ihr weiteres Engagement bestätigte auch Natalie Dedreux, die mit der damaligen Kanzlerin Angela Merkel über Abtreibung in einer TV-Sendung gesprochen hatte. Sie sei großartig darin. „Es ist immer sehr cool.“

Kreativität und Einfühlungsvermögen



Die Texte beweisen Kreativität und Einfühlungsvermögen, manche sind emotional, andere dicht. Die Botschaften werden originell, echt und unmittelbar übermittelt. An Witz mangelt es nicht. In einer Jubiläumsausgabe lässt Paul Spitzer so verlauten: „Ich habe eine gute Freundschaft mit meine Kaktus. Die heißt Kaki. Wir sind eng gefreundschaft. Wir brauchen nicht rede. Wir gucken uns an. Und jede zweite Woche hat sie Durst.“

− dpa, kix, kse