Laut schwedischer Studie
Kopfbälle im Fußball erhöhen offenbar das Demenz-Risiko

22.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:39 Uhr

Sind Kopfbälle eine Gesundheitsgefahr? Das soll eine neue Studie jetzt belegen. −Foto: Julian Stratenschulte, dpa

Männliche Profifußballer haben einer schwedischen Studie zufolge ein rund anderthalb mal so hohes Risiko für Alzheimer und andere neurodegenerative Erkrankungen wie der Durchschnitt der Bevölkerung.



Die Forscher im Fachmagazin „Lancet Public Health“ vermuten Kopfbälle als Ursache. Sie hatten Gesundheitsdaten von gut 6000 Spielern aus der schwedischen Top-Liga der vergangenen Jahrzehnte ausgewertet und mit denen einer großen Vergleichsgruppe aus der Normalbevölkerung verglichen. Laut den Ergebnissen, die sich auf Top-Spieler beziehen, die zwischen 1924 und 2019 in der höchsten Liga spielten, entwickelten neun Prozent im Laufe ihres Lebens neurodegenerative Krankheiten – eineinhalb Mal so viele wie in der Vergleichsgruppe mit sechs Prozent.

Dieses erhöhte Risiko galt nur für Feldspieler, nicht aber für Torwarte. „Im Gegensatz zu Feldspielern köpfen Torhüter den Ball nur selten, sind aber während ihrer Fußballkarriere und vielleicht auch danach ähnlichen Umgebungen und Lebensgewohnheiten ausgesetzt“, erklärte der beteiligte Forscher Peter Ueda vom Karolinska Institutet.

Wiederholte leichte Hirnverletzungen als Risikofaktor



Man gehe davon aus, dass wiederholte leichte Hirnverletzungen, die möglicherweise durch Köpfen des Balls hervorgerufen werden, für ein erhöhtes Risiko bei Fußballspielern verantwortlich sind. Der jetzt festgestellte Unterschied zwischen Feldspielern und Torhütern untermauere diese These. Die Forscher schätzen, dass das Lebenszeitrisiko insgesamt wesentlich höher liegt, da die meisten Teilnehmer zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch lebten.

Bei der Betrachtung einzelner Krankheiten beobachteten sie deutliche Unterschiede: Während sie bei Alzheimer und anderen Demenzkrankheiten eine 1,6-fache Wahrscheinlichkeit (8 gegenüber 5 Prozent) für Top-Spieler feststellten, war das Risiko für Erkrankungen des motorischen Nervensystems – unter anderem ALS – bei Fußballern nicht größer als im Rest der Bevölkerung. Bei Parkinson dürfte es sogar noch niedriger sein. „Körperliche Aktivität wird mit einem niedrigen Risiko für Demenz in Verbindung gebracht. Man könnte also vermuten, dass die potenziellen Risiken von Kopfstößen durch eine gute körperliche Fitness etwas ausgeglichen werden“, sagte Björn Pasternak vom schwedischen Karolinska Institutet, einer der Hauptautoren der Studie. Das könnte auch mit dem Befund bei Parkinson zusammenhängen.

Gesundheitsregister als Quelle



Für ihre Auswertung nutzten die Forscher das nationale schwedische Gesundheitsregister. In der betrachteten Top-Liga waren sowohl Profis als auch Amateure vertreten, da es den Angaben zufolge erst in den 1960er Jahren erlaubt war, Gehälter an schwedische Fußballclubs zu zahlen.

In den letzten Jahren hat sich eine Diskussion über mögliche dauerhafte Schäden im Zusammenhang mit Gehirnerschütterungen im Fußball entwickelt. Eine Studie aus Schottland hatte sogar ein dreieinhalb mal höheres Risiko für neurodegenerative Erkrankungen bei Profi-Fußballspielern festgestellt. „Unsere Ergebnisse bestätigen, dass Profifußballer ein höheres Risiko für diese Krankheiten im Verlauf ihres Lebens haben, auch wenn wir ein nicht ganz so hohes Risiko festgestellt haben wie die Studie aus Schottland“, sagte Ueda. Die schwedischen Forscher weisen darauf hin, dass ihre Ergebnisse nur eingeschränkt auf den modernen Profifußball übertragbar sind, da sich der Sport verändert hat. Einerseits könne es sein, dass man versucht Vermeiden von Kopfbällen zu vermeiden, indem man etwa weniger Kopfbälle nach langen Pässen spielt und trainiert – andererseits kann aber auch die Gefahr steigen, da heutzutage schon frühzeitig intensiv trainiert wird.

Debatte in Deutschland



In Deutschland ist die korrekte Handhabung von Kopfbällen, insbesondere bei der Ausbildung junger Spieler, ein häufig diskutiertes Thema. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) betont, dass man auf ein Schwerpunkttraining mit vielen Wiederholungen verzichten sollte. Darüber hinaus setzt man auf angepasste Spielformen und leichte Bälle beim Training. Man möchte nicht vollständig auf Kopfbälle im Jugendtraining verzichten, da sie bei Spielen weiterhin benutzt werden.

− dpa, kix, kse