Wasser fließt langsam ab: Aufräumen im Berchtesgadener Land

19.07.2021 | Stand 21.07.2021, 7:29 Uhr

Feuerwehrmänner stehen an Gebäuden im Hochwasser der Donau. Foto: Armin Weigel/dpa

Der Schrecken sitzt noch tief, aber das Wasser läuft langsam zurück. In Berchtesgaden wird nach den zerstörerischen Fluten des Wochenendes aufgeräumt. Das an Hochwasser gewöhnte Niederbayern kam diesmal glimpflich davon.

Nach dem massiven Hochwasser am Wochenende räumen Einheimische und Hilfskräfte die von den Fluten hinterlassenen Trümmer beiseite. «Wir sind mit Aufräumarbeiten beschäftigt», sagte am Montag ein Sprecher der Feuerwehr Berchtesgaden. Auch die Bundeswehr half mit rund 100 Kräften, Häuser und Straßen von Schlamm, Erde und Geröll zu befreien. Einsatzkräfte aus Nordbayern, etwa vom Technischen Hilfswerk und vom Roten Kreuz, wurden dagegen in die Katastrophengebiete in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen entsandt.

Nach heftigen Unwettern mit Starkregen waren manche Orte in der beliebten Urlaubsregion rund um Watzmann und Königssee von Wasserfluten und Erdrutschen regelrecht verwüstet worden. Allerdings war es gelungen, die Schäden etwa an der öffentlichen Infrastruktur vergleichsweise gut im Griff zu behalten. Nur vereinzelt waren Haushalte ohne Strom, teilte die Bayernwerk AG mit. Für 350 Betroffene konnte bereits am Sonntag die Energieversorgung wieder sichergestellt werden.

Der Starkregen sei angekündigt gewesen. «Trotzdem hat uns die Wucht der Wassermassen sehr überrascht, auch wie schnell die Keller letztlich vollgelaufen sind», sagte Gertraud Rieger aus Schönau am Königssee. Trotz des Schrecks sieht Rieger aber auch etwas Gutes. «Diese Solidarität in unserer Gesellschaft ist unfassbar», sagte sie. «Jeder hat geholfen, und das ist das Schöne an solchen Ereignissen, dass man unglaublich zusammenhält.»

In der Dreiflüsse-Stadt Passau hatte man sich auf Schlimmeres eingestellt. Donau und Inn stiegen jedoch nicht so stark an, wie befürchtet. Am Montag sank dort der Wasserstand der Donau von Stunde zu Stunde und lag um 11.45 Uhr bei 8,03 Metern, weit unterhalb der höchsten Hochwasserwarnstufe von 8,50 Metern. Auch der Inn bereitete keine Sorgen. Einzelne Bereiche der Stadt wurden zwar überschwemmt. Von katastrophalen Zuständen sei man aber zum Glück noch entfernt, sagte ein Polizeisprecher am Morgen. Ähnlich sah es ein Anwohner. «Das ist an und für sich nichts Tragisches mehr.» Schließlich sei Passau eine hochwassererfahrene Stadt.

Anlass zur Hoffnung geben die Wetteraussichten. Bis auf einzelne kurze Schauer soll es in den kommenden Tagen trocken bleiben. Unwetter seien derzeit nicht in Sicht, sagte ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Stattdessen schien die Sonne. «Für die kommenden Tage sind keine relevanten Flächenniederschläge zu erwarten», teilte das bayerische Landesamt für Umwelt mit. «Daher wird sich die Hochwasserlage entspannen.» Dennoch verbot die Landeshauptstadt wegen des angestiegenen Wasserstandes das Baden in der Isar. Auch das Bootfahren ist auf der Isar im Landkreis München verboten, wie das Landratsamt mitteilte. Stege und Radwege am Fluss blieben zum Teil gesperrt. Die gestiegenen Pegelstände sind die Folge eines kontrollierten Ablassens aus dem Sylvensteinspeicher. Dort soll Platz geschaffen werden, um einen Hochwasserpuffer zu haben, hieß es.

In den Orten um Berchtesgaden, etwa Schönau am Königssee, Ramsau, Bischofswiesen und Markt Schellenberg, gab es auch am Montag noch keine vollständige Normalität. Der Katastrophenfall galt im Landkreis Berchtesgadener Land zunächst weiter. Um 24.00 Uhr in der Nacht zum Dienstag solle er aber aufgehoben werden, teilte das Landratsamt mit. Es sei Entspannung in Sicht, die Pegel würden sinken. Das Hauptaugenmerk lag am Montag neben dem Aufräumen auf geologischen Untersuchungen. Damit sollen Hänge überprüft werden, ob sie möglicherweise abrutschen könnten.

Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) sagte am Montag bei einem Besuch in der vom Hochwasser betroffenen Gemeinde Bischofswiesen: «Wir müssen schnellstmöglich schauen, dass wir die Infrastruktur wiederherstellen.» Es werde «Manpower» aus verschiedenen Bauämtern zusammengezogen, um die Staatsstraßen instandzusetzen. Von der Deutschen Bahn erwarte sie, dass diese schnell einen Schienenersatzverkehr auf den Weg bringe. Bei der Kabinettssitzung am Dienstag soll es eine Bestandsaufnahme geben: «Was ist alles kaputt und wo kann man helfen?»

Flüsse wie die Berchtesgadener Ache hatten sich am Samstagabend nach heftigen Regenfällen in reißende Ströme verwandelt. Auch von den Bergen schoss Wasser ins Tal. Häuser liefen voll mit Wasser und Schlamm. Manche drohten gar, einzustürzen. Hänge rutschten ab, Teile von Straßen brachen weg, Bahngleise wurden verschüttet oder überflutet. Mehr als 160 Menschen mussten aus ihren Häusern in Sicherheit gebracht werden. Manche der Gebäude seien noch nicht wieder freigegeben, meldete das Landratsamt am Montag. Einige Schulen und Kitas waren noch zu. Am Dienstag wird der Unterricht im gesamten Landkreis wieder aufgenommen.

Auch andere Flüsse schwollen an, etwa in Oberbayern die Loisach bei Schlehdorf im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Auch der Bodensee erreichte ein Level knapp über der Warnstufe 2. Schiffe durften nur noch mit 20 Kilometern pro Stunde fahren, die Uferzone wurde auf 500 Meter erweitert. So dramatisch wie im Berchtesgadener Land wurde es jedoch nicht. So überschritt etwa in Neuburg an der Donau das Hochwasser knapp die Meldestufe 3 mit 4,63 Metern.

Großes Glück hatten zwei Männer in Passau. Sie waren am Sonntagabend trotz Hochwassers mit Schlauchbooten auf der Donau unterwegs. Sie kenterten und wurden abgetrieben, konnten sich aber nach Auskunft der Feuerwehr an Treibholz festklammern, das sich am Ufer einer Insel bei Passau verfangen hatte. Mit einem Boot wurden die beiden gerettet.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte mehr Anstrengungen beim Klimaschutz. «Wir brauchen schon einen Klima-Ruck in Deutschland», sagte er im ARD-«Morgenmagazin». Das Unwetter mit verheerenden Folgen vor allem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, aber auch im Südosten Bayerns nannte er einen Weckruf. In Sekundenbruchteilen habe ein Starkregen-Ereignis zu einem «Geröll-, Schlamm- und Muren-Tsunami» geführt.

Der Freistaat sicherte den vom Hochwasser betroffenen Menschen in Südostbayern derweil Hilfe und Unterstützung zu. Am Dienstag werde das bayerische Kabinett beschließen, wie Hilfen aussehen könnten, hatte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Sonntagabend im Interview mit der «BR24 Rundschau» gesagt. Auch der Finanzausschuss des Landtags hat für Dienstag eine Beschlussfassung angekündigt.

Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) sprach von «unfassbaren Tragödien» und kündigte eine Beratungsoffensive für den Umgang mit Starkregen und Sturzfluten an. An jedem Wasserwirtschaftsamt werde die kommunale Sturzflut-Beratung intensiviert. «Wir wollen eine noch größere Dynamik bei der Vorsorge erreichen», sagte er. Ausreichend Geld stehe unbürokratisch bereit.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte im Interview der «Bayern 2 Radiowelt», künftig werde man in hochwassergefährdeten Gebieten keine neuen Baugebiete ausweisen. «Man wird auch, wenn man jetzt baut, darauf achten, dass man vielleicht höher baut, dass der untere Bereich überflutet werden kann, ohne dass die oberen Geschosse gleich in Mitleidenschaft gezogen werden», sagte Landsberg. «Man wird auch versuchen, für diese kleinen Flüsse, die ja jetzt den entscheidenden Faktor gespielt haben, mehr Überschwemmungsgebiete zu schaffen, aber ganz einfach ist das nicht.» Hochwasserschutz sei keine Momentaufgabe, sondern eine Daueraufgabe. «Und sie wird größer werden», betonte er.