Schulen
Forscher sehen zu wenig Demokratiebildung an den Schulen

07.09.2023 | Stand 09.09.2023, 9:40 Uhr

Schule - Eine Schülerin meldet sich im Unterricht. - Foto: Marijan Murat/dpa/Symbolbild

Hauptfächer wie Mathe, Deutsch und Englisch dominieren an den meisten Schulen seit Jahrzehnten die Stundenpläne. Politische Bildung rangiert meist unter «Ferner liefen». Das ist eine ernste Gefahr für unsere Demokratie - meinen zwei bekannte Bildungsforscher.

Wissenschaftler sehen die Demokratie in Deutschland wegen unzureichender politischer Bildung in den Schulen bedroht. «Bildung ist das bestimmende Moment einer Demokratie. Erodiert eine Demokratie, was angesichts globaler Probleme möglich und derzeit beobachtbar ist, so lässt sich das nur mit Bildungsanstrengungen wieder reparieren», schreiben der Philosoph Julian Nida-Rümelin und der Pädagogikprofessor Klaus Zierer in einem neuen Buch über das Thema.

Beide sehen durch die internationalen Pisa-Schulleistungsstudien eine zu starke Konzentration auf Fächer wie Mathematik, Naturwissenschaft und Sprachen. Es wehe mehr der Geist von Pisa als ein demokratisches Grundverständnis an den Schulen. Dabei umfasse der Erziehungsauftrag deutlich mehr, Schulfächer hätten nur eine dienende Funktion. Es gehe darum, «die nachwachsende Generation auf dem Weg zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern zu unterstützen».

Die Warnzeichen seien unverkennbar, sagt Zierer. «Politischer Extremismus und gesellschaftliche Polarisierung nehmen zu; das Vertrauen in Parteien und in die Demokratie nicht nur als Staatsform, sondern als Lebensform sinkt», beobachtet der Ordinarius für Schulpädagogik der Universität Augsburg. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen der Demokratiefähigkeit eines Landes und dem Bildungsniveau der Bevölkerung. «Es ist höchste Zeit, der schleichenden Erosion der Demokratie und der drohenden Bildungskatastrophe etwas entgegenzusetzen.»

Zierer betont, dass Menschen nicht als Demokraten geboren würden. «Man muss sich zum Demokraten entwickeln.» Es sei eine Erziehung nötig, die den Menschen befähige, seine Freiheit und seine Gleichheit vernünftig zu leben. «Bildung ist nicht das, was man aus einem Menschen macht, sondern das, was der Mensch aus einem Leben macht», sagt der Pädagoge.

Die beiden Autoren sehen ihr Buch «Demokratie in die Köpfe. Warum sich unsere Zukunft in den Schulen entscheidet» als Weckruf zu mehr Demokratiebildung. Nida-Rümelin hat sich in der Vergangenheit vielfach mit Demokratietheorie beschäftigt. Der emeritierte Professor der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität und ehemalige Kulturstaatsminister ist auch stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates und in dem Gremium besonders für Bildungsfragen zuständig.

Die Bundeszentrale für politische Bildung sieht Politik als Schulfach in Deutschland ebenfalls «als eher randständig» an. «Naturwissenschaftliche Fächer, Sprachen, Mathematik und Geschichte erhalten mehr Zeit und Raum», betont auch die Bundeszentrale. Außerdem konkurriere die Politikbildung mit anderen kleinen Fächern um Stunden und werde mitunter nur in Kombination mit anderen Fächern wie Wirtschaft, Recht oder Geografie gelehrt.

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