Problematische Prognose
Bayern wird deutlich älter: Personalnot in Pflege droht sich dramatisch zu verschärfen

09.04.2024 | Stand 10.04.2024, 21:48 Uhr

Die Bevölkerung in Bayern wird deutlich älter. Das stellt auch die Pflege vor große Herausforderungen. − Foto: David Ebener/dpa

Die Bevölkerung in Bayern wird deutlich älter. Das heißt auch: Immer mehr alte Menschen müssen gepflegt werden – gleichzeitig gibt es zu wenige Pflegerinnen und Pfleger. Eine neue Berechnung wartet für Bayern mit einer problematischen Prognose auf.



Bei den Altersgruppen wird es sehr unterschiedliche Entwicklungen geben, wie die neue Bevölkerungsvorausberechnung des Datenportals „Wegweiser Kommune“ der Bertelsmann Stiftung ergab. Krippen- und Kindergartenkinder werden demnach weniger, auch die Zahl der 25- bis 65-jährigen potenziell Erwerbstätigen. Bei den Schülerinnen und Schülern hingegen gebe es deutliche Anstiege, bei den jüngeren Erwachsenen noch einen leichten Zuwachs. Mit knapp 35 sowie 38 Prozent steige hingegen die Zahl der Seniorinnen und Senioren ab 65 beziehungsweise 80 Jahren massiv an.

Prognose: Jeder Vierte soll bis 2040 über 65 Jahre alt sein



Der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung legt somit bis zum Jahr 2040 von 20,7 auf 27 Prozent zu, also von etwa jeder fünften auf mehr als jede vierte Person. Das sogenannte Erwerbspersonenpotenzial wird hingegen um 7,6 Prozent schrumpfen. „Neben den Alterssicherungs- und Bildungssystemen sieht sich also auch der Arbeitsmarkt mit einer anspruchsvollen demografischen Dynamik konfrontiert“, so die Forscher.

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Speziell die Personalnot in der Pflege in Bayern droht sich in den kommenden Jahren noch einmal dramatisch zu verschärfen. Schon im Jahr 2029 könnte die Zahl der Pflegekräfte, die in den Ruhestand gehen, die Zahl der Nachwuchskräfte übersteigen. Zu diesem Ergebnis kommen nach dpa-Informationen Berechnungen des Forschungsinstituts AGP Sozialforschung für den neuen „Pflegereport“ der Krankenkasse DAK-Gesundheit.

Bayern und Bremen von Pflegermangel besonders betroffen



„In einzelnen Bundesländern werden noch in diesem Jahrzehnt Kipppunkte erreicht, an denen deutlich mehr Pflegende in den Ruhestand gehen, als Nachwuchskräfte in den Beruf einsteigen“, heißt es. Es könnte also nicht mehr ausreichend nachrückende Absolventinnen und Absolventen von Pflegeschulen geben, um die Lücke der ausscheidenden Pflegekräfte zu schließen. Neben Bayern ist dies der Studie zufolge als erstes in Bremen der Fall.



Wo genau im Freistaat das Missverhältnis – und damit die mögliche Lücke − am stärksten ausfallen könnte, war zunächst allerdings nicht absehbar. „Aufgrund des sehr lokal geprägten Arbeitsmarktes variieren die Kipppunkte stark auf der Landkreis- und städtischen Ebene innerhalb der Bundesländer“, erklärt der Autor der Studie, Professor Thomas Klie.

Baby-Boomer-Generation geht in Rente



„Nun trifft er uns, der demografische Wandel: Die Baby-Boomer-Generation geht in Rente, und damit erreichen auch viele Leistungsträger der beruflichen Pflege die Altersgrenze“, schreibt Klie. Es brauche nun parteiübergreifende Anstrengungen und Konzepte, um die Pflege in den nächsten Jahrzehnten sicherzustellen, mahnt der Wissenschaftler.

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Problematisch aus bayerischer Sicht ist auch ein Vergleich mit anderen Bundesländern im Bereich der Altenpflege: In ganz Deutschland ist die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen zehn Jahren gestiegen – Bayern belegt mit einem Plus von 9,3 Prozent aber den vorletzten Platz. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen nahm die Zahl der Beschäftigten in der Altenpflege der neuen Studie zufolge binnen zehn Jahren um 45,8 Prozent zu.

Details: So soll sich die Bevölkerung in Bayern entwickeln



Ein Blick auf die Gesamt-Bevölkerungsentwicklung in Bayern: Vor allem im Nordosten wird Bayerns Bevölkerung schrumpfen, im Nordwesten stagnieren, in den übrigen Regionen aber meist kräftig wachsen: Um 4,4 Prozent oder fast 600.000 Menschen wird die Bevölkerung im Freistaat nach Zahlen der Bertelsmann Stiftung zwischen 2020 und 2040 zulegen. Das Plus sei damit erheblich stärker als auf Bundesebene mit 0,6 Prozent, wie die Bertelsmann Stiftung am Dienstag in Gütersloh mitteilte.

Studie: Bevölkerungsrückgang in der Oberpfalz – Zuwächse in Nieder- und Oberbayern



Die Entwicklung wird in den Regionen und Landkreisen jedoch sehr unterschiedlich ausfallen. „So sind Bevölkerungsrückgänge in Oberfranken und in Teilen der Oberpfalz zu erwarten“, hieß es. In Schwaben, Nieder- und Oberbayern dürften hingegen Zuwächse verzeichnet werden, Unterfranken werde weitgehend stagnieren. Die Entwicklung in den 97 Kreisen und kreisfreien Städten liegt den Angaben zufolge zwischen plus 11,5 Prozent im Landkreis Mühldorf am Inn und minus 6,1 Prozent im Landkreis Kronach.

Die Bevölkerungsvorausberechnung 2040 der Bertelsmann Stiftung wurde für alle Kommunen in Deutschland mit mehr als 5000 Einwohnern durchgeführt. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern, in denen in kleineren Gemeinden die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner tendenziell stärker sinkt, ist in Bayern auf Gemeindeebene kein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Größen der Kommunen und der Entwicklung der Einwohnerzahl zu beobachten.

− dpa/cav