Ankläger wollen wegen Pflegebetrugs Haftstrafe für Ehepaar

14.04.2021 | Stand 16.04.2021, 5:24 Uhr

Stefan Puchner/dpa

Immer mehr Menschen brauchen im Alter Pflege. Das Geschäftsfeld der Pflegedienstleistungen haben auch Betrüger für sich entdeckt. In Bayern soll es deswegen nun eine Reihe von Prozessen geben.

In einem Prozess wegen Betrugs mit Pflegeleistungen in Millionenhöhe drohen einem Ehepaar langjährige Gefängnisstrafen. Die Eheleute sowie drei weitere Angeklagte müssen sich wegen der Vorwürfe seit Mittwoch vor dem Augsburger Landgericht verantworten. Sie sollen Pflegekassen und Sozialhilfeträger mehr als sieben Jahre lang mit unzulässig abgerechneten Pflegedienstleistungen systematisch geprellt haben, der Schaden beträgt nach Angaben der Ermittler fast 3,3 Millionen Euro.

Wie zu Beginn der Verhandlung bekannt wurde, gab es vor wenigen Wochen eine Vorbesprechung der Prozessbeteiligten. Demnach sieht die Staatsanwaltschaft für die 43 Jahre alte Hauptangeklagte eine acht- bis neunjährige Haftstrafe als gerechtfertigt an. Der Ehemann der Frau soll nach Vorstellung der Ankläger nur geringfügig kürzer in Haft.

Die 43-Jährige stand bereits früher als Geschäftsführerin eines anderen Pflegedienstes im Zentrum eines Strafverfahrens. Deswegen soll sie für den Anfang 2012 gestarteten neuen Anbieter einen in Spanien lebenden Studenten als Strohmann an der Spitze des neuen Betriebes installiert haben. Faktisch sei die Frau jedoch Chefin gewesen, heißt es in der Anklage.

Die Ermittler werfen den fünf Beschuldigten vor, dass sie ambulante Pflegeleistungen abgerechnet haben, die gar nicht oder nicht in vollem Umfang erbracht wurden. Das Ehepaar sitzt in Untersuchungshaft, bei zwei weiteren Angeklagten wurden Haftbefehle außer Vollzug gesetzt. Die fünf Angeklagten, insgesamt drei Frauen und zwei Männer, werden sich nach Angaben der Verteidiger zu einem späteren Zeitpunkt in der Verhandlung zu den Vorwürfen äußern.

Die Staatsanwaltschaft München I hatte mehrere ähnliche Verfahren geführt und nach aufwendigen Ermittlungen Anfang 2021 Verantwortliche von drei Pflegediensten aus München und Augsburg angeklagt. In Augsburg liegt in einem weiteren Fall eine Anklage vor sowie eine beim Landgericht München I. In diesen beiden Fällen geht es ebenso um unzulässigerweise abgerechnete Pflegeleistungen im Millionenbereich. Die Strafkammern haben in diesen Fällen aber noch keine Termine für die Prozesse festgelegt.

In dem bereits verhandelten Fall geht es darum, dass bereits die Begutachtung von Patienten durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) von den Beschuldigten manipuliert worden sein soll. Der MDK stellt bei einem Hausbesuch üblicherweise die Pflegestufe eines Betroffenen fest, die Kassen erstellen dann einen entsprechenden Bescheid.

Laut Anklage hatten die Angeklagten Angehörige der Patienten gebrieft, was diese den MDK-Gutachtern sagen sollen. In einem Fall soll einer Frau sogar ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht worden sein, um diese während der Prüfung durch den MDK ruhigzustellen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten auch einige der angeblichen Pflegefälle bei dem mutmaßlichen Betrug mitgemacht. So soll der Pflegedienst einen Mann täglich mit Semmeln und der Tageszeitung beliefert haben, zudem habe er monatlich ein Kuvert mit Bargeld erhalten.

Neben den bereits angeklagten Pflegedienstmitarbeitern drohen daher auch etlichen Patienten und auch Ärzten strafrechtliche Folgen. Wie die Staatsanwaltschaft bei der Erhebung der drei Anklagen berichtete, gibt es in den verschiedenen Ermittlungskomplexen insgesamt noch laufende Verfahren gegen rund 100 weitere Beschuldigte.