Kirche
Historischer Moment – emeritierter Papst besucht den kranken Bruder

24.06.2020 | Stand 13.09.2023, 0:30 Uhr
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Diese Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Joseph Ratzinger (93), auf der Welt bekannt als emeritierter Papst Benedikt XVI., kommt nach Deutschland, um seinen schwer kranken Bruder (96) zu besuchen. Als diese Nachricht die Redaktionsstuben am Donnerstag, 18. Juni, um 14.42 Uhr erreichte, war Joseph Ratzinger bereits in Regensburg eingetroffen.

Regensburg. Die Reise eines emeritierten Papstes ist etwas ganz Neues, es gibt keine Beispiele in der Geschichte, wie hier zu verfahren ist. Nach Coelestin V. im Jahr 1294 war Joseph Ratzinger der erste oberste Kirchenmann auf Erden, der sein Amt zur Verfügung stellte. Das war am 23. Februar 2013. Seitdem lebt der „Papa emeritus“ zurückgezogen im Vatikan. Mit einer Reise – und dann gar in sein Heimatland Deutschland – hatte niemand gerechnet. Der Anlass ist freilich ein trauriger: „Es ist ein überraschender Besuch am Krankenbett. Papst emeritus Benedikt XVI. flog von Rom nach Bayern, um an der Seite seines schwer erkrankten 96-jährigen Bruders zu sein. Es ist vielleicht das letzte Mal, dass sich die beiden Brüder Georg und Josef Ratzinger in dieser Welt sehen“, teilte das Bistum am Donnerstag mit. „Alle Menschen, die ihre Anteilnahme zum Ausdruck bringen wollen, sind herzlich eingeladen, ein stilles Gebet für die beiden Brüder zu sprechen.“

Die tiefe Verbundenheit der Brüder Georg und Joseph Ratzinger ist hinlänglich bekannt. Am 29. Juni 1951 wurden beide zu Priestern geweiht. Georg Ratzinger verschrieb sich der Kirchenmusik und wurde Domkapellmeister bei den Domspatzen. Joseph Ratzinger lehrte an der Uni Regensburg, am 27. März 1977 wurde er zum Erzbischof von München und Freising ernannt, ehe er am 25. November 1981 zum Präfekten der Glaubenskongregation ernannt wurde. Nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. wurde Joseph Ratzinger am 19. April 2005 zum Papst gewählt – fortan nannte er sich Benedikt XVI.. Am 28. Februar 2013 endete das Pontifikat – Ratzinger hatte aus gesundheitlichen Gründen auf sein Amt verzichtet.

Georg Ratzinger besuchte in den vergangenen Jahren seinen Bruder ab und zu im Vatikan – doch mit der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes sind diese Reisen nicht mehr möglich. Die einzige Chance auf ein Treffen in diesem Leben war eine Reise des emeritierten Papstes, was vielen unmöglich erschien. „Der Papst emeritus traf die Entscheidung für die Reise zu seinem Bruder nach Regensburg kurzfristig, nachdem er sich mit Papst Franziskus beraten hatte“, so das Bistum. Franziskus stimmte zu – eine große Geste des amtierenden Papstes gegenüber seinem Vorgänger!

In den wenigen Tagen in Regensburg besuchte Joseph Ratzinger mehrfach seinen Bruder in dessen Wohnung in der Luzengasse und feierte die Heilige Messe mit ihm. Es blieb auch Zeit für letzte private Gespräche – und das Abschiednehmen voneinander! Zudem stand ein Besuch auf dem Friedhof Ziegetsdorf, auf dem seine Schwester und seine Eltern begraben liegen, auf dem Programm. Auch seinem ehemaliges Wohnhaus in Pentling stattete der 93-Jährige einen Besuch ab.

Papst em. Benedikt XVI. landete am Donnerstag, 18. Juni, um 11.45 Uhr in München, begleitet wurde er von seinem Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein, seinem Arzt, seinem Pflegers und einer Ordensfrau. Bischof Rudolf Voderholzer holte den „Papa emeritus“ in München ab – und verabschiedete ihn am Montag, 22. Juni, ebenfalls persönlich am Münchner Flughafen. Mit dabei war Ministerpräsident Markus Söder, er schrieb auf Facebook von einem „bewegenden Moment“: „Das Wiedersehen war eine große Freude. Wir sind sehr stolz auf unseren bayerischen Papst. Er hat uns Gottes Segen für unser Bayern gewünscht“, so Söder.

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