Kirche
Bistum Regensburg muss Akten von Missbrauchsopfern einklagen

28.01.2018 | Stand 13.09.2023, 6:30 Uhr
−Foto: Foto: Eckl

Die Kirche möchte keine Fehler mehr machen. Das merkt man, wenn es um den Umgang mit sexuellem Missbrauch geht. Doch dieser Fall dürfte deutschlandweit einzigartig sein: Das Bistum musste die Akten der 2013 verstorbenen Psychologon Birgit Böhm einklagen.

REGENBSURG Es war das Jahr 2008, als der damalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller erkannte, dass die Fälle sexuellen Missbrauchs in Zusammenhang mit der Kirche brandgefährlich sind. Damals war es der Fall des Riekofener Pfarrers Peter K., der deutschlandweit für Schlagzeilen sorgte. K. wurde wegen sexuellen Missbrauchs zweier Jungen im Jahr 2000 verurteilt. Doch trotz der Warnung einer Amtsrichterin wurde K. wieder in der Seelsorge eingesetzt. In Riekofen missbrauchte er erneut einen Elfjährigen mehrfach. Es war wohl der enorme Druck, der auf dem Bistum lastete, der dazu führte, dass man zum 1. Januar 2008 die Psychologin Dr. Birgit Böhm als Missbrauchsbeauftragte einsetzte. Bis zum 29. Mai 2013 nahm sie Schilderungen schlimmster Missbräuche entgegen und leitete sie, vorsichtig, an den Generalvikar des Bistums, Michael Fuchs, weiter.

Bis die Psychologin überraschend starb.

Am gestrigen Dienstag, 23. Januar, traf sich nun der Generalvikar mit dem Sohn und Erben Böhms vor Gericht wieder. Bereits in erster Instanz war eine Klage gescheiter, das Bistum ging in Berufung. Das Bistum fordert Böhms Sohn auf, die Unterlagen herauszugeben, die sie im Laufe ihrer Tätigkeit erstellt hat. „Der Bischof hat mich beauftragt, diese Schilderungen damals entgegen zu nehmen“, sagte der Generalvikar nun vor Gericht. Entschieden hatte damals die Psychologin, was sie an das Bistum weitergibt und was nicht. „Manche Leute haben zehnmal angerufen, um die Kraft zu finden, sich zu äußern“, so Fuchs. Ihr Sohn und Erbe entgegnete, er würde sich ja strafbar machen, wenn er die Akten entgegen der Schweigepflicht seiner Mutter herausgebe. Das Bistum hat nach dem Tod von Birgit Böhm den früheren Chef der Kinder- und Jugendpsychiatrie am BKH, Martin Linder, beauftragt. Bei dem meldeten sich vier mutmaßliche Opfer sexuellen Missbrauchs, deren Antrag aber nicht vorlag. Dabei hätten sie alles bereits der verstorbenen Psychologin geschildert. In vier Fällen legte Böhms Nachfolger Linder sogar eine Schweigepflichts-Entbindung beim Erben vor, um die Herausgabe der Unterlagen zu erwirken. Der Anwalt des Bistums mahnte: „Die Opfer können für den Streit gar nichts. Wir müssen auch vermeiden, dass sie ständig nochmal Unterlagen vorlegen müssen.“

„Müssen den Willen der Opfer beachten“

Richter Hans Pfeffer pflichtete dem nicht nur bei, er sagte auch: „Wir dürfen bei all dem die Interessen der Missbrauchsopfer nicht übergehen und deren Interessen peinlichst beachten!“ Gleichzeitig gab er zu bedenken, dass auch die Opfer selbst gegen den Erben der Missbrauchs-Beauftragten klagen könnten.

Genau deshalb legte das Gericht einen Vergleich vor, dem die Parteien zustimmen konnten. Wenn Opfer eine Entbindung der Schweigepflicht vorlegen, dann gibt Böhms Sohn die Unterlagen an deren Nachfolger Linder heraus. Die Richter schränkten aber ein: Ganz persönliche Notizen der Therapeutin muss ihr Sohn nicht herausgeben. Um auch das Problem der Verschwiegenheitspflicht zu lösen, brachte Generalvikar Fuchs noch einen Vorschlag: Der Sohn von Dr. Böhm beauftragt unabhängig einen Anwalt, den das Bistum bezahlt. 15 Fälle sind es, um die es insgesamt geht.

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