Straubinger Ärztesprecher skeptisch
Die Krankschreibung per WhatsApp sorgt für Kontroversen

13.02.2019 | Stand 21.07.2023, 16:57 Uhr
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Vertreter von Ärzten aus der Region Straubing und Krankenkassen sehen das neue Angebot äußerst kritisch.

DEUTSCHLAND/STRAUBING-BOGEN „Arbeitest Du Dich noch krank oder AU-scheinst Du Dich schon?“ Mit diesem im ersten Moment amüsant klingenden Slogan wirbt ein Hamburger Unternehmen derzeit für einen neuen Service: Die Krankschreibung vom Tele-Arzt über WhatsApp und per Post, wenn man sich wegen einer Erkältung arbeitsunfähig fühlt und nicht im Wartezimmer sitzen möchte. Was so simpel und scheinbar lösungsorientiert klingt, stößt bei Ärzten und Krankenkassen allerdings auf große Kritik. Denn einen persönlichen Kontakt mit dem Patienten hat kein Mediziner und auch die Abwicklung hochsensibler Gesundheitsdaten über einen Dienst wie WhatsApp, der zum Mutterkonzern Facebook gehört, lässt aufhorchen.

Doch wie funktioniert die Online-Ausstellung des Arbeitsunfähigkeits-Scheins eigentlich? Alles, was man braucht, ist zunächst ein Internetzugang, um auf die Seite www.au-schein.de zu kommen, die Eigen-Diagnose, dass man lediglich erkältet ist (für andere Fälle und Beschwerden geht der Service nicht) und ein paar Minuten Zeit, um vorgegebene Fragen zu beantworten. Sind Risikofaktoren ausgeschlossen und ist sich das System sicher, dass es sich „nur“ um eine Erkältung handelt, dann macht der Patient noch Angaben, wie lange er krankgeschrieben werden möchte (maximal drei Tage sind möglich), gibt seine Daten ein und wählt schließlich noch eine Zahlungsmethode für die neun Euro aus – so viel kostet der Service nämlich, der maximal zweimal pro Kalenderjahr in Anspruch genommen werden kann. Ein Arzt des Hamburger Unternehmens schickt dem Patienten die Krankschreibung dann per WhatsApp aufs Mobiltelefon und noch im Original per Post zu.

Richtige Diagnose nur von Mensch zu Mensch

Alles „Sicher & rechtmäßig“ heißt es auf der Homepage.

Doch vor allem unter Medizinern hält sich die Begeisterung über den Online-Krankenschein in Grenzen. Dazu gehört auch Dr. Johann Ertl, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands Straubing und Facharzt für Allgemeinmedizin in Salching: „Der einzige Vorteil, den ich darin sehe, ist, dass erkältete Patienten im Wartezimmer niemand anderen anstecken.“ Die Krankschreibung per WhatsApp sieht der Arzt aber äußerst kritisch. „Ein Fragebogen kann ein Patientengespräch von Angesicht zu Angesicht nicht ersetzen“, so Dr. Ertl. Auch die Möglichkeit weiterführender Untersuchungen seien bei der Online-Krankschreibung nicht gegeben.

„Wir haben uns im Kreisverband im vergangenen Jahr für Telemedizin ausgesprochen, allerdings unter der Maßgabe, dass ein direkter Kontakt, z. B. in Form eines Video-Chats, besteht, führt Ertl weiter aus. Und noch eins gibt der Mediziner zu bedenken: „Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, Krankschreibungen in dieser Form zu akzeptieren.“

Warnung vor Missbrauch mit Gesundheitsdaten

Ein weiterer Aspekt, der gerne übersehen wird: der Datenschutz.

„Von einem Menschen gibt es fast nichts Spannenderes als die persönlichen Gesundheitsdaten“, sagt Birgit Grain, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. „Da steckt ein riesiger Markt dahinter. Gerade in Zeiten, in denen man immer häufiger von Datenklau und Datenmissbrauch redet, ist die Datenübermittlung per WhatsApp schon fragwürdig.“

Fazit des „WhatsApp-Krankenscheins“: Wie so oft muss am Ende der Verbraucher für sich selbst entscheiden, was ihm seine Gesundheit und seine Daten wert sind.

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