Verdient großen Respekt
Peracher Ehepaar leistet überaus großzügige Nachbarschaftshilfe

04.09.2019 | Stand 31.07.2023, 7:04 Uhr
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Als das Ehepaar Malisch vom traurigen Schicksal eines Nachbarn erfährt, zögern sie nicht zu helfen

PERACH Mehr als „Guten Tag und guten Weg“ hatten Inge und Helmut Malisch in den vergangenen Jahren mit ihrem Nachbarn kaum gewechselt. „Wir wussten, dass er aus Rumänien kommt, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und als Kraftfahrer arbeitet. Deshalb war er auch selten daheim“, erzählen sie. Ende Mai jedoch bemerkten die Beiden, dass ihr Nachbar ständig daheim war. „Eines Tages beobachtete ich, wie er mit seinem Auto herumrangierte und sich immer wieder gegen den Kopf schlug“, erinnert sich Inge Malisch. Sie fragte den Mann konkret, was eigentlich los sei. „Was wir dann erfuhren, machte uns komplett fassungslos. Wir hätten nicht geglaubt, wie schnell und komplett man bei uns durchs soziale Netz rutschen kann ...“

Tumor führt zur Erblindung des LKW-Fahrers

Constantin Cracium erzählte, dass er schreckliche Kopfschmerzen habe und kaum noch etwas sehen könne. Schnell fanden die Malischs heraus, dass es noch viel weiter fehlte: „Constantin hatte eine Woche fast nichts gegessen, einfach weil er kein Geld hatte, sich etwas zu kaufen.“ Seither versorgt das Ehepaar den 54-Jährigen mit Lebensmitteln und Getränken - von der morgendlichen Kanne Kaffee bis zum Abendbrot. Der Grund für die finanzielle Misere des Nachbarn: „Er hat seinen Job als Kraftfahrer verloren, denn sein Chef hatte gesehen, wie er beim Einsteigen gestürzt war, und ihn sofort mit der Begründung gefeuert, dass er betrunken sei. Grund für den Sturz war aber, dass er nicht mehr richtig sehen konnte. Natürlich war es unverantwortlich, dass er dennoch LKW fahren wollte, aber er befand sich in einer absoluten Ausnahmesituation und wollte nicht wahrhaben, dass er wegen eines Tumors am Sehnerv erblindet“, so Helmut Malisch.

Alkohol als Kündigungsgrund führte dazu, dass dem LKW-Fahrer bei der Agentur für Arbeit ein dreimonatiger Leistungsentzug aufgebrummt wurde - und das „obwohl bei dem Transportunternehmen kein Alkoholtest durchgeführt wurde und man Constantin an jenem Tag einfach so mit seinem Auto vom Hof fahren ließ“, kritisiert Malisch.

Gemeinsam mit Ehefrau Inge nahm er die Geschicke seines unglücklichen Nachbarn in die Hand: Sie erledigten ganz praktische Dinge wie die Reinigung der Wohnung, machten seine Familie in Rumänien ausfindig und motivierten andere Nachbarn, mit kleinen Spenden die größte Not zu lindern.

Die schwerste Last, die sich die beiden Rentner aufbürdeten, war jedoch, bei den zuständigen Ämtern dafür zu sorgen, dass das Leben des Todkranken wieder in einigermaßen geregelte Bahnen kommt. „Arbeitsamt und Krankenkasse waren zu keinerlei Unterstützung bereit, um zumindest die Grundversorgung zu gewährleistet - mit Lebensmitteln, den dringend benötigten Medikamenten und den Fahrten zu Ärzten und ins Krankenhaus.“

Natürlich habe der aus Rumänien stammende Mann diverses versäumt, um ordnungsgemäß bei Krankenkasse und Arbeitsamt registriert zu werden: „Aber er hat es halt nicht besser gewusst und verstanden. Da wird es mittlerweile viele Menschen geben, die sich nicht auskennen. Aber deswegen kann man doch niemanden verhungern lassen ...“, wundern sich die Malisch.

So mancher hätte in dieser Situation wohl klein beigegeben, nicht so die beiden Rentner.: Sie strebten beim Amtsgericht eine Anfechtung des Kündigungsgrundes an, damit zumindest die Leistungssperre beim Arbeitsamt aufgehoben wird. Außerdem chauffierten sie ihren Nachbarn zu seinen Arztterminen und übernahmen die Kosten für die Taxifahrten ins Krankenhaus in München. Für die Zeit des Klinikaufenthaltes spendierten sie ihm ein Handy und Taschengeld. Einige hundert Euro sind da mittlerweile schon zusammen gekommen, aber für das Ehepaar steht fest: „Es kann nicht sein, dass man einen Menschen derart fallen lässt!“

Ein paar Erfolge konnten die engagierten Peracher inzwischen verbuchen: Es wurde eine Betreuerin für Constantin eingesetzt und auch ein Pflegedienst kommt inzwischen zu dem Schwerkranken. Geld fließt derzeit aber noch immer nicht.

Constantin, der mittlerweile nur noch graue Schemen sehen kann, ist für die großzügige Hilfe seiner Nachbarn überaus dankbar: „Ohne Inge und Helmut wäre ich schon tot“, sagt er in gebrochenem Deutsch und mit Tränen in den Augen.

Betreuerin: „Eine solche Hilfsbereitschaft ist selten“

Die vom Gericht bestellte Betreuerin bestätigt: „Dieser Fall ist schon besonders dramatisch, zumal der Mann durch seine Erkrankung von jetzt auf gleich handlungsunfähig geworden ist. Wie die Malischs ihm geholfen haben, ist eher selten und besonders beispielhaft, zumal sie auch keine finanzielle Gegenleistung für ihre Hilfe erwarten.“ Die „Vorarbeit“, die das Ehepaar geleistet habe, sei für sie als Betreuerin hilfreich gewesen: „Wir hatten natürlich noch einiges aufzuarbeiten und die Abläufe bei den Ämtern dauern ihre Zeit, aber mittlerweile ist alles auf den Weg gebracht.“

Altötting