Jubiläum in Regensburg
200 Jahre Pustet – die Erfolgsgeschichte eines bayerischen Familienunternehmens

12.05.2020 | Stand 04.08.2023, 14:50 Uhr
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2020 begeht die Friedrich Pustet GmbH & Co. KG ihr 200-jähriges Jubiläum. Das eigentümergeführte Familienunternehmen mit Sitz in Regensburg besteht aus einem Verlag, einem Grafischen Großb trieb mit Buchdruckerei und -binderei und den bayernweit elf Buchhandlungen „Bücher Pustet“.

Regensburg. Das Verlagsprogramm besteht aus zwei Segmenten, einem umfangreichen Geschichtsprogramm und der Sparte Theologie in zahlreichen Facetten. Der Grafische Großbetrieb produziert pro Jahr auf rund 21.000 Quadratmetern Fläche mit modernster Technik circa zehn Millionen Bücher und bedient gegenwärtig mehr als 70 Verlage im gesamten deutschen Sprachraum. Bücher Pustet verfügt neben der Urzelle in Regensburgs Innenstadt über Filialen in Regensburg, Passau, Augsburg, Landshut, Deggendorf, Straubing, Ansbach und Freising. Sie bieten in hellen und freundlich gestalteten Räumen ein breites Titelsortiment, umfangreichen Service und kompetente Beratung. Jede Filiale wird eigenständig geführt und pflegt ein eigenes, auf den jeweiligen Standort abgestimmtes Sortiment.

Die Anfänge des Unternehmens liegen in Passau: Am 8. Juli 1820 verlieh der dortige Magistrat dem Buchbindersohn Friedrich Pustet die Buchhandelskonzession. Sechs Jahre später verließ Friedrich Passau und siedelte sich „mit hoher Bewilligung“ in Regensburg an. Trotz schwieriger Anfänge wagte Friedrich ein vielseitiges Verlagsprogramm – regionale, historische, naturwissenschaftliche und belletristische Literatur. Für die Produktion kaufte er eine erste „Schnellpresse“, der Beginn des Pustet‘schen Druckunternehmens. 1836 gründete er vor den Toren Regensburgs eine eigene Papiermühle, die sich innerhalb weniger Jahre zur modernsten ihrer Art in Südbayern entwickelte. 1849 erstellte Friedrich sein erstes und bahnbrechendes liturgisches Werk, ein lateinisches Messbuch für den Gottesdienst der katholischen Kirche. Damit legte er den Grundstein zu einem vielfältigen liturgischen Programm in den folgenden Jahren: Pustets lateinische Prachtausgaben des „Missale Romanum“ mit Goldschnitt und luxuriösen Einbänden fanden weltweite Verbreitung. Liturgie, Theologie, religiöse Bilddrucke und Kirchenmusik prägten über Jahrzehnte das Verlagsprofil.

1860 übergab Friedrich Pustet an seine Söhne, die mit Erfolg die einzelnen Bereiche – Verlag, technischen Betrieb und Papierfabrik – weiterführten. Der Firmengründer starb 1882. Er gehört zu den großen Unternehmerpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts, die für technische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen bestimmend waren. Die Söhne des Gründers konnten den Weltruf der Firma festigen. Zwischen 1865 und 1898 wurden Filialen in Köln, Wien, Rom, Cincinnati und New York gegründet, Handelsvertretungen entstanden in Valencia und Sao Paulo. Eine Reihe päpstlicher Auszeichnungen und Erste Preise auf internationalen Buchausstellungen machen das Ansehen des Hauses und den Rang der Pustet-Erzeugnisse deutlich. Eine bedeutende Rolle spielten auch zwei Hauszeitschriften, der „Regensburger Marienkalender“ und – mit einer Auflage bis zu 400.000 Exemplaren – der „Deutsche Hausschatz“. Hier veröffentlichte Karl May erstmals seine „Reiseerzählungen“ und erlangte damit literarischen Ruhm.

Die stürmische Expansion des Unternehmens im 19. Jahrhundert ließ sich jedoch in späterer Zeit unter der Leitung von Enkel Friedrich (III.) nicht mehr fortsetzen: Der Erste Weltkrieg und vor allem die folgenden wirtschaftlichen Krisenjahre beeinträchtigten die Arbeit der Firma. Unter den verheerenden Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs drohte die völlige Stilllegung des Unternehmens. Weil er Druckaufträge der Nationalsozialisten angenommen hatte – unter anderem druckte Pustet 200.000 Exemplare von Hitlers „Mein Kampf“ –, musste sich Friedrich (III.) Pustet nach dem Krieg vor der amerikanischen Militärregierung verantworten. Schließlich wurde er jedoch vor der Spruchkammer II Regensburg als nicht belastet eingestuft, die Firma durfte ihren Geschäften wieder nachgehen, jedoch vorübergehend unter anderer Bezeichnung: Gregoriusverlag vorm. Friedrich Pustet. Das erste Jahrzehnt nach dem Krieg brachte der Firma – nun unter der Leitung von Dr. Friedrich Pustet (IV.) – wieder eine Aufwärtsentwicklung. 1956 wurde ein neues Firmengebäude südlich der Regensburger Altstadt errichtet, in welchem seither die Buchdruckerei und -binderei sowie der Verlag untergebracht sind. Die alten Gebäude in der Innenstadt wurden abgerissen, an ihrer Stelle errichtete man 1957/58 einen modernen Neubau, in dem sich bis heute das Stammgeschäft von Bücher Pustet befindet.

Eine einschneidende Veränderung für Verlag und Druckerei brachte 1963 die Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils: Sie erlaubte die Verwendung der jeweiligen Landessprache in der Liturgie, was zur Folge hatte, dass die bisher gebräuchlichen lateinischen Messbücher nicht mehr gefragt waren. Dies bedeutete das Ende der für Pustet typischen Erzeugnisse und ihres Weltmarkts. Die fünfte Pustet-Generation, Friedrich (V.) und sein Bruder Paul, musste den Verlag neu erfinden. Neben Liturgie und Theologie in deutscher Sprache wurde nun auch Literatur zu Geschichte und Kunstgeschichte verlegt. Da die lateinische Kirchenmusik an Bedeutung verlor, wurde der bis dahin florierende Musikverlag eingestellt. Vor allem jedoch expandierten die Brüder im Buchhandelsbereich: Neben der Stammbuchhandlung in der Gesandtenstraße eröffnete man in Regensburg 1967 je ein Sortiment am Campus der Universität und im Donaueinkaufszentrum. Mit der Eröffnung einer Buchhandlung in Passau im Jahr 1975 ging die Firma zurück an ihre Wurzeln. Bücher Pustet Passau ist heute die größte Buchhandlung in Niederbayern, mit einem Einzugsbereich, der sich bis nach Oberösterreich erstreckt. 1978 folgte Augsburg, 1984 eröffnete eine Pustet-Buchhandlung in Straubing. 1989 gelang es Pustet, die vormals Krüllsche Buchhandlung in Landshut „wiederzubeleben“. 1995 eröffnete Pustet eine weitere Buchhandlung, dieses Mal in der Deggendorfer Bahnhofstraße. Einige Jahre später griff man das Übernahme-Angebot der Traditionsbuchhandlung Högn in zentraler Lage auf, gab das Geschäft in der Bahnhofstraße auf und konnte sich dadurch vergrößern. 1997 ergänzte im neu erbauten Ansbacher „Brücken-Center“ eine Bücher Pustet-Filiale das Angebot, die vom Sog des Warentempels, seiner guten Lage und dem riesigen Einzugsgebiet profitiert. Die letzte Gründung einer Pustet-Buchhandlung erfolgte 2004 in Freising. Der stetig wachsende Großraum München sorgte auch hier für ein vermögendes und kauffreudiges Publikum. Im Mai 2019 übernahm Pustet Regensburgs traditionsreiche „Dombuchhandlung“. Zentral und gegenüber dem Dom gelegen, ist sie ein Anziehungspunkt auch für zahlreiche Besucher Regensburgs.

Nach dem Tod Friedrichs (V.) 1989 übernahm dessen Witwe Elisabeth die Geschäftsführung. Bis heute ist sie im täglichen Verlagsgeschäft als Lektorin eine wichtige Stütze. Zur Jahrtausendwende fand innerhalb der Familie der Übergang von der fünften zur sechsten Generation statt. Das Unternehmen hat heute die Gesellschaftsform einer Kommanditgesellschaft. Geschäftsführerin ist Ursula Pustet, die Schwester des heutigen Verlegers Fritz (VI.) Pustet.

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