Corona-Krise
Verwitwet mit Kind – eine Betroffene erzählt von aktuellen Sorgen und Problemen

01.04.2020 | Stand 13.09.2023, 0:35 Uhr
−Foto: n/a

Seit fünf Wochen sitzt Birgit mit ihrer neunjährigen Tochter nun schon zu Hause. Erst verbrachten sie zwei Wochen in Quarantäne, denn Birgits Bruder war der erste Corona-Infizierte Niederbayerns. Nach den zwei Wochen schlossen dann die Schulen, auch die Grundschule von Birgits Tochter. Langweilig wird den beiden nicht, doch es ist trotzdem schwierig. Denn: Birgit ist Krankenschwester – und seit zwei Jahren verwitwet.

Regensburg. Im April vor zwei Jahren starb Birgits Mann, der an Krebs erkrankt war, überraschend. Die Tochter der beiden war damals sieben Jahre alt. „Am Anfang war es schrecklich für sie“, berichtet Birgit. Doch ihre Tochter habe sie auch getröstet, wenn Birgit weinte. Die beiden haben ein sehr enges Verhältnis zueinander. Doch ihre Tochter habe auch starke Verlustängste, vor allem nachts, wenn sie zur Arbeit muss. „Ganz generell ist es für mich mehr als schwierig zu arbeiten, weil die Kinderbetreuung gewährleistet sein muss. Ich sollte finanziell gesehen auch mehr arbeiten. Mehr Betreuung kann ich aber nicht mehr organisieren. Das ist eigentlich mein Hauptproblem“, erzählt sie. Birgit ist Krankenschwester und arbeitet im Schichtdienst, zwei Mal in der Woche im Nachtdienst. Hilfe bekommt Birgit nur von ihrer älteren Schwester und von Nichten oder Neffen. Doch die Schwester wohnt 80 Kilometer weit weg, ein schneller Besuch für ein paar Stunden Babysitting ist damit nicht so einfach. Übers Wochenende ist Birgits Tochter deshalb meist ganz bei Birgits Schwester.

Doch seit Januar dieses Jahres gibt die neue Selbsthilfegruppe „Verwitwet mit Kind“ in Regensburg ein wenig Kraft. Immer wieder habe sie im Internet nach einer solchen Gruppe gesucht, erzählt Birgit. Zu einem Treffen – vor Corona – habe sie es schon geschafft. Aktuell sind die acht Gruppenmitglieder über WhatsApp im Austausch miteinander. Herbert Malterer, selbst verwitwet mit Kind, hat die Gruppe, die es früher bereits in Regensburg gab, wiedergegründet. Auch er hat den Austausch unter Betroffenen gesucht, doch unter Gleichaltrigen – denn die meisten Angebote würden ältere Menschen nutzen, die es eher mit Problemen wie Einsamkeit zu tun haben. Deshalb gründete er eine neue Gruppe. Malterer ist froh über die Entscheidung, die bereits im November letzten Jahres getroffen wurde. „Ich freue mich jedes Mal, die anderen zu sehen“, erzählt er.

Andere Menschen zu sehen, Freunde zu treffen, soziale Kontakte – das fehle Birgit momentan am meisten. Und natürlich auch ihrer Tochter, die die aktuelle Situation zwar ziemlich gut versteht und akzeptiert, aber auch ihre Freunde und die Schule vermisst. Zum Glück haben die beiden ein Haus mit Garten und einen Hund und eine Katze. Der Vormittag vergeht mit den täglichen Aufgaben, die die Schule schickt, auch sehr schnell. Trotzdem hat Birgit Angst davor, sich selbst anzustecken: „In der Arbeit bin ich dem Virus direkt ausgesetzt, ich trage ja nicht einmal Dienstkleidung.“ Und die Fälle nehmen zu, so Birgit. Ihr Bruder sei über zwei Wochen auf Intensivstation gewesen, berichtet sie. Das wäre für sie und ihre Tochter natürlich besonders schlimm. Birgit hat deshalb massive Angst, „nicht vor der Erkrankung, sondern davor, Wochen von meinem Kind getrennt zu sein – und was das für sie heißt“.

Und zu zweit so lange Zeit „aufeinanderzuhocken“, sei manchmal auch nicht leicht, berichtet Birgit, im Streit wünsche sich ihre Tochter dann auch manchmal den Papa zurück. Wenn wieder Normalität einkehrt, die Schulen wieder öffnen, gibt die Selbsthilfegruppe „Verwitwet mit Kind“ Betroffenen wie Birgit wieder etwas Stütze. Es ist geplant, dass sich die Gruppe auch ab und zu außerhalb der offiziellen Termine trifft, zum Beispiel um miteinander Essen zu gehen. Die Treffen finden grundsätzlich ohne Kinder statt. Verschwiegenheit sei in der Gruppe sehr wichtig und man könne über alles sprechen, was man will, so Malterer. Interessierte können sich per Mail an vmk-rgb@t-online.de vorher anmelden. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.vmk-rgb.de.

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