Zerwürfnis
Die Erosion der Regensburger SPD und Wolbergs Rentenansprüche nach einer Wahl

09.04.2019 | Stand 13.09.2023, 0:09 Uhr
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Joachim Wolbergs gründet am Mittwoch, 10. April, einen Wahlverein – der SPD-Unterbezirkschchef Koch droht Mitgliedern mit Rauswurf. Derweil kündigt die Landesanwaltschaft an, nach einem Urteil die vorläufige Suspendierung zu überprüfen. Zudem wird bekannt: Tritt Wolbergs an, verliert aber die Wahl, hätte er sofort Rentenansprüche.

REGENSBURG Die Szenen sind eigentlich wie aus einem Kindergarten: Etwa 30 Mitglieder des SPD-Stadtverbands quetschten sich in einen engen Raum der Gaststätte Wiendl in Kumpfmühl. Auf Antrag des Ortsvereins Äußerer Westen musste sich der Stadtverband mit der Personalie um den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs befassen. Doch man wählte ein Verfahren, das an Drolligkeit kaum Wünsche offen ließ: In Form einer Mediation sollten die Mitglieder des Stadtverbands „ausschließlich nach vorne schauen.“ Offenbar wollte man verhindern, dass schmutzige Wäsche gewaschen wird.

Der Frieden aber hielt nicht lange. Joachim Wolbergs erklärte auf Anfrage zu dem Mediationsverfahren: „Ich habe der SPD eine friedliche Trennung angeboten, so dass jeder seinen Weg gehen kann.“ Doch schon am Dienstagmorgen hatten Medien in Regensburg die Erklärung des Unterbezirkschefs Sebastian Koch im Mailfach. Der Wenzenbacher Bürgermeister, der in diesem Parteiamt Nachfolger von Wolbergs ist, ging auf die für den 10. April angekündigte Gründungsversammlung für Wolbergs Verein ein. Koch machte deutlich: „Eine Mitgliedschaft in diesem Verein oder gar eine Kandidatur für diesen ist gemäß § 6 Organisationsstatut mit einer Mitgliedschaft in der SPD unvereinbar.“ Zu Deutsch: Wer sich zu Wolbergs bekennt, fliegt.

„Die Reaktion heute von Herrn Koch, die an Dummheit nicht zu überbieten ist, zeigt, dass man eben keinerlei politische Erfahrung hat“, so Wolbergs wörtlich. Die Reaktion von Koch werde die SPD ein zweites Mal spalten, sagte Wolbergs in einer Reaktion auf die Mitteilung Kochs. Der wiederum hatte sich deutlich zu Wolbergs‘ Ankündigung positioniert: „Gleichwohl hat sich bereits klar abgezeichnet, dass die SPD in Regensburg nicht mehr bereit ist, einen unreflektierten Personenkult, wie ihn sich Joachim Wolbergs seit geraumer Zeit erbeten hat, zu betreiben. Die Gründung eines Fanclubs, der dem suspendierten Oberbürgermeister bedingungslos folgt, erscheint mir also nur folgerichtig“, so Koch wörtlich.

Eine der größten Wolbergs-Kritikerinnen, die schnell nach der Inhaftierung im Januar 2017 dafür sorgte, dass die SPD einen Beschluss fasste und Wolbergs zum Rücktritt aufforderte, war die Landtagsabgeordnete Margit Wild. Diese wiederum war beim Mediationsverfahren am Montagabend gar nicht anwesend.

Dafür waren andere SPD-Politiker da, die Wilds Kurs gegen Wolbergs offenbar voll decken. Wolbergs selbst nennt etwa den neuen Stadtverbandschef Juba Akili oder Heinrich Kielhorn. Seine Wertung für diese SPD-Politiker ist indes harsch: „Die SPD ist jetzt dominiert von Personen, die man in der Öffentlichkeit nicht kennt, die sich aber selbst für sehr wichtig halten.“ Wenn das „die Zukunft der Regensburger SPD ist, dann ist sie dem Untergang geweiht“, so Wolbergs weiter. Er selbst erklärte übrigens, dass er solange Mitglied der SPD bleiben werde, bis man ihm ankündigen würde, ihn auszuschließen. „Dann trete ich aus. Vorher nicht.“

Entlastendes Telefonat von der Kripo vernichtet

Derweil stellt sich die Frage, wie es für Joachim Wolbergs weitergehen könnte. Zahlreiche SPD-Mitglieder haben angekündigt, in seinen Wahlverein eintreten zu wollen. Auch die Namen von amtierenden Stadträten wurden bereits genannt, die auf Wolbergs Liste kandidieren könnten. Der Personalchef von Conti beispielsweise, Michael Staab, könnte ein Schwergewicht auf Wolbergs Liste werden. Auch die frühere Oberbürgermeisterin Christa Meier oder Stadträtin Margot Neuner könnten ihm helfen wollen.

Auf Anfrage erläuterte die Landesanwaltschaft, die Wolbergs vorläufig suspendiert hat, dass man nach einem Urteil im Juli die Suspendierung neu überprüfen werde. Für Wolbergs ist das Urteil dann entscheidend, laut „Beamtenstatusgesetz endet das Beamtenverhältnis mit Rechtskraft des Strafurteils, wenn ein Beamter wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird“, so die Landesanwaltschaft. Ausnahmen gibt es nur, würde Wolbergs wegen Bestechlichkeit im Amt zu mehr als sechs Monaten verurteilt. Doch das ist angesichts des Verlaufs des Strafprozesses derzeit eher unwahrscheinlich. Vielmehr zeichnet sich nach einer Aussage des Mitangeklagten Franz W. im Prozess am Montag ab, dass auch die privaten Vorteile für die Ferienwohnung im Landkreis Straubing-Bogen vom Tisch sein könnten. W. räumte nämlich ein, dass er in einem Telefonat seinem Anwalt berichtet hatte, dass Wolbergs davon nichts wusste. Während die Ermittler zahlreiche Gespräche mit Anwälten widerrechtlich nicht löschten, wurde dieses Telefonat allerdings vernichtet.

Eine Recherche des Wochenblatts indes ergab, dass Wolbergs abgesichert ist, anders als seine Gegner behaupten: Wenn die Suspendierung aufgehoben wird, wäre er 2020 zwölf Jahre in einem Amt gewesen, hätte Pensionsansprüche mit 62. Würde er antreten, würde aber nicht mehr gewählt, hätte er nach Artikel 21 Absatz 1 Kommunales-Wahlbeamten-Gesetz sofort einen Pensionsanspruch – mit dann 49 Jahren.

Regensburg