Menschen helfen Menschen
„Bei der ‚Tafel‘ muss niemand mit leeren Händen gehen!“

12.01.2018 | Stand 13.09.2023, 6:23 Uhr
Verena Bengler
−Foto: Foto: vb

„Jeder der Hilfe braucht, soll kommen“, ruft Christine Gansbühler, erste Vorsitzende der Tafel Regensburg e. V., alle Menschen auf, bei denen das Geld für das Nötigste knapp ist. Dieser Aufruf ist der 55-Jährigen deshalb so wichtig, weil sie weiß, wie schwer es für die Betroffenen sein kann, den Schritt zu wagen und sich an die Tafel zu wenden. Sie selbst war vor einigen Jahren in der gleichen Situation.

REGENSBURG Nachdem die Firma in der Christine Gansbühler angestellt war, im Jahr 2009 Insolvenz anmeldete, verlor die lebensfrohe Regensburgerin ihren Job, das Geld wurde knapp. „Eine meiner drei Töchter spielte Klavier, die anderen beiden studierten schon. Ich wollte das Leben für meine Kinder unbedingt so weiterlaufen lassen“, erklärt die 55-Jährige. Weil über 200 Bewerbungen trotz vier verschiedener Ausbildungen erfolglos waren, wandte sie sich schließlich an die Tafel. „Als ich das erste Mal dort war, war das schon eine Überwindung. Ich dachte mir: ‚Jetzt bin ich ganz unten’“, schildert Christine Gansbühler heute. Ein ganzes Jahr lang kam die alleinerziehende Mutter als Kundin zur Tafel um ihre drei Töchter und sich selbst über Wasser zu halten. Um etwas zurückzugeben und sich nützlich zu machen, wollte sie schon damals ehrenamtlich bei der Tafel arbeiten. Eine irrsinnige Regel machte ihr aber einen gewaltigen Strich durch die Rechnung.

Die Regel besagte, man müsse Arbeit haben um bei der Tafel arbeiten zu können. Erst als die 55-Jährige schließlich Glück hatte und eine Anstellung als Kindermädchen in einem privaten Haushalt fand, durfte sie bei der Tafel mit anpacken. Inzwischen ist sie sogar die erste Vorsitzende des Vereins.

Kunden können ein Mal pro Woche einkaufen

Und ihre Arbeit bei der Tafel macht ihr großen Spaß, das merkt man ihr an. „Von dem, was die Kunden hier raustragen, können sie rund eine Woche leben. Niemand geht bei uns mit leeren Händen“, freut sich die 55-Jährige. Damit auch wirklich jeder etwas bekommt, müssen sich die Kunden an bestimmte Strukturen halten. Jeder Kunde muss sich zu Beginn bei der Tafel registrieren lassen und bekommt einen Ausweis ausgehändigt und ein Zeitfenster für seinen Einkauf zugeteilt. In ihren jeweiligen Zeitfenstern kommen die Kunden schließlich mit einem großen Korb oder Tüten in die Tafel und stellen sich an der Kasse an. Dort zeigen sie ihren Ausweis vor und zahlen einen bis maximal zwei Euro für einen Einkauf. Dann geht es endlich los: Die erste Station sind die Backwaren. Wie in einer kleinen Bäckerei dürfen sich die Kunden dort aussuchen, was sie möchten. „Wenn von einer bestimmten Ware nur wenig da ist, begrenzen wir die Ausgabe pro Person“, erklärt Christine Gansbühler, die immer einen Überblick über die Vorräte hat. Von den Backwaren geht es weiter zu den Milchprodukten. Naturjoghurt und Milch sind dort besonders gefragt. Anschließend geht es in die nächste Abteilung. Dort gibt es Fleisch, Wurst, veganen Aufschnitt, Lachs und manchmal sogar Delikatessen wie Kaviar und Wachteleier.

Kaviar für 100 Euro

„Das teuerste Produkt, das wir hier hatten, war eine Dose Kaviar für 100 Euro“, erzählt Christine Gansbühler. Eier sind hingegen leider oft Mangelware. Die nächste Station bilden eine Obsttheke und ein Tante-Emma-Laden. Neben Äpfeln, Bananen, Himbeeren, Blaubeeren und Co. gibt es an dieser Station auch ganz verschiedene Dinge, wie zum Beispiel Konserven, Schokolade, Tierfutter und Hygieneartikel. Die letzte Station ist schließlich die Gemüseabteilung, bevor die Kunden den Laden mit vollen Körben und Taschen wieder verlassen. Damit alles gerecht und geordnet zugeht, steht hinter jedem Stand ein Ehrenamtlicher, der für die Ausgabe der Waren zuständig ist. Insgesamt gibt es 167 Mitarbeiter bei der Tafel Regensburg. Alle arbeiten ehrenamtlich. Viele der Mitarbeiter sind regelmäßig auf der Straße unterwegs und klappern mit drei Kühlfahrzeugen die Supermärkte in und um Regensburg ab und sammeln Lebensmittel ein. Vor Ort entscheiden die Fahrer, welche Lebensmittel mitgenommen werden. Abgelaufene oder verdorbene Ware wird sofort aussortiert. „Wir nehmen nur mit, was wir selbst noch essen würden“, erklärt Christine Gansbühler den einfachen Grundsatz. Jetzt, nach der Weihnachtszeit, kommen die Fahrer zum Beispiel mit besonders vielen Lebkuchen und weihnachtlich verpackter Schokolade von ihren Touren zurück. „Bei der Tafel ist Weihnachten nach Weihnachten und Ostern nach Ostern“, schmunzelt Christine Gansbühler. Hinter der Tafel Regensburg steckt also eine ganze Menge Arbeit. Stolze 27.000 Stunden arbeitete das gesamte Tafel-Team im Jahr 2017. Die 4.500 bis 5.000 Menschen, die wöchentlich von der Tafel versorgt werden, zeigen jedoch, dass sich die Mühe mehr als lohnt. Apropos: Die Tafel sucht Helfer! Informationen findet man unter www.regensburgertafel.de.

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