Landkreis-Kita
„Es ist wirklich eine Katastrophe“

05.08.2020 | Stand 13.09.2023, 6:32 Uhr
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Einem Kind läuft die Nase. Ist das ein Symptom eines Corona-Infekts? Der Sprössling hat zwar ein Attest, die Eltern müssen trotzdem aus dem Job in München, um ihr Kind am Wohnort aus dem Kinderzentrum abzuholen.

Altfraunhofen. Die strengen Hygiene-Regeln können belastend sein. Vor allem wenn man auf etwas dringend angewiesen ist, wie den Kindergartenplatz für den Sprössling. Aber was tun, wenn die Kita des Vertrauens plötzlich das eigene Kind abweist?

Das ist eine Mutter aus Altfraunhofen passiert, die anonym bleiben möchte. Sie legt das ärztliche Attest vor, in dem steht, dass ihr Sohn „infektfrei“ ist. Mit diesem Attest samt negativem Corona-Testergebnis habe die Mutter den Zweijährigen mit Erlaubnis des Arztes wieder ins Kinderzentrum St. Nikolaus gebracht. Dort aber habe er nicht lange bleiben dürfen: „Eineinhalb Stunden später rief man uns an, dass wir unseren Sohn wieder abholen müssen, weil man ihm die Nase habe putzen müssen. Ich holte ein gesundes Kind ab. Am nächsten Tag wiederholte sich das Spiel. Was kann ich tun?“ Sowohl Vater als auch Mutter hätten ihre freie Tage längst aufgebraucht. Beide arbeiten in München, das sind für die Eltern aus Altfraunhofen viele Kilometer Arbeitsweg. Auf den Kita-Platz wären sie dringend angewiesen.

Im Kinderzentrum St. Nikolaus klagt man ebenfalls: Dass man notfalls auch gesunde Kinder nach Hause schicke, wenn nach gemeinschaftlicher Rücksprache ein Anlass bestehe, belaste die Beziehung zu den Eltern. Doch man habe keine Wahl, sagt Julia Neumaier, die stellvertretende Leitung der Einrichtung, unter Verweis auf ein Ministeriumspapier, das dieses Handeln vorgebe: „Wir Einrichtungen haben extrem hohe Verantwortung. Uns fällt das unendlich schwer und es ist emotional belastend. Wir sind keine Ärzte. Wir machen uns diese Entscheidungen nicht leicht. Eigentlich bräuchte jede Einrichtung einen Arzt, der sofort einen Abstrich nimmt.“ Es beschweren sich viele Eltern, sagt sie. „Es ist wirklich eine Katastrophe. Mir ist klar, dass sich viele ärgern. Aber wir ärgern uns doch auch. Wir sind in einer Situation, in der wir gar nicht sein wollen. Und kriegen dann auch noch den Ärger ab.“ Das Risiko, wenn sie falsch entscheiden, sei immens: Denn notfalls müsse dann die ganze Einrichtung geschlossen werden.

Die Gemeinde könne nichts machen, sagt Bürgermeister Johann Schreff auf die Frage, wie es denn nun sich verhalte mit Rechtsanspruch der Eltern auf einen Kita-Platz: „Das Personal untersteht nicht der Gemeinde.“

Der Träger der Kindergarteneinrichtung beteuert, dass das Personal gemäß den Vorgaben und Empfehlungen des Staatsministeriums handle, da sich Kindergärten derzeit im „eingeschränkten Regelbetrieb“ befinden.

„Kinder, die Symptome einer akuten, übertragbaren Krankheit aufweisen, dürfen die Kita aktuell nicht besuchen“, schreibt das Bayerischen Familienministeriums auf eine Anfrage. „Kindertageseinrichtungen können aktuell ein ärztliches Attest, das ein Kind als gesund ausweist bzw. einen negativen Corona-Test akzeptieren, müssen dies aber nicht. Hintergrund ist, dass ein Attest bzw. ein negativer Corona-Test stets nur eine Momentaufnahme darstellen, sodass auf das Vorliegen tatsächlicher Symptome abgestellt wird. Solange das Kind Symptome einer akuten, übertragbaren Krankheit aufweist, darf die Kita das Kind derzeit abweisen.“ Und weiter: „Es ist im Interesse aller, das Nötige dafür zu tun, Infektionsgeschehen in der Kindertagesbetreuung und damit verbunden erneute weitreichende Beschränkungen soweit wie möglich auszuschließen.“

Landshut